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07:02 Uhr - 07.09.2015

Givaudan und Konkurrenten zielen hoch

Der Aroma- und Riechstoffmarkt bietet Chancen und verspricht solides Wachstum. Die Umsatzziele seiner führenden Vertreter sind jedoch ambitioniert.

Adam Riese würde die Stirn runzeln. Die Rechnung der marktbeherrschenden Aroma- und Riechstoffhersteller scheint in der Summe nicht aufzugehen. Würde jeder von ihnen sein Wachstumsziel erreichen, bliebe für den Rest der Branche je nach Marktabgrenzung kein oder kaum mehr Wachstum übrig. Das ist allen Grössenvorteilen der führenden Anbieter zum Trotz unwahrscheinlich.

Der Markt wird gemäss den Branchenleadern etwa 3% pro Jahr expandieren. Givaudan (GIVN 1640 -1.68%), IFF und Symrise (SY1 52.56 -1.9%) streben organisch mindestens 4 und am oberen Rand bis 6% an. Die private Firmenich dürfte ähnlich planen. Die grossen vier vereinen je nach Marktdefinition 55 bis 70% des globalen Aroma- und Duftstoffgeschäfts auf sich zoom.

Schwellenländer entscheiden

Givaudan hat das Zielband für das währungs- und portfoliobereinigte Wachstum im neuen Mittelfristplan auf 4 bis 5% gesenkt (bisher 4,5 bis 5,5%). Der Mittelwert liegt nun etwas unter den 5% von IFF und Symrise. Givaudan wächst von einem höheren Niveau aus, was schwieriger ist. Die Zielanpassung selbst erklärt sich vor allem mit dem geringeren Schwung in Schwellenländern. Diese bleiben für die Branche jedoch weiterhin zentral.

Vor diesem Hintergrund erachtet es Erik Sjorgren, Analyst von Morgan Stanley (MS 33.19 -1.8%), als positiv, dass sich Givaudan auf Zielraten über dem Marktwachstum verpflichtet. Das bestätige, dass die Genfer ihre Position in aufstrebenden Ländern weiter stärken wollen und regionale Kunden – lokale Konkurrenten von internationalen Multis wie Nestlé (NESN 70.55 -0.77%) oder Unilever (UNA 34.96 -2.36%) – noch gezielter ansprechen werden.

Langfristig hohes Wachstumspotenzial in Schwellenländern räumt auch Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel (VONN 50 -1.19%) ein. Doch es sei unklar, inwieweit die heutige Wirtschaftslage in wichtigen Märkten wie Brasilien, China, Indonesien oder Russland diese noch belaste. Die Wachstumsziele des Sektors bis 2020 hält er für ambitioniert. Für Givaudan rechnet er mit einer durchschnittlichen jährlichen Umsatzausweitung von rund 3,5%.

Die Verbreiterung der Spanne für das zweite Finanzziel – den freien Cashflow – auf 12 bis 17% des Umsatzes gibt Givaudan mehr Flexibilität für Investitionen. «Sie erlaubt es, ein Stück Margenüberlegenheit gegen Wachstum einzutauschen, um die Lücke zur Konkurrenz zu schliessen», meint Andreas von Arx von Baader-Helvea. Givaudan ist in der Marge führend zoom, vermag dem Tempo von IFF und Symrise im organischen Wachstum momentan aber nicht zu folgen.

Das breitere Cashflow-Band (bisher 14 bis 16%) passt auch zur Lage in den Emerging Markets – zu den potenziell grösseren Schwankungen und zur forcierten Ausrichtung auf lokale Kunden, die Marge kosten könnte. Doch selbst der untere Rand der neuen Spanne übertrifft die Werte der Wettbewerber zoom.

Die bisherigen Ziele einer klassenbesten Marge auf Basis des Ebitda (Betriebsgewinns vor Abschreibungen und Amortisation) und einer Ausschüttung von über 60% des freien Cashflows fallen weg. Ohne stattliche Marge ist das neue Cashflow-Ziel allerdings nicht zu erreichen, und in der Dividendenpolitik plant das Management keine Änderung.

Die Beschränkung auf ein Umsatz- und ein Cashflow-Ziel lenkt den Blick verstärkt auf das flaue organische Wachstum. Im zweiten Quartal betrug es knapp 2%, IFF meldete 4%. Im ersten Quartal war Givaudans Rückstand freilich noch grösser. Über die Gründe der Diskrepanz ist wenig bekannt; CEO Gilles Andrier verwies im FuW-Interview zum Halbjahresabschluss auf unterschiedliche Exposures gegenüber grossen internationalen Kunden.

Neue Wachstumsgebiete

Unabhängig davon erschliesst Givaudan – wie andere Vertreter der Branche – laufend neue Wachstumsfelder. Eines davon sind aktive Kosmetikinhaltsstoffe. In dem gut 1 Mrd. Fr. grossen Markt will das Unternehmen eine führende Position erlangen. Die Erwerb von Induchem Ende August untermauert den Anspruch und stärkt zudem das Technologieportfolio. Auch IFF ist jüngst in dieses den Kernaktivitäten thematisch nahe Geschäftsfeld vorgedrungen.

Symrise bearbeitet es schon länger. Der deutsche Wettbewerber ist ohnehin breiter aufgestellt und hat sein Spektrum mit dem Erwerb von Diana im vergangenen Jahr zusätzlich erweitert: auf Inhaltsstoffe für Heimtiernahrung. Die Übernahme hat den Umsatz von Symrise kräftig erhöht. Weitere Impulse hat die Euroschwäche gegeben. Givaudan und inzwischen auch IFF erleben das Gegenteil: Die Stärke ihrer jeweiligen Heimwährung kostet Umsatz und Gewinn zoom. Die Ebitda-Marge bleibt wegen der guten natürlichen Währungsabsicherung dagegen unberührt. Die Unruhe in den Wechselkursen dürfte jedoch anhalten.

Dessen ungeachtet ist das Aroma- und Riechstoffgeschäft attraktiv. Es erlaubt hohe Margen, hat defensive Eigenschaften, und es wächst. Dank ihrer Grössenvorteile und der globalen Reichweite haben die Branchenführer gute Aussichten, überdurchschnittlich zu wachsen – wenn auch nicht unbedingt im Einklang mit ihren hochgesteckten Zielen.

Für die Aktien sind das gute Voraussetzungen. Sie haben mit der jüngsten Korrektur noch an Reiz gewonnen. Aufwärtspotenzial schlummert in jeder von ihnen. Givaudan haben für Schweizer Investoren gewisse Vorteile. Die Wachstumsflaute ist ein Risiko, strukturelle Probleme sieht CEO Andrier aber nicht. IFF bieten sich als reizvolle Alternative an. Bei Symrise gilt es zu bedenken, dass sie in Euro notieren.

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