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18:05 Uhr - 28.04.2016

Stromkonzerne auf dem Prüfstand

Elektrizitätsunternehmen haben in Corporate-Governance-Fragen Nachholbedarf. Interessenkonflikte im Verwaltungsrat sind ein kritischer Punkt.

Die Strombranche ist spätestens seit dem Atomunglück von Fukushima im März 2011 im Umbruch. Der Energiesektor hat nicht zuletzt aufgrund staatlicher Markteingriffe, wie des subventionierten Ausbaus von Solar- und Windenergie, mit Herausforderungen zu kämpfen. Dazu zählt der Einbruch der Strompreise im Grosshandel. Das hatte Folgen für die Werthaltigkeit der Kraftwerke, den operativen Erfolg der Unternehmen und ihre Bewertung an der Börse. Doch nicht nur die Aktienperformance auf Mehrjahressicht lässt zu wünschen übrig. Auch bei den Grundsätzen der guten Unternehmensführung (Corporate Governance) gibt es Nachholbedarf.

Zum AutorChristophe Volonté ist Head Corporate Governance von Inrate und verantwortlich für zRating. Er lehrt und forscht an den Universitäten Basel und Konstanz.Eine funktionierende Corporate Governance sichert als strategische Komponente den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Die Corporate Governance umfasst Mechanismen, die die unternehmerische Tätigkeit dahingehend steuern, dass langfristig Unternehmenswert geschaffen wird. Dabei sind das Aktionariat über die Einflussnahme mithilfe seiner Stimmrechte, die Anreize über die Vergütungspolitik und der Verwaltungsrat als oberstes geschäftsführendes Organ entscheidend. Unternehmenskrisen oder gar Wirtschaftskrisen können häufig auf ein Versagen der Corporate-Governance-Strukturen zurückgeführt werden.

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Staatliche Mitbestimmung

GovernanceGrundsätze der guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung, subsumiert unter dem Begriff Corporate Governance, betreffen jeden Aktionär. «Finanz und Wirtschaft» publiziert regelmässig Artikel zu Corporate Governance in Schweizer Unternehmen. Die Meinung des Autors muss nicht mit derjenigen der Redaktion übereinstimmen.Dabei werden die Vergütungspolitik und die Zusammensetzung des Verwaltungsrats durch drei wesentliche Bereiche des unternehmerischen Umfelds beeinflusst: den institutionellen Rahmen (Recht und Kultur), das operationelle Umfeld (Industrie, Strategie, Grösse) und das Aktionariat (Anteilseignerstruktur und Mitwirkungsmöglichkeiten). Eine effektive Corporate Governance berücksichtig diese Faktoren.

Die Corporate Governance in der Energiewirtschaft ist durch staatliche Mitbestimmung geprägt. Bei allen Unternehmen hat die öffentliche Hand erheblichen Einfluss, ob direkt oder indirekt über eine Gesellschaft. Dies spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Der Unabhängigkeitsgrad der Gremien ist mit 31% tief, was auf eine hohe Anzahl von Vertretern der Grossaktionäre zurückzuführen ist (69% der Mitglieder). Im schweizerischen Durchschnitt sind nur rund 30% der Verwaltungsräte Vertreter oder selbst Grossaktionäre. Die Gremien sind zudem überdurchschnittlich gross. Die Verwaltungsräte haben um die zehn bis dreizehn Mitglieder, während Unternehmen des SPI (SXGE 8695.94 0.13%) Extra im Durchschnitt 6,7 Mitglieder aufweisen. Es stellt sich die Frage, ob bei dieser Grösse eine effiziente Willensbildung möglich ist, zumal die Komplexität im Vergleich zum Beispiel zu grösseren diversifizierten Industriegesellschaften, wo Erfahrung und Wissen aus verschiedenen Bereichen wichtig sind, eher überschaubar zu sein scheint.

zoomDa die Unternehmen in unterschiedlichem Ausmass ihren Umsatz im Ausland generieren, variiert der Anteil an Verwaltungsräten mit internationaler Erfahrung ebenfalls. Natürlich hängt dies auch wieder mit den Vertretern der Grossaktionäre zusammen, die im Fall von Alpiq (Alpiq 66.05 0.08%) aus Frankreich und im Fall von Energiedienst (EDHN 22.3 -1.55%) aus Deutschland sind.

Wechsel und Verflechtungen

Erstaunlich ist die hohe Anzahl an Wechseln im Verwaltungsrat. Seit 2011 gab es durchschnittlich acht Neuwahlen, d. h., an jeder Generalversammlung wurden im Schnitt zwei neue Mitglieder gewählt. Dabei sticht Alpiq mit insgesamt 22 Neuwahlen resp. 3,7 pro Jahr besonders hervor. Das lässt nicht auf nachhaltige Corporate Governance schliessen. Im Schweizer Durchschnitt kam es im selben Zeitraum zu 0,6 Neuwahlen pro Generalversammlung.

Auch die Verflechtungen sind problematisch. Einerseits können sich Interessenkonflikte ergeben, wenn zum Beispiel ein Mitglied bei verschiedenen Energieanbietern Einsitz im Verwaltungsrat hat. Aufgrund dessen hat Guy Mustaki als Verwaltungsrat von Alpiq dieses Jahr nicht mehr zur Wiederwahl gestanden. Er ist gleichzeitig Präsident von Romande Energie (HREN 1050 0.29%), die an den Wasserkraftwerken von Alpiq interessiert sein könnte.

Als Nachfolger wird voraussichtlich Wolfgang Martz gewählt, der seinerseits aber ebenfalls Verwaltungsrat von Romande Energie ist. Mit den Vertretern der Grossaktionäre sind auch Kunden der Stromanbieter in den Verwaltungsräten vertreten, womit weitere Interessenkonflikte programmiert sind. Andererseits partizipieren die Unternehmen und damit zuletzt der Steuerzahler durch die Beteiligungen an der wirtschaftlichen Entwicklung der Konkurrenz.

Fragen zur Vergütung

zoomBei der Vergütung zeigt sich die bekannte Korrelation zwischen Unternehmensgrösse und Vergütungshöhe. Die Vergütung des CEO steigt mit der Bilanzsumme des Unternehmens, mit Ausnahme von Energiedienst, scheinbar ungeachtet der Unternehmens- bzw. Aktienperformance. Die CEO-Vergütung von SPI-Extra-Gesellschaften lag 2015 bei rund 2 Mio. Fr. Das gleiche Bild – ebenfalls mit Energiedienst als Ausreisser – zeigt sich bei den Salären der Verwaltungsratspräsidenten. Das durchschnittliche Salär eines Verwaltungsrats steigt mit der Höhe der Bilanzsumme. Auch hier sind die Vergleichswerte (SPI Extra) jedoch höher.

Wie bei anderen Unternehmen unter Staatskontrolle scheint es bei Verwaltungsräten in der Strombranche primär darum zu gehen, das Gewicht des Grossaktionärs zu vertreten. Dadurch beeinflusst der Staat als Regulierer die Unternehmensstrategie. Aufgrund der häufigen Wechsel, der hohen Gremiumgrösse und der potenziellen Interessenkonflikte scheint die Erfüllung der Gestaltungs- und Aufsichtsfunktion eher sekundär. Da Politiker aber den Rahmen der Corporate Governance in der Schweiz massgeblich beeinflussen (Stichwort Aktienrechtsrevision), wäre ein anderer Umgang mit dem Thema wünschenswert.

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