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17:29 Uhr - 06.02.2015

Faber: «Das ganze Preisgefüge ist verzerrt»

Marc Faber kritisiert im Interview mit FuW die Enteignung durch Minuszinsen und macht die expansive Geldpolitik für den Kriechgang der Weltwirtschaft mitverantwortlich.

Wenn der Schweizer Börsen­experte Marc Faber spricht, strömen die Anleger in Scharen herbei. Das gilt umso mehr in unsicheren Zeiten wie heute, wo Orientierung mehr denn je gefragt ist. Das war zumindest der Eindruck, der am Donnerstag entstehen konnte, als Faber im Rahmen der «Finanz 15» in Zürich zwei Vortragssäle gefüllt hat. Im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» äussert er sich zur Unabhängigkeit der US-Notenbank und den unsicheren Aussichten für die Finanzmärkte.

Herr Faber, in der jüngeren Vergangenheit mehrt sich die Zahl der Unfälle an den ­Finanzmärkten – Stichwort Rubel- und ­Ölpreiskollaps oder Frankenschock. Wie interpretieren Sie diese Ereignisse?Zur PersonDer Schweizer Anlagestratege Marc Faber mit Wohnsitz im Norden Thailands wird oft als chronischer Baissier und «Dr. Doom» bezeichnet. Er ist jedoch mehr Contrarian als Untergangsprophet und gibt auch Kaufempfehlungen ab. Darunter besonders erfolgreich waren beispielsweise asiatische Aktien, Gold und Rohstoffe im Jahr 2002, als Investoren einen weiten Bogen um diese Anlagen machten, oder 2012 italienische und spanische Aktien.

Faber, 68, studierte Wirtschaftswissenschaften und doktorierte in Zürich. Von 1970 bis 1978 arbeitete er bei White Weld & Company in New York, Zürich und Hongkong, wohin er 1973 zog. Von 1978 bis 1990 war er Managing Director bei Drexel Burnham Lambert. Danach gründete er die Investmentgesellschaft Marc Faber Ltd. mit Sitz in Hongkong.

Wegen der Notenbankinterventionen war die Volatilität an den Börsen markant gesunken. Seit Sommer ändert sich das jedoch. So ist der Euro zum Dollar 20% oder der Ölpreis gar mehr als 50% gefallen. Gleichzeitig sind die Kurse für europäische Peripherieanleihen gestiegen. Die hohe Volatilität wird vermutlich andauern. Es dürfte immer mehr Märkte, Währungen oder Einzeltitel geben, die heftig korrigieren oder kräftig steigen.

Warum ist die Volatilität angesprungen?
Das Volumen der globalen Finanzmärkte übertrifft die Wirtschaftsleistung um Welten. Die Verschiebung dieser gewaltigen Gelder hat einen grossen Einfluss auf die Vermögenspreise. Wenn jedermann Dollar kauft, dann steigt dieser. Beim Franken ist die Wirkung noch grösser. Wo das Geld hinfliessen wird, ist jedoch schwierig vorhersehbar.

Ist die Aufhebung der Eurountergrenze durch die Schweizerische Nationalbank ein erstes Anzeichen, dass die Allmacht der ­Notenbanken doch Grenzen kennt?
Ich finde es spannend, wie sich Notenbanker verändern, wenn sie aus ihrem Amt ausscheiden. Alan Greenspan, den ich seit den Siebzigerjahren kenne, ist heute gegenüber der US-Notenbank viel kritischer eingestellt. Nur sagt er das nicht öffentlich.

Gilt das auch gegenüber seiner eigenen Politik?
In einem Gespräch erwähnte er am Rand, das Fed habe von der Regierung Auflagen bekommen. Worauf ich ihn gefragt habe, ob das heisse, die Notenbank sei nicht unabhängig. Das habe er nie behauptet, antwortete er. Ein anderer ehemaliger Fed-Mitarbeiter bestätigte, das Schatzamt und die Notenbank seien ein und dasselbe. Ich mache Thomas Jordan keinen grossen Vorwurf, denn die Untergrenze wurde ja nicht von ihm, sondern von seinem Vorgänger Philipp Hildebrand eingeführt. Jordan hätte die Grenze aber früher aufheben oder die Reserven besser diversifizieren sollen.

