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08:06 Uhr - 17.06.2015

Der Baron von Wallstreet

Dass Manager von Grossbanken gut verdienen, ist bekannt. Das Milliardenvermögen, das JP-Morgan-Chef Jamie Dimon ­angehäuft hat, sorgt aber selbst in der Branche für Staunen.

Jamie Dimon ist nicht von ungefähr Amerikas profiliertester Banker. Während sich seine Kollegen meist in diplomatischer Zurückhaltung üben, kann der Chef des grössten US-Finanzkonzerns sein Ego nur selten zähmen und sagt gerade heraus, was er denkt. Schon fast legendär sind etwa die Wortgefechte, die er sich regelmässig mit kritischen Analysten liefert. Eine Ausnahmeerscheinung ist der 59-Jährige auch, wenn es um sein Vermögen geht. Gemäss dem Billionaires Index von Bloomberg beträgt sein geschätzter Besitz rund 1,1 Mrd. $. Das überrascht, häufen an Wallstreet  in der Regel doch nur Hedge-Fund-Manager und clevere Trader dermassen viel Geld an.

Mit einem Jahressalär von 20 Mio. $ zählt der Chef von JP Morgan Chase (JPM 68.37 0.56%) zwar zu den Topverdienern der US-Geschäftswelt. Ein Grossteil seines Reichtums hat er sich aber auf andere Weise erwirtschaftet. Dimon, der sich letztes Jahr erfolgreich gegen Kehlkopfkrebs behandeln liess, wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf und war mit Wallstreet schon früh vertraut. Sein Grossvater war aus Griechenland eingewandert und stieg vom Bankangestellten zum Aktienhändler auf. Sein Vater arbeitete für Sandy Weill, der mit Shearson Loeb Rhoades damals eines der mächtigsten Brokerhäuser leitete. Nachdem Jamie Dimon 1982 ein Wirtschaftsstudium an der Eliteuniversität Harvard abgeschlossen hatte, offerierte Weill ihm eine Stelle als Assistent.

Ein Wagnis zahlt sich aus

Obschon der Job riskanter war als ein Angebot von Goldman Sachs (GS 213.56 0.85%), packte Dimon diese Chance. Das Wagnis zahlte sich bald aus. Mitte der Achtzigerjahre übernahm Weill die Kontrolle über das mittelständische Bankhaus Commercial Credit und baute es durch Übernahmen zum Branchenkoloss Citigroup (C 57.07 0.74%) aus. Dimon erhielt dadurch immer mehr Verantwortung. Er stieg zunächst zum Finanzchef auf und leitete später das operative Geschäft der Akquisitionen Primerica, Smith Barney und Salomon Brothers. 1998 kam es jedoch zum grossen Zerwürfnis mit seinem Mentor. Dimon wurde von Weill gefeuert und verkaufte seine Aktienbeteiligung an Citigroup. Sein Wertschriftenportfolio, das er aus diesem Geld finanzierte, wird heute auf 540 Mio. $ geschätzt. Hinzu kommen Immobilien in Manhattan sowie in einem noblen Vorort von New York.

Der Rausschmiss erwies sich nicht nur deshalb als Glücksfall. Anfang 2000 wurde Dimon zum CEO von Bank One ernannt, die vier Jahre später von JP Morgan übernommen wurde. Er leitete zunächst die Integration der beiden Unternehmen, übernahm dann die operative Leitung und sicherte sich Ende 2006 das Doppelmandat als Chairman und CEO. Anders als die meisten in der Branche erkannte er die Gefahren im Häusermarkt rechtzeitig und manövrierte seine Bank mit sicherer Hand durch die Finanzkrise. Mit staatlicher Unterstützung übernahm er die angeschlagenen Konkurrenten Bear Stearns sowie Washington Mutual, wodurch JP Morgan zur Nummer eins in der Branche avancierte. Neben Lloyd Blankfein von Goldman Sachs und Brady Dougan von Credit Suisse (CSGN 25.56 -0.43%) ist er der einzige CEO einer namhaften Grossbank, der die Krise in seinem Amt überlebt hat.

Kontrovers

Wie Dougan, der bald zurücktreten wird, und Blankfein sorgte aber auch Dimon in den letzten Jahren für heftige Kontroversen. So bezeichnete er etwa die strengeren Kapitalvorschriften des Regelwerks Basel III als «anti-amerikanisch» und legte sich mit US-Notenbankchef Ben Bernanke an. Für Schlagzeilen sorgte zudem das Trading-Debakel mit dem «Wal von London», das JP Morgan über 7 Mrd. $ Verlust eintrug. Auch hat der Konzern seit der Krise inzwischen 36 Mrd. $ zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten ausgegeben und musste sich vergangenen Monat der Manipulation von Devisenkursen schuldig bekennen. Dem persönlichen Vermögen des dreifachen Familienvaters haben die horrenden Bussen aber kaum geschadet. Seit er die Leitung von JP Morgan übernommen hat, sind die Aktien gut 70% avanciert, was etwa der Performance des Gesamtmarkts entspricht. Zum aktuellen Kurs ist seine Aktienbeteiligung an der Bank damit rund eine halbe Milliarde Dollar wert.

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