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09:02 Uhr - 07.04.2016

BIZ: Schwache Banken schaden der Wirtschaft

Zentralbanken sollten auch wegen der Realwirtschaft auf die Kapitalisierung der Banken achten. Und Negativzinsen sind Gift für Bankgewinne – und damit für das Kreditwachstum.

Wenn Banken zu viel Eigenkapital halten müssen, dann können sie weniger Kredite vergeben. Mit diesem Argument versuchen Vertreter der Finanzindustrie, sich gegen höhere Kapitalanforderungen zu wehren. Doch das ist falsch.

«Je mehr Kapital eine Bank hat, desto mehr eigene Mittel kann sie ausleihen», erklärte Hyun Song Shin heute Donnerstag in einer Rede in Frankfurt. Er ist Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.

Shin plädiert an die Zentralbanken, für gut kapitalisierte Banken zu sorgen. Nicht nur wegen der Finanzstabilität. Sondern ebenso, damit die Kreditvergabe – und damit die Geldpolitik – auch in schlechten Zeiten noch funktioniert.

Er warnt vor Schönwetterbanken, die ihre Kredite wegen der schlechten Kapitalisierung bei widrigen Verhältnissen zurückfahren. Und damit der Realwirtschaft zusätzlichen Schaden zufügen.

Gläubiger geben lieber Geld bei viel Eigenkapital

Mehr Eigenkapital erhöht nicht nur die Mittel, die verliehen werden können. «Eine Bank mit vielen eigenen Mitteln kann mehr von ihren Gläubigern ausleihen», sagt Shin. Und dies auch noch zu viel besseren Konditionen.

Eine Studie der BIZ belegt dies nun empirisch. Berücksichtigt dafür wurden 105 grosse Banken aus Industrieländern. Der Zeitraum war 1995 bis 2012.

Die untenstehende Grafik zeigt den Zusammenhang der Verschuldung und der Kosten für Fremdkapital. Die Verschuldung wird als alle Aktiven im Verhältnis zum Eigenkapital abgetragen. Mit einer höheren Verschuldung – also mit weniger Eigenkapital – steigen die Kosten für das Fremdkapital.

zoomQuelle: L. Gambacorta und H.S. Shin (2016): «Why bank capital matters for monetary policy» (BIS Working Paper 558)

Und je geringer die Verschuldung, desto mehr Fremdkapital konnte von den Banken aufgenommen werden. Gläubiger geben ihr Geld also tatsächlich lieber einer Bank, die viel Eigenkapital aufweist. Zwischen der Verschuldung und dem Wachstum des Fremdkapitals gibt es einen negativen Zusammenhang.

zoomQuelle: L. Gambacorta und HS Shin (2016): «Why bank capital matters for monetary policy» (BIS Working Paper 558)

Und wer mehr Fremd- und Eigenkapital hat, der kann natürlich auch mehr Kredite vergeben. Eine höhere Verschuldung geht mit einem geringeren Kreditwachstum einher.

zoomQuelle: L. Gambacorta und H.S. Shin (2016): «Why bank capital matters for monetary policy» (BIS Working Paper 558)

Kreditvergabe nur bei schönem Wetter

Obwohl Eigenkapital teurer als Fremdkapital sei, würde mehr Kapital fast für sich selbst bezahlen, heisst es in der BIZ-Studie. Denn die Kosten für das Fremdkapital sinken ja. Ein Prozentpunkt mehr Eigenkapital senkt die Kosten für geliehenes Geld um 0,04 Prozentpunkte.

Eine Bank kann zwar in guten Zeiten auch bei niedrigem Eigenkapital ihre Kredite ausweiten. Doch das bezeichnet Shin als «Schönwetter-Kreditvergabe». Der BIZ-Ökonom erklärt: «Sobald die Wirtschaftsbedingungen weniger gut für die Verschuldung werden, wird die Bank ihre Kreditvergabe schrumpfen – mit sehr schlechten Konsequenzen für die Realwirtschaft.»

Eigenkapital als Fundament einer Bank

Das Eigenkapital sei das Fundament für die Bankbilanz. Zwar könne man immer höhere Gebäude darauf bauen. Doch je höher das Gebäude – je grösser die Bilanz –, desto grösser die Einsturzgefahr.

Shin verweist auf eine bestimmte – aber ungenannte – europäische Grossbank als Beispiel, wie wenig das Eigenkapital als Fundament angetastet wird. Egal, wie gross das Gebäude sei, das auf dem Fundament gebaut wurde.

Die Kreditvergabe hat sich im Jahresverlauf oft stark verändert. Doch das Eigenkapital blieb so gut wie unverändert.

zoomQuelle: H.S. Shin (2016): «Bank capital and monetary policy transmission»

Lieber Dividenden ausschütten als Kapital aufbauen

Trotz globaler Finanz- und Eurokrise haben europäische Banken ihren Gewinn von 2007 bis 2016 nur zu weniger als 60% zur Stärkung ihres Eigenkapitals verwendet. 261 Mrd. € des Gewinns wurden zurückbehalten (Retained Earnings) – aber immerhin fast 200 Mrd. € wurden an die Aktionäre ausgeschüttet.

Die Dividendenpolitik ging zulasten der Realwirtschaft. «Banken haben erhebliche Dividenden ausgezahlt», beobachtet Shin, «selbst in Regionen, in denen die Kreditvergabe nicht ausreicht, um die konjunkturelle Erholung zu stützen.»

zoomQuelle: L. Gambacorta und H.S. Shin (2016): «Why bank capital matters for monetary policy» (BIS Working Paper 558)

Warum Banken das Eigenkapital scheuen

Viel Kapital ist gut für die Gesellschaft und langfristig auch für die Banken. Trotzdem hat Hyun Song Shin «Verständnis» für Banken, die das Eigenkapital scheuen. «Wir müssen uns die Frage stellen, ob es mögliche Spannungen zwischen den privaten Akteuren der Bankindustrie und dem breiteren öffentlichen Interesse gibt», gibt er die Forschungsrichtung vor.

Er sieht die Gründe, warum lieber Gewinn ausgeschüttet als Kapital aufgebaut wird, bei Aktionären wie auch Managern:

  • Notiert der Kurs der Aktie unter dem Buchwert, könnten Aktionäre das Gefühl haben, mit einer Dividende mehr Wert zu realisieren. Viele Bankaktionäre seien Fondsmanager, die zuerst auf die kurzfristige Performance achten würden.
  • Das Bankmanagement kann leichter seine Ziele für die Eigenkapitalrendite (Return on Equity) erfüllen, indem das Eigenkapital abgebaut wird.

Zentralbanken müssen auf die Banken schauen

Die Finanz- und die Eurokrise haben gezeigt, dass die Finanzindustrie viel zu prozyklisch handelt. In guten Zeiten werden unvernünftige Kredite vergeben. In schlechten Zeiten haben selbst gute Kreditnehmer Probleme, an Geld zu kommen.

Die Zentralbanken können mit lockerer Geldpolitik die Konjunktur stimulieren, wenn die Banken das Geld auch in die Realwirtschaft bringen.

Die Studie der BIZ zeigt, dass höhere Eigenkapitalanforderungen die Realwirtschaft langfristig nicht belasten. Stabile Banken und eine stabile Kreditvergabe sind notwendig für eine nachhaltige Erholung.

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