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17:35 Uhr - 26.05.2015

Curti: «Ich will keine Goldbach-Aktien verkaufen»

Beat Curti, grösster Aktionär des Werbevermarkters, erwähnt im Interview mit der FuW, dass er die Erbschaftssteuer ablehnt. Er will sein Vermögen an seine Stiftung vererben – auch die Goldbach-Titel.

Der 1937 geborene Beat Curti hat seit Jahren keine Interviews mehr gegeben. Noch immer ist er aktiver Investor und als Vizepräsident beim Werbevermarkter Goldbach und beim Lizensierungsexperten SoftwareOne sowie als Immobilienentwickler tätig.

Herr Curti, Sie sind verheiratet, haben aber keine Kinder. Was halten Sie von der Erbschaftssteuer?
Diese Initiative lehne ich ab. Die meisten Länder, die eine Erbschaftssteuer kennen, haben keine Vermögenssteuer. Ich bevorzuge die Vermögenssteuer, die von Jahr zu Jahr erhoben wird und nicht wie die Erbschaftssteuer auf einen Schlag und vielleicht im dümmsten Moment. Gerade jetzt leiden manche Unternehmen an der Frankenstärke. Wenn nun ein Unternehmer stirbt, und es der Firma in diesem schwierigen Moment nicht gut geht, müsste der Nachfolger auch noch 20% aus dem Unternehmen für die Erbschaftssteuer bezahlen. Das schadet dem Unternehmen und kostet Arbeitsplätze. Auch finde ich ungeheuerlich, dass diese Steuer rückwirkend eingeführt werden soll. Das ist ärgste Bananendiktatur.

Aber gerade aus liberaler Sicht sollte doch Leistung belohnt werden und nicht der Stammbaum wie in den Zeiten der Aristokratie und des Feudalismus.
Einverstanden, aber eine Kumulation von Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer schiesst weit übers Ziel hinaus. Schweizer Unternehmen wären im Vergleich zum Ausland steuerlich benachteiligt und nicht mehr konkurrenzfähig. Diese Initiative bringt auch Rechtsunsicherheit: Es wird hin und her diskutiert, ab welchem Betrag ein Unternehmen Erbschaftssteuer bezahlen muss. Zudem hebelt sie die bewährte Hoheit der Kantone aus.

Wie haben Sie selbst Ihr Erbe geregelt?
Meine Frau und ich haben die Stiftung Beyond gegründet, die jedes Jahr bereits massgebliche Beiträge investiert.

Wird Ihr Erbe in diese Stiftung fliessen?
Genau. Wir wollen diese Stiftung schon zu Lebzeiten entfalten. Meine Frau leitet die Stiftung, und wir haben einen professionellen Vorstand.

Sie sind mit 20,1% grösster Aktionär von Goldbach und auch deren Vizepräsident. Werden Sie die Aktien der Stiftung übergeben oder sie verkaufen?
Als Gründer habe ich nicht die Absicht, Goldbach-Aktien zu verkaufen. Die Gesellschaft beschäftigt heute rund 500 Mitarbeitende. Mir sind das Unternehmen und seine Kultur sehr wichtig.

Was meinen Sie mit Unternehmenskultur?
Ein Ankeraktionär leistet gute Dienste. Die Göhner-Stiftung ist ein Beispiel dafür. Sie ist Ankeraktionärin von Panalpina (PWTN 128.6 -0.46%).

Im Fall von Sika unterstützen Sie aber den Verwaltungsrat gegen die Besitzerfamilie, die Sika an Saint-Gobain verkaufen will.
Es gehört zu den Grundrechten unseres Staats, dass jeder sein Eigentum verkaufen kann. Dabei sollte ein Hauptaktionär den Verkauf mit Augenmass, Verantwortung und Rücksicht auf alle Beteiligten vorbereiten. Eine Mehrheitsprämie von 80% ist abenteuerlich. Es verstösst auch gegen jede Unternehmenskultur, wenn das oberste Management vom Verkaufsprozess ausgeschlossen wird. Das Resultat sind nun aufreibende Streitereien, die allen schaden.

