Zurück zur Übersicht
18:55 Uhr - 12.02.2016

Die Anatomie des Ausverkaufs

Die Börsenkorrektur hat am Schweizer Markt unterschiedlich starke Spuren bei Einzeltiteln und Sektoren hinterlassen. Eine Analyse.

Das Wichtigste» Grosskapitalisierte Gesellschaften haben am meisten gelitten.

» Der Ausverkauf wurde durch den Handel von Futures angetrieben. Dahinter stecken primär institutionelle Anleger.

» Die vermeintlich defensiven Pharmariesen wurden von der Korrektur nicht verschont. Regionalbanken und Immobilien hielten sich hingegen besser.
Minus 2%, plus 2%, minus 3%, plus 1% – im täglichen Auf und Ab an der Börse ist es für Anleger derzeit schwierig, den Überblick zu behalten. Welche  Aktien haben an Wert gewonnen, und welche gehören zu den Verlierern? Und welche Sektoren haben am deutlichsten unter der Korrektur gelitten?

Die «Finanz und Wirtschaft» hat aus diesem Grund den Kursverlauf sämtlicher an der Schweizer Börse kotierter Unternehmen seit Jahresbeginn anhand verschiedener Kennzahlen analysiert – und ist dabei zu überraschenden Erkenntnissen gekommen. So lassen sich zwei Hauptfaktoren benennen, die für das Ausmass der Kursverluste verantwortlich sind:  Die Börsenkapitalisierung sowie die Sektorzugehörigkeit (vgl. Grafik unten).

zoom

Vom Indexeffekt profitieren

Die FuW-Analyse zeigt: Unter starkem Verkaufsdruck standen in den vergangenen sechs Wochen in erster Linie die grosskapitalisierten Titel aus dem Swiss Market Index (SMI (SMI 7656.6 2.13%)). Sichtlich besser schnitten in diesem kurzen Zeitabschnitt die Mitglieder des SMI-Mid-Index (SMIM (SMIM 2246.84 1.7%)) ab, der dreissig mittelgrosse Unternehmen abdeckt, ab. Die geringsten Verluste erlitten im Schnitt die kleinkapitalisierten Werte, die Small Caps.

Das zeigt, dass die Verkaufswelle an der Börse noch nicht den ganzen Markt erfasst hat. Wie aus Börsenkreisen zu hören ist, führt weiterhin vor allem der Handel in Futures zu Abgabedruck. Diese Finanzprodukte decken den SMI ab und ermöglichen professionellen Anlegern, ihre Aktienportfolios abzusichern. Wenn in unruhigeren Zeiten deutlich mehr Futures gehandelt werden, kann dies den Druck auf die SMI-Titel erhöhen. Für Bernd Hartmann, Chefökonom der VP Bank (VPB 80.05 0.06%), ist dies ein Indiz, dass derzeit vor allem institutionelle Investoren am Markt tätig sind.

Er betont auch, dass die bessere Performance von Small- und Mid-Cap-Titeln von Anlegern im aktuellen Umfeld nicht als Zeichen von Stärke gedeutet werden dürfe. «Das ist vielmehr ein Indexeffekt», sagt Hartmann. Je nach Index ist die Ausrichtung unterschiedlich. Der SMI ist hauptsächlich finanz- und pharmalastig, bei Indizes mit kleineren Werten sind andere Sektoren übergewichtet – wie Immobilien- oder Industriegesellschaften. «Diese haben sich zuletzt stabiler gehalten», sagt Hartmann.

zoomEin Performance-Vergleich der Sektoren zeigt die grosse Spannbreite: Zwischen den Konsumgütern (–5%) und dem Energiesektor (–32%) klafft eine Lücke von 27 Prozentpunkten. Gleichzeitig zeigt sich auf Sektorebene auch, dass nicht alle defensiven Branchen ihre Qualitäten ausspielen konnten.  Der sonst verlässliche Pharmawert Novartis (NOVN 70.9 1.94%) war keine Absicherung gegen Kursverluste. Novartis-Aktien büssten seit Januar 18% ein und damit deutlich mehr als der SMI (–13%). Nur Grossbanken und Biotech korrigierten noch deutlicher. Letztere gehörten in den vergangenen Jahren zu den besten Sektoren und sind deshalb prädestiniert für Gewinnmitnahmen.