Gilt also trotz SNB-Schock: Das Fed kann unlimitiert Anleihen kaufen?
Der starke Dollar ist ein Hinweis auf die Verknappung der globalen Liquidität. Falls dieser Liquiditätsentzug das Wachstum beeinträchtigt, wird das Fed weitere quantitative Lockerungsrunden lostreten. Die Bilanzsumme des Fed ist von 500 Mrd. auf 4,5 Bio. $ gestiegen. Warum kann die Bilanz nicht auf 45 Bio. ausgeweitet werden?

Was wären die Folgen dieses Experiments?
Alle diese Staatseingriffe – sei es fiskal- oder geldpolitischer oder auch regulatorischer Art – werden das Wachstum der Wirtschaft hemmen. Das Geld fliesst nicht zum Mann auf der Strasse, sondern an die Finanzmärkte. Das Fed kauft dem Bankensystem Anleihen ab. Die Banken deponieren den Erlös bei der Notenbank. Deshalb blieb die Inflation bisher im Zaum. Sollte sich die Geldumlaufgeschwindigkeit eines Tages beschleunigen, sähe das anders aus. Wobei nicht auszuschliessen ist, dass die Inflationsraten unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen gar nie stark anspringen werden.

Warum nicht?
Angenommen, Sie besitzen eine Milliarde Dollar. Wollen Sie angesichts der Wust an Regulierungen wirklich ein Unternehmen gründen oder nicht lieber Aktien oder Immobilien kaufen, die seit Jahren steigen? Es ist ein Unterschied, ob Sie ein Gebäude bauen oder ein bestehendes kaufen. Letzteres hat bis auf die Maklerkommission keinen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung. Dasselbe gilt für Firmenübernahmen, die oft sogar einen Stellenabbau zur Folge haben. Die Wirtschaft wird nur stimuliert, wenn sie ein neues Haus bauen oder ein Unternehmen gründen. Die Hausse an den Finanz- und Immobilienmärkten könnte für die Wirtschaft also kontraproduktiv sein.

Was folgt danach?
Obwohl es ziemlich offensichtlich ist, dass die Finanzkrise ihren Ursprung im übermässigem Kreditwachstum hatte, schiebt das Fed die Verantwortung ab. Künftig wird der Staat dem Bürger erklären: Die Reallöhne fallen, weil die Oberschicht so viel verdiene. Deshalb müsse man diese stärker besteuern. Reichensteuern werden kommen, auch in der Schweiz. Der andere Weg ist die Beschlagnahmung von Vermögenswerten, der durch die negativen Zinsen bereits beschritten wird.

Was kann ein Schweizer Anleger in diesem Umfeld tun?
Die Minuszinsen sind bedenklich, denn man kann niemanden zwingen, mit seinen Ersparnissen zu spekulieren. Weil wir nicht wissen, wie die Welt in ein paar Jahren aussieht, kann ich nur empfehlen, die Anlagen zu diversifizieren. Ein Portefeuille aus hochwertigen Schweizer Qualitätsaktien wie Nestlé (NESN 71 -0.35%), Novartis (NOVN 92.1 2.22%) oder Roche (ROG 251.4 0.56%) sollte über die nächsten Jahre besser abschneiden als eine Investition in Eidgenossen. Nur muss man die höheren Schwankungen durchstehen können.

Sprechen die konjunkturellen Lebenszeichen nicht für Aktien?
Ich sehe nirgends einen Motor, der das Weltwirtschaftswachstum antreiben könnte. Die Konjunktur in den Schwellenländern läuft zwar rund, doch sie wächst nicht.

In den USA stehen die Zeichen doch auf Wachstum.
Es gibt Statistiken, die das widerlegen. So ist die Industrieproduktion im Dezember im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Das Bruttosozialprodukt ist zudem ein zweifelhafter Indikator. Besser eignen würde sich beispielsweise das Realeinkommen, das ebenfalls rückläufig ist.