Im Gegensatz zu den Ankeraktionären von Sika wollen Sie ihre Goldbach-Aktien nicht verkaufen. Das Unternehmen könnte aber trotzdem übernommen werden.
Dies ist doch in einem freien Markt immer möglich.

Valentin Chapero im VR weckt ErwartungenDer Werbevermarkter Goldbach soll dank neuem Verwaltungsratsmitglied in Fahrt kommen.
Lesen Sie hier mehr.
Vor kurzem ist ein neuer Aktionär, das Investmentvehikel Veraison, mit 16% eingestiegen. Gründer sind Gregor Gerber und Valentin Chapero. Was halten Sie davon?
Ein neuer Aktionär hat die 16% von der deutschen Firma United Internet (UTDI 43 0%) gekauft. Es motiviert, wenn neue dynamische Schweizer bei Goldbach investieren, weil sie Vertrauen haben und Chancen sehen.

Es sind aber Aktionäre, die kritisch sind. Die monieren, dass bei Goldbach der Cashflow in Expansionsprojekte vergeudet wurde. Ist die aktuelle forcierte Expansion nach Deutschland nicht gefährlich? Bei der APG zum Beispiel hat die Auslandexpansion fast ins Verderben geführt.
Aufbauende Kritik ist willkommen. Die APG hat nach Griechenland expandiert. Goldbach investiert in ihrem Stammgeschäft ins benachbarte Deutschland, den Motor der europäischen Wirtschaft.

Sie betonen, wie wichtig Ihnen die Unternehmenskultur ist. Bei Goldbach wollen Sie doch vor allem Geld verdienen?
Jedes Unternehmen will Geld verdienen. Darüber hinaus geht es um integres Verhalten, Förderung der Mitarbeitenden und Aufbau von zukunftsgerichteten Arbeitsplätzen.

Sie sind an SoftwareOne, einem Experte für Softwarelizenzierung mit Sitz in Stans beteiligt. Wollen Sie dieses Unternehmen an die Börse bringen?
Vorläufig nicht. Wir sind vier Unternehmer in einer Partnerschaft. SoftwareOne ist in den letzten zehn Jahren immer 30 bis 40% aus eigenen Mitteln gewachsen. Sie beschäftigt 2500 Mitarbeitende in 82 Ländern und managt in diesem Jahr für 5 bis 6 Mrd. Fr. Softwareverträge. Auch in diesem Unternehmen ist die Kultur entscheidend.

Was heisst das konkret?
Ein Unternehmen, das 200 Büros in 82 Ländern hat, braucht verbindende Kultur und Werte. Unsere wichtigsten Werte sind jedem Mitarbeiter bekannt und werden an allen Treffen besprochen. Jeder sollte täglich einem Arbeitskollegen helfen. Jeder Mitarbeiter hat einen individuellen Karriereplan.

Neben Goldbach und SoftwareOne sind Immobilien ihr drittes finanzielles Standbein.
Ja, das ist für mich ein kulturelles Anliegen. Wir bewahren historische Gebäude.

Vor wenigen Wochen sind Sie bei Gamag Management ausgestiegen, die zwanzig Hotels und Restaurants führt. Weshalb?
Es kam der richtige Käufer, und meine Partner wollten verkaufen. Man kann nicht immer alles behalten, man muss auch loslassen.

Haben Sie noch andere finanzielle Aktivitäten?
Nein, meine drei Standbeine genügen. Sie bieten fast 3000 Arbeitsplätze und betreuen 5 bis 6 Mrd. Fr. Umsatz.

Einst wollten Sie die dritte Kraft im Lebensmittelhandel spielen. Daraus wurde nichts.
Heute gibt es mit den zwei internationalen Giganten Aldi und Lidl eine dritte und vierte Kraft in der Schweiz. Zudem wurden alle Arbeitsplätze – ungefähr 8000, die ich geschaffen habe, – erhalten. Starbucks (SBUX 50.98 -0.97%) gäbe es in Europa nicht, wenn ich nicht bei Howard Schulz dafür gekämpft hätte. Prodega, Howeg, Pick Pay blühen weiter, teilweise unter anderen Namen. Das ist Unternehmenskultur als Leidenschaft: Arbeitsplätze schaffen und erhalten.

Was ist Ihr Motto?
Je älter und privilegierter man wird, desto mehr sollte man Zeit, Talente und Geld für die Allgemeinheit einsetzen. Meine Philosophie lautet: Ein Drittel für die Unternehmungen, ein Drittel für Soziales und Gemeinnütziges und ein Drittel für Gesundheit und Freude.

Ihre Stiftung Beyond ist ein Beispiel für Ihr Engagement. Wofür gibt die Stiftung das Geld aus?
Die Stiftung baut Brücken zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen durch Musik. Sie hat drei CDs produziert mit Musik und Gebeten aus Christentum, Buddhismus und Hinduismus. Eine vierte CD mit Islam und Judentum ist in Vorbereitung. Derzeit wird ein internationaler Film für Kinder hergestellt, der Toleranz fördert. Wir fördern auch Brauchtum in Verbindung mit Musik. So hat die Stiftung für eine Schellenschmiede in Alt St. Johann ein Haus mitfinanziert und trägt zu deren Unterhalt bei.

Fördert die Stiftung noch anderes?
Als drittes bewahrt die Stiftung historische Bauten an wichtigen Kreuzungen in der Schweiz. Derzeit werden an der Marktgasse-Münstergasse in Zürich Häuser renoviert, zeitgemässen Zwecken zugeführt und der Spekulation entzogen.

Vielseitiger InvestorBekannt geworden ist der 78-jährige Beat Curti als Unternehmer in der Lebensmittelbranche sowie als Zeitungs- und Zeitschriftenverleger. Aus beiden Branchen hat er sich zurückgezogen.

Curti ist Spross einer Detailhändler-Dynastie. Er studierte Önologie und Betriebswirtschaft in Lausanne und war für McKinsey in Europa, Asien und den USA tätig. Als Unternehmer in der Lebensmittelbranche baute er die Bon-appétit-Gruppe auf mit Pick Pay, Prodega, Howeg und Import-Parfümerie und brachte den ersten Starbucks nach Europa und in die Schweiz. Er besass den Jean Frey Verlag mit Weltwoche, Bilanz, Bolero, Beobachter und weiteren Titeln. Später verkaufte er die Bon-appétit-Gruppe und auch den Jean Frey Verlag. Heute gehören der Werbevermarkter Goldbach, der Experte für Software-Lizensierung SoftwareOne und Immobilien zu seinen drei finanziellen Standbeinen.

In den letzten Jahren engagierte er sich vor allem stark für das Hilfswerk «Tischlein deck dich», das er noch als Bon-appétit-Unternehmer gründete, um noch essbare Lebensmittel an Bedürftige in der Schweiz zu geben. Im vergangenen Jahr verteilten 2200 Freiwillige 14,5 Mio. gefüllte Teller. Vor kurzem gab er sein Amt als Präsident nach sechzehn Jahren ab und wurde Ehrenpräsident auf Lebenszeit.

Curti ist verheiratet und wohnt am Zürichsee und in La Punt in Graubünden. Er sammelt moderne Kunst, vor allem von Künstlerinnen. Seine Leidenschaft gehört der Musik. So besucht er regelmässig klassische Konzerte, geht jede Woche in die Klavierstunde und spielt zusammen mit Freunden. Um sich fit zu halten, rudert er, spielt Golf und frönt dem Langlauf.

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