zoomHingegen haben sich Sektoren wie Immobilien – und eher überraschend auch Industrie und Regional- und Kantonalbanken gut gehalten. Simon Fuhrer, Portfoliomanager bei der Bank Pictet, führt die Stärke der Industrietitel auf die Wachstumshoffnungen in Europa zurück. Die grosse Mehrheit der Schweizer Industrieunternehmen weist einen hohen Umsatzanteil in Europa aus.

zoomIndustrietitel haben sich bereits im vierten Quartal 2015 im relativen Vergleich gut gehalten, besonders die der Automobilzulieferer. «In China hat im vergangenen Herbst der Automobilverkauf wieder angezogen. Davon profitieren vor allem die deutschen Automobilhersteller, und somit auch die Schweizer Zulieferer», sagt Fuhrer.

zoomFür den Pictet-Portfoliomanager wäre es allerdings ein Trugschluss für Anleger, nun hauptsächlich auf Titel zu setzen, die sich dem Verkaufsdruck entziehen konnten. «Es gibt verschiedene Beispiele von Aktien, die ohne Vorwarnung von einem Tag auf den anderen deutlich an Wert verloren», sagt Fuhrer. Dazu gehören beispielsweise die des Uhrenherstellers Swatch Group (UHR 324 3.15%) oder des Industrieunternehmens Komax (KOMN 199.7 1.63%). Beide Titel gaben nach einem guten Jahresstart gut 10% nach.

Risiken abwägen

Was bedeuten nun diese Erkenntnisse für Anleger? In erster Linie zeigt sich aus der Analyse, dass die Kennzahl Beta (vgl. Grafik oben) in der aktuellen Kurskorrektur tatsächlich funktioniert. Diese Kennzahl misst aus Daten aus der Vergangenheit, ob ein Titel stärker oder schwächer als der Gesamtmarkt schwankt. Je stabiler ein Titel sich verhält, desto tiefer fällt das Beta aus. Aktien, die ein Beta von über 1 aufweisen, bewegen sich stärker als der Gesamtmarkt.

Wer Risiken tendenziell scheut, dem bietet die Korrektur der vergangenen Wochen die Möglichkeit, sein Portfolio konservativer auszurichten. Zu den Titeln mit tiefem Beta gehört beispielsweise der Telecomkonzern Swisscom (SCMN 467.9 2.12%), der seit Anfang Januar 7% eingebüsst hat. Ebenfalls ein tiefes Beta weisen die Aktien des Milchverarbeiters Emmi (EMMN 447.5 0.9%) sowie die von diversen Regional- und Kantonalbanken sowie Immobiliengesellschaften auf.

Anleger, die bereit sind, für mehr Rendite grössere Risiken einzugehen, finden in dieser Korrektur zahlreiche Möglichkeiten für kurzfristige Trading-Gewinne. Sie sollten jetzt Aktien unter die Lupe nehmen, die vom Markt besonders deutlich abgestraft wurden. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise die Titel der Grossbanken Credit Suisse (CSGN 13.1 6.42%) und UBS (UBSG 14.5 5.07%), des Zementherstellers  LafargeHolcim (LHN 35.34 3.76%), des Ölplattformbetreibers Transocean (RIG 8.89 7.43%), des Biotech-Unternehmens Basilea (BSLN 60 0.93%) oder des Derivatehauses Leonteq (LEON 86.8 6.83%).

Sollte sich die Lage an den Finanzmärkten entspannen, würden geringfügige gute Nachrichten genügen, um deren Kurse anzuschieben. Allerdings ist dabei mit der entsprechenden Vorsicht und Absicherung vorzugehen, um unbedachte Verluste zu vermeiden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.