Ist der fallende Ölpreis nicht ein Segen für die US-Wirtschaft?
Ich denke, der günstige Einfluss des fallenden Ölpreises wird überschätzt. Der Detailhandelsumsatz hat im Dezember trotz Ölpeiszerfall enttäuscht. Zudem hat der Ölsektor massgeblich zum Jobwachstum in den Vereinigten Staaten beigetragen – und zwar mit gut bezahlten Stellen. Das waren keine Tellerwäscherjobs wie bei McDonald’s. Nun drohen massive Kürzungen. Ferner ist der Zusammenhang zwischen Ölpreis- und Börsenentwicklung nicht eindeutig. Von 2002 bis 2007 sind beide gestiegen.

Würden Sie trotz der Ölpreiskorrektur Energieaktien kaufen?
Ölaktien haben wesentlich weniger verloren als der Ölpreis. Ich tendiere deshalb eher dazu, Ölserviceunternehmen wie Schlumberger, Halliburton (HAL 43.56 0.48%) oder Diamond Offshore zu kaufen, die gewaltig unter die Räder gekommen sind. Nachdem der Ölpreis letztmals so stark eingebrochen ist wie jetzt – zwischen Sommer und Dezember 2008 –, folgte eine kräftige Erholung. Eine Erholung von 10 bis 20% ist auch jetzt wieder möglich, wobei ich wegen der schwachen Nachfrage aus der Wirtschaft keine neuen Höchst erwarte. Zudem folgen die Produktionskürzungen erst mit ­einer Zeitverzögerung, weil die Unternehmen weiter fördern, solange die variablen Kosten gedeckt sind. Es wird aber trotzdem zu massiven Kürzungen kommen.

Finden Sie weitere attraktive Aktien?
Zusätzlich zu den Schweizer Qualitätsnamen halte ich weiterhin Telecom- und Infrastrukturaktien in Spanien, Italien und Frankreich sowie deutsche Versorger. Den attraktivsten Ertrag dürften über die nächsten Jahre aber die Schwellenländer abwerfen – allen voran in Asien, wo sich  auch am chinesischen Aktienmarkt Ge­legenheiten finden lassen. Die dortige Wirtschaft kämpft zwar mit Problemen, doch in der heutigen Welt sind schlechte Konjunkturnachrichten Good News für die Börse, weil die Notenbanken expan­siver werden. Ferner mag ich Goldminenaktien, die relativ zum US-Markt ­unglaublich günstig sind.

An Ihrer Vermögensaufteilung – je 25% in Aktien, Gold (Gold 1231.015 -2.73%), Immobilien sowie einem Mix aus Bargeld und Anleihen – halten Sie fest?
Ich habe meine Immobilienquote in Asien erhöht. Auch in der Schweiz wirken Bruttorenditen von 3% im Vergleich zum garantierten Verlust auf Staatsanleihen attraktiv. Das ganze Preisgefüge wurde durch die Notenbanken verzerrt.

Nur folgt auf solche Verzerrungen oft ein Unfall.
Das ist klar. Wenn dieser Unfall kommt, werden vermutlich alle Anlageklassen inklusive der massiv überteuerten Staatsanleihen an Wert verlieren. Oder wollen Sie zehnjährige französische ­Papiere zu 0,5% kaufen?  Es ist zu befürchten, dass die meisten Anleger – ich eingeschlossen – über die nächsten fünf bis zehn Jahre die Hälfte ihres ­Vermögens verlieren.

Das spricht trotz negativer Realzinsen für Bargeld.
In diesem Umfeld kann der Gewinner derjenige sein, der am wenigsten verliert. Nur fragt sich, in welcher Währung Sie dieses Bargeld halten sollen. Ich ziehe den Dollar dem Euro vor, auch wenn ich wegen der optimistischen Anlegerstimmung nicht heute Dollar kaufen würde. Die stärkste Währung über ein Jahr gesehen war übrigens Gold.

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