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14:40 Uhr - 03.07.2015

Chinas gefährliche Finanzmarktpolitik

Die Börsen in Festlandchina sind im freien Fall. Staatliche Notmassnahmen verpuffen ohne Effekt. Der Börsenwert hat in drei Wochen über 2700 Mrd. $ eingebüsst.

Der chinesische Aktienmarkt fällt und fällt. Der Leitindex, der Shanghai Composite, ist seit seinem Jahreshoch am 12. Juni fast ein Drittel gesunken. Zuvor gab es eine heftige Rally. Die Regierung hat dazu viel beigetragen. Anfänglich von der Aussenwelt unbemerkt, hat Peking den zwei Börsen Schanghai und Shenzhen ab Mitte 2013 eine weit wichtigere Rolle im Wirtschaftsleben eingeräumt, als das bis dahin der Fall war. Privaten Unternehmen, die einen viel schlechteren Zugang zu Bankkrediten als grosse Staatskonzerne haben, sollte so eine alternative Finanzierungsquelle erschlossen werden.

Extreme UnsicherheitDie chinesische Börse ist nicht nur im freien Fall – sie schwankt auch so stark wie seit über zwanzig Jahren nicht. Grund sind dabei auch die Kreditfinanzierung der Aktienkäufe.
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Chinas Regierung hob Ende 2013 den seit achtzehn Monaten andauernden Stopp von Börsengängen auf. Gleichzeitig sollten Chinesen vermehrt zum Aktiensparen angehalten werden. An Anreizen dazu fehlt es nicht, zahlen die Banken auf Spareinlagen unter Abzug der Inflation doch Negativzinsen. Geht es nach dem Willen der staatlichen Konjunkturlenker, sollen die steigenden Aktienpreise die Privatvermögen mehren. Dieser Vermögenseffekt sollte den fallenden Privatkonsum anfeuern und gleichzeitig den zur Schwäche neigenden Immobilienmarkt stützen.

Kursfeuerwerk entfacht

Doch die Kurse an den Festlandbörsen bewegten sich nach dem Crash in der globalen Finanzkrise sechs Jahre lang seitwärts. Daher fehlte noch ein Element zur Umsetzung des Plans: ein Kursfeuerwerk. Das liess nicht lange auf sich warten. Denn die Marktaufsichtsbehörde, die Notenbank und vor allem anfeuernde Berichte der staatlich gelenkten Medien gaben den Anleger ermutigende Signale, nun einzusteigen. Der Shanghai Composite legte in den zwölf Monaten vor dem 12. Juni dieses Jahres 150% zu – obwohl die Unternehmensgewinne in dieser Zeit sanken.

zoomDoch nun ist Sand in das Getriebe gekommen, was zeigt, dass die Kommunistische Partei bei der Steuerung des Finanzmarktes angesichts der sich abkühlenden Konjunktur an die Grenze ihrer Möglichkeiten geraten ist. Der chinesische Aktienmarkt hat in den vergangenen drei Wochen über 2700 Mrd. $ an Marktkapitalisierung verloren – das ist über zehnmal so viel wie die Wirtschaftsleistung Griechenlands.

Die Regierung hat zwar versucht, den rasanten Abwärtstrend mit stützenden Massnahmen zu stoppen. So hat die People’s Bank of China vergangene Woche bereits das vierte Mal in diesem Jahr den Leitzins gesenkt. Die staatliche Pensionskasse teilte am Montag mit, dass sie zukünftig 30% ihres Vermögens in Aktien investieren will. Staatliche Konzerne haben begonnen, in grossem Masse eigene Aktien zurückzukaufen. Nachdem all das nichts genützt hatte, liess die Marktaufsichtsbehörde am Freitag verlauten, sie habe gegen institutionelle Investoren ein Verfahren wegen angeblicher illegaler Leerverkäufe eingeleitet.

Risiko für die Realwirtschaft

Die volatile Börse ist ein wachsendes Risiko für die Realwirtschaft. China könnte nun dem «Greenspan Put» von vor der Finanzkrise nacheifern. Die US-Notenbank hatte unter ihrem damaligen Chef Alan Greenspan jahrelang auf erhöhte Volatilität an den Finanzmärkten mit dem Öffnen des Geldhahns reagiert.

Anfang Woche hat die Weltbank – in einer mittlerweile aus dem Verkehr gezogenen Analyse – auf die Gefahren im chinesischen Finanzsystem hingewiesen. Beunruhigend sei der hohe Schuldengrad, der mittlerweile 250% des Bruttoinlandprodukts deutlich überstiegen hat. Das ist weitgehend eine Folge einer ineffizienten Kapitalallokation, die China zwar einen jahrelangen Wirtschaftsboom beschert hat. Der wahre Preis kommt nun aber in Form von faulen Krediten zum Vorschein.

Bemerkenswert dabei ist, dass der jüngste Boom an den Festlandbörsen massgeblich von fremdfinanzierten Aktienkäufen angetrieben worden ist. Im April beliefen sich die ausstehenden Kredite für den