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17:48 Uhr - 10.10.2014

Sturmwarnung an der Börse

Mit dem Ende des Stimulusprogramms QE3 kehrt die Unsicherheit zurück. Investoren müssen mit weiteren Turbulenzen rechnen.

An der Constitution Avenue in Washington herrscht Alarmbereitschaft. Von überallher treffen am Sitz der mächtigsten Zentralbank der Welt Warnmeldungen ein: Kontroverse DollareffekteDie Warnung des Fed widerspricht selbst eigenen Untersuchungen. Lesen Sie hier den ausführlichen Artikel von FuW-Redaktor Andreas Neinhaus.Europa droht eine Rezession, Japan fällt zurück in die Lethargie, und Chinas Wachstum verliert weiter an Kraft. Geopolitische Risiken sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr, und erste Ebola-Fälle ausserhalb Westafrikas schaffen zusätzliche Verunsicherung. Investoren suchen daher Schutz in Amerika, wo die Wirtschaft noch einigermassen stabil ist und sich am Horizont die erste Zinserhöhung seit über acht Jahren abzeichnet.

Dieser Trend spiegelt sich im festeren Dollar. Handelsgewichtet ist sein Kurs seit Anfang Juli fast 8% gestiegen, wobei der grösste Schub in den letzten Wochen kam. Im Federal Reserve wird das mit Sorge verfolgt. Wie am Mittwoch das Protokoll zur letzten Sitzung der Währungshüter gezeigt hat, fürchten sie, dass die Schwäche im Rest der Welt «den Dollar weiter aufwerten und negative Effekte auf den Exportsektor haben könnte».

zoomWas die Dollarstärke insgesamt für die US-Wirtschaft bedeutet, ist schwierig abschätzbar. Klar ist aber, dass die langfristigen Inflationserwartungen gemessen am Break-even-Punkt inflationsgeschützter Staatsanleihen (TIPS) seit Anfang August deutlich gesunken sind. Aus Sicht der Währungshüter ist das ein gravierendes Problem, zumal die Teuerungsrate bereits seit zwanzig Monaten unter den anvisierten 2% verharrt, die sie als optimal für ein gesundes Wirtschaftswachstum erachten.

Wie im Sommer 2013

zoom«Der Markt signalisiert, dass er nicht bereit ist für die Rückkehr zur regulären Geldpolitik», meint Anlagestratege Jim Bianco. Zufall oder nicht: Die Inflationserwartungen sind in den letzten Wochen fast exakt auf das gleiche Niveau gesunken wie im Sommer 2013, als das Fed erstmals über die Drosselung des Stimulusprogramms QE3 sprach und die Renditen im Bondsektor sprunghaft anzogen. In der Folge sah sich der damalige Notenbankchef Ben Bernanke gezwungen, mit milden Worten Gegensteuer zu gegeben. «Bis jetzt hat es beim Fed jedes Mal eine Gegenreaktion ausgelöst, wenn die Inflationserwartungen eingebrochen sind», hält Bianco fest.

Umso genauer werden die Märkte der Rede zuhören, die Notenbankpräsidentin Janet Yellen am Freitag in Boston hält. Seit Anfang Jahr hat das Fed das QE3-Programm von 85 auf 15 Mrd. $ pro Monat gedrosselt und angekündigt, es an der Sitzung von Ende Oktober ganz zu stoppen. Den Mittelzufluss aus seinem gigantischen Wertschriftenportfolio wird es zwar weiterhin reinvestieren, was jährlich 480 Mrd. $ entspricht. Anders als in den letzten zwei Jahren wird das Fed seine Bilanz aber nicht mehr aufblähen.

In der Geldpolitik steht damit ein bedeutender Wechsel an, der die Frage nach dem ersten Zinsschritt ins Zentrum stellt. Seit Ende 2008 hält die US-Notenbank die Federal Funds Rate auf nahezu null gedrückt und hat an der letzten Sitzung bekräftigt, dass sie nach dem Ende von QE3 noch «geraume Zeit» mit der ersten Erhöhung warten werde.

Was das genau bedeutet und wie lange das Fed an diesem Versprechen festhält, sorgt seit Monaten für Spekulationen. Das auch deshalb, weil innerhalb der Notenbank die Opposition wächst. Die Zinsfalken warnen immer lauter, dass die ultralockere Politik des Führungskreises um Yellen zu Übertreibungen an den Märkten führe. Zudem ist die Arbeitslosenquote im September weiter auf 5,9% gesunken und ist damit nicht mehr weit von den 5,2 bis 5,5% entfernt, die das Fed als Niveau bei Vollbeschäftigung erachtet.

Volatilität kehrt zurück

zoomSolange keine Klarheit besteht, werden die Märkte nervös bleiben. Die gedämpften Aussichten für die Weltwirtschaft, der feste Dollar und die Bestätigung, dass sich das Fed darüber sorgt, haben die Wahrnehmung verändert. Investoren rechnen zwar weiterhin für 2015 mit der ersten Zinserhöhung. Gemäss den Kontrakten an der Terminbörse CME wird der Schritt nun aber später erwartet. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Fed an der Sitzung vom Juni 2015 an der Zinsschraube dreht, beträgt noch 23%. Vor einem Monat waren es über 50%.

Vor diesem Hintergrund sollten sich Anleger darauf gefasst machen, dass es an der Börse wieder vermehrt rüttelt. «Die fast weltweit praktizierte Nullzinspolitik  hat die Volatilität ein halbes Jahrzehnt lang unterdrückt. Damit ist es vorbei», denkt David Kotok, Chef des Anlageberaters Cumberland Advisors. Ein erstes Anzeichen dafür sei der Renditeschub im Bondsektor vom Sommer 2013 gewesen. «Seither hat sich der Prozess auf den Devisenmarkt, den Rohstoffsektor und die Aktienbörsen ausgeweitet», fügt Kotok hinzu. Einen ersten Vorgeschmack haben Investoren diese Woche erhalten.

Kontroverse DollareffekteDie Warnung des Fed widerspricht selbst eigenen Untersuchungen. Lesen Sie hier den ausführlichen Artikel von FuW-Redaktor Andreas Neinhaus.

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