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07:10 Uhr - 10.11.2015

Ferrari ist Luxus – aber nicht nur

Die hohe Bewertung des Börsenneulings mit dem Kürzel RACE verkennt, dass Ferrari trotz allem auch ein Automobilhersteller ist.

Noch ist das letzte Wort zum Bewertungsniveau von Ferrari (RACE 53.2 1.47%) nicht gesprochen. Der Kursverlauf seit dem Börsendebüt am 21. Oktober in New York ist volatil. Phasenweise notierten die Aktien unter dem Ausgabepreis von 52 $ – ein erfolgreicher Börsenstart sieht anders aus. Anleger scheinen noch nach Orientierung zu suchen: Ist die italienische Sportwagenlegende eher dem Automobil- oder dem Luxusgütersektor zuzuordnen? Unter Bewertungsgesichtspunkten liegen dazwischen Welten.

Ferrari im BewertungsvergleichzoomSergio Marchionne, Ferrari-Präsident und CEO des Noch-Mutterkonzerns Fiat Chrysler (FCA 13.16 -1.64%) Automobiles (FCA), bewirbt Ferrari penetrant als Luxusgüterhersteller. Dasselbe gilt für die Banken unter der Führung der UBS (UBSG 19.69 -0.91%), die das öffentliche Zeichnungsangebot (IPO) für 10% der Ferrari-Titel koordiniert hatten. Entsprechend selbstbewusst wurden Preisspanne (48 bis 52 $) und Ausgabepreis angesetzt. Selbst unter Luxusgüteraktien ist die Bewertung stattlich. Das weckt Skepsis.

Streubesitz wird steigen

Ferrari sei eine magische Marke mit grosser Ausstrahlung, meint auch Scilla Huang Sun, bei GAM (GAM 18.5 -1.33%) verantwortlich für den JB Luxury Brands Fund. «Von der Marke her geht ein Vergleich mit Luxus in Ordnung. Doch als Unternehmen ist Ferrari etwas anderes.» Das Automobilgeschäft ist sehr zyklisch. Die Produktion ist kapitalintensiv, Forschung und Entwicklung (F&E) verlangen immer höhere Aufwendungen. Damit sind erhebliche Kosten, Investitionen und Abschreibungen verbunden.

Als Konsequenz bringt ein Autobauer unter anderem weniger freien Cashflow und weniger Gewinn hervor. Der freie Cashflow von Hermès erreichte letztes Jahr 18% des Umsatzes. Auch Burberry, LVMH und Richemont (CFR 80.15 -1.9%) waren zweistellig. Ferrari kam auf 5% (2015 wird es dank Sondereinflüssen deutlich mehr, vgl. Tabelle 2). In der Ertragskraft kann der Sportwagenbauer mit 10% Gewinnmarge zwar gegen LVMH (11%) bestehen, nicht aber gegen Hermès (21%) oder gegen Swatch Group (UHRN 70.7 -1.67%) (UHR 375.6 -1.44%) und Richemont (16 und 14%).

Andererseits findet sich im Autosektor wenig, das gegen Ferrari standhält. Zu gut sind die Preise, die für Wagen mit dem sich aufbäumenden Pferd im Logo bezahlt werden. In der am Betriebsgewinn (Ebit) gemessenen Marge vermag einzig Porsche mitzuhalten, Cashflow- und Gewinnzahlen gibt es zur Volkswagen-Tochter jedoch keine. Von den kotierten Automobilherstellern kommt die hoch positionierte BMW (BMW 94.96 -1.11%) Group am nächsten. Sie erzielte 2014 im Segment Automobile einen freien Cashflow von 4,6% des Umsatzes und eine Konzerngewinnmarge von 7%.

zoomIn der weiten Spanne vom normalen Personenwagenhersteller bis zum Luxusgüteranbieter der Spitzenklasse gebührt Ferrari demnach ein Platz im unteren Teil des Luxussegments. Dass die Bewertung heute höher ist, dürfte auch am geringen Streubesitz liegen: Die Strahlkraft der Marke und im Autosektor führende Margen generieren Nachfrage, die an der Börse auf ein beschränktes Angebot trifft. Doch das soll sich schon im Januar ändern. Dann wird der Streubesitz auf 90% steigen, da FCA die im Konzernbesitz verbliebenen Ferrari-Titel an die eigenen Aktionäre verteilen wird.

Weil kaum alle FCA-Aktionäre die erhaltenen Ferrari-Titel behalten wollen, könnte daraus ein Angebotsüberhang entstehen, gibt Fondsmanagerin Huang Sun zu bedenken. «Vor der Erhöhung des Streubesitzes kommt für mich ein Engagement in Ferrari deshalb nicht in Frage.»

