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17:29 Uhr - 07.08.2015

SNB: «Schweizer Investoren stärken den Franken»

Fritz Zurbrügg, Vizepräsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB), will mit den Negativzinsen den Franken auch für Inländer unattraktiv machen, wie er im Interview mit FuW erläutert.

Zur PersonFritz Zurbrügg ist seit dem 1. Juli die Nummer zwei bei der Schweizerischen Nationalbank. Mit der Ernennung zum Vizepräsidenten des Direktoriums übernahm er von seinem Vorgänger Jean-Pierre Danthine das zweite Departement, das u.a. für die Finanzstabilität zuständig ist. In das Direktorium der SNB wurde Zurbrügg auf Anfang August 2012 berufen. Zuvor leitete der Vater von drei Söhnen während rund zwei Jahren die Eidgenössische Finanzverwaltung, für die er mit Unterbrüchen insgesamt drei Mal tätig war – so auch nach Abschluss seines Studiums der Volkswirtschaftslehre und der Promotion an der Universität Bern. Dazwischen arbeitete er beim Internationalen Währungsfonds in Washington – von 1992 bis 1994 als Ökonom in der Afrika-Abteilung sowie von 1998 bis 2006 als Exekutivdirektor im schweizerischen Büro. (GM)Wer das prächtige Gebäude der Schweizerischen Nationalbank (SNB (SNBN 1127 0.09%)) am Bundesplatz in Bern kennt, reibt sich verwundert die Augen, wenn er an einer mehrspurigen Hauptstrasse im schmucklosen Bahnhofsviertel ein gesichtsloses Amtshaus betritt, wo Fritz Zurbrügg und das von ihm geleitete zweite Departement während des rund dreijährigen Umbaus des Stammhauses residieren. Immerhin – ein wenig Farbe ins Grau der Betonwände bringt ein buntes Graffiti im Büro des Chefs, das von einem seiner drei Söhne angefertigt wurde. Mit Blick auf das Gleisfeld referiert die neue Nummer zwei der SNB über die Aufhebung des Mindestkurses, die Folgen der Negativzinsen, die Gefahren der Tiefzinspolitik für den Immobilienmarkt und die Stabilität des Schweizer Finanzsystems.

Herr Zurbrügg, fühlen Sie sich noch wohl mit der aktuellen Geldpolitik?
Die Lage bleibt für uns sehr herausfordernd. Nach der Aufgabe des Mindestkurses Mitte Januar hat sich der Franken stark aufgewertet. Die Abschwächung des Frankens in den letzten Wochen geht in die richtige Richtung.

Schwächen die Negativzinsen den Franken genug?
Mit den Negativzinsen hat sich die Zinsdifferenz zu Ungunsten des Frankens ausgeweitet; das zeigt Wirkung. Der Franken ist aber immer noch stark überbewertet.

Was entgegnen Sie Pensionskassen und Sparern, die unter den Negativzinsen leiden?
Effektiv sind beide von den tiefen Zinsen betroffen. Diese sind seit Jahren gesunken, der Negativzins ist nur ein weiterer Schritt. Vergessen wir nicht, dass dies ein weltweites Phänomen ist, dem sich die Schweiz nicht entziehen kann. Ziel der tiefen Zinsen ist in vielen Ländern die Ankurbelung der Wirtschaft. In der Schweiz geht es hingegen primär darum, der Stärke des Frankens entgegenzuwirken.

Wo liegt die untere Grenze für den Negativzins?
Das ist unklar, weil die Kosten der Bargeldhaltung nicht eindeutig bestimmbar sind. Obwohl wir mit –0,75% weiter gegangen sind als andere Zentralbanken, stellen wir keine erhöhte Nachfrage nach Bargeld fest.

Gibt es Ideen, wie der Negativzins weiter verschärft werden kann?
Wir sehen im Moment keinen Grund, etwas zu ändern. Der Zins von –0,75% erzielt die gewünschte Wirkung und wir beobachten die weiteren Entwicklungen aufmerksam. Wir überlegen uns natürlich, wie weit wir den Zins ohne Auswirkungen auf die Bargeldnachfrage reduzieren könnten.

Ist der Negativzins bereits geldpolitische Realität, nachdem er ursprünglich als temporäre Massnahme angekündigt wurde?
Temporär heisst, wir behalten eine Massnahme solange wie nötig bei. Früher oder später wird aber eine Normalisierung bei den Zinsen kommen. Der gegenwärtige Konjunkturaufschwung ist, was das Tempo angeht, im historischen Vergleich ausserordentlich: Weil sich die Weltwirtschaft so langsam erholt, braucht es für längere Zeit niedrige Zinsen.

Warum hat man den Negativzins nicht nur für ausländische Spekulationsgelder eingeführt wie in den Siebzigerjahren oder wie letzthin Brasilien?
Brasilien oder auch die Schweiz in den Siebzigerjahren haben auf eine bestimmte Investorengruppe abgezielt, auf die Ausländer. Die starke Aufwertung des Frankens seit der Finanzkrise ist aber nicht nur auf spekulative Gelder aus dem Ausland zurückzuführen, sondern auch auf Schweizer Investoren – institutionelle Anleger und Unternehmen –, die seit der Krise bedeutend weniger im Ausland investieren. Der Kapitalexport, der früher die Überschüsse in der Leistungsbilanz ausgeglichen hat, ist in den letzten Jahren ausgeblieben. Wir müssen daher die Gesamtattraktivität des Frankens reduzieren. Das geht nur, wenn insgesamt die Marktzinsen sinken.

Sie wollen also Schweizer Anleger verstärkt ins Risiko drängen.
Nein, wir machen nur den Franken weniger attraktiv. Aus heutiger Sicht sind Anlagen in Fremdwährungen interessanter, denn der Franken ist stark überteuert. Dazu kommen die unattraktiven Zinsen.

Sie hätten also nichts gegen zusätzliche Auslandinvestments unserer Pensionskassen einzuwenden?
Es ist nicht an der Nationalbank, Empfehlungen an Pensionskassen zu richten. Aus Risikosicht ist Diversifikation jedoch sinnvoll, und die gesetzlichen Bestimmungen lassen Auslandinvestitionen in einem gewissen Rahmen zu.

Als Anleiheninvestor hat sich diese Diversifikation nicht gelohnt.
Das kommt ganz auf die betrachtete Periode an. In den letzten Jahren haben sich ungesicherte Fremdwährungsanlagen wegen der starken Frankenaufwertung effektiv nicht gelohnt. Über die lange Frist, 1980 bis heute, war die Aufwertung des Frankens nicht so stark. In diesem Zeitraum haben Fremdwährungsanlagen mehr abgeworfen.

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