Kleine haben es schwer

Im Vergleich mit der BMW Group offenbart Ferrari nicht nur Überlegenheit. Auch  Nachteile eines kleinen eigenständigen Unternehmens treten zutage. Sichtbar wird das etwa in den Aufwendungen für F&E. Eine BMW Group kann hier enorme Grössenvorteile nutzen. Die Kosten beliefen sich 2014 auf knapp 5% des Umsatzes. Bei Ferrari waren es 15%, und eigenständig wird das eher mehr als weniger.

CO2 als KnacknussFür 2020/21 schreibt die EU strenge CO2-Grenzwerte vor: Die Neuwagen der Flotte eines Herstellers dürfen im Durchschnitt nur noch 95 g/km ausstossen (bis Ende 2015 sind 135 g/km zu erreichen). Für Flotten mit einem durchschnittlichen Fahrzeuggewicht über dem fixierten Basiswert ist etwas mehr erlaubt, für leichtere etwas weniger. Überschreitungen werden mit 95 € pro Gramm und Auto gebüsst. Für kleinere Stückzahlen gelten andere Regeln. Hersteller mit 1000 bis 10 000 Verkäufen pro Jahr, die sich keinem Pool anschliessen können oder wollen, dürfen ein eigenes Senkungsziel vorschlagen, das von der EU-Kommission bewilligt werden muss. Hersteller mit 10 000 bis 300 000 Einheiten – eine Spanne, die für Ferrari bald relevant wird – können um ein Fixziel ersuchen. Dieses sieht für die Periode 2012 bis 2019 eine Senkung von 25% zum durchschnittlichen Ausstoss von 2007 vor sowie bis 2020 eine Reduktion von 45% gegenüber derselben Basis. Heutige Ferrari stossen 250 bis 360 g CO2 pro Kilometer aus. (CB)Die Anforderungen an die Technologie verlangen stets höhere Ausgaben. Vor allem mit Blick auf die CO2-Normen wird es Ferrari allein schwer haben. Hier drohen hohe Kosten, vor allem wenn der Absatz 10 000 Einheiten übersteigt (vgl. Box).

Für Hersteller mit geringen Stückzahlen wird es immer härter, die Kosten zu tragen. Viele von ihnen haben sich deshalb unter das Dach grosser Konzerne begeben; nur James Bond fährt noch ein Luxusgefährt eines unabhängigen Anbieters, doch Aston Martin tut sich schwer. FCA geht mit Ferrari den umgekehrten Weg – nicht weil es für Ferrari besser ist, sondern zum eigenen Vorteil. Sie hat aus dem Börsengang rund 1 Mrd. $ eingenommen und kann den hohen Marktwert von Ferrari als Argument für eine eigene Unterbewertung nutzen.

Heikle Gratwanderung

Ferrari präsentiert sich heute als herausragendes Unternehmen mit guten Aussichten. Im Absatz will der Sportwagenhersteller freilich nicht unbeschränkt wachsen, «um den Ruf von Exklusivität und niedriger Verfügbarkeit zu wahren», wie es im Emissionsprospekt heisst. Für eine kotierte Gesellschaft ergibt sich daraus eine knifflige Gratwanderung. Ob sie mit Sergio Marchionne, seit September 2014 als Präsident im Fahrersitz, gelingt, ist insofern fraglich, als er in seiner Eigenschaft als CEO von Fiat und FCA bislang mehr durch gewiefte Finanztransaktionen als durch Zielerreichung und gute Markenpflege aufgefallen ist.

UnternehmenszahlenzoomFerrari verdient sein Geld aber nicht nur mit dem Verkauf von Supersportwagen. Das Unternehmen liefert unter anderem auch Motoren für die FCA-Tochter Maserati. Das ist Chance und Risiko zugleich. Und dann sind da noch die Formel-1-Aktivitäten.

Gemäss der neuesten Ausgabe von Business Book GP arbeitete Ferrari 2014 mit einem Budget von 418 Mio. €, was die unternehmenseigenen Angaben bestätigen. Davon sollen 208,5 Mio. von Sponsoren, 34,5 Mio. von Partnern und 175 Mio. € von der undurchsichtigen Formula One Group (FOG; Beteiligung der Teams an TV-Rechten, Preisgeld etc.) stammen. Ob Ferrari daraus Profit schlägt, ist nicht bekannt. Doch die Einnahmen drohen zu schwinden: Die Formel 1 steuert auf eine Krise zu, weil die reichen Teams wegen einer bevorzugten Behandlung durch die FOG immer reicher und die armen immer ärmer werden. Für Ferrari ist das ein Risiko, und zwar ein grösseres als für das Weltmeister-Team des Daimler-Konzerns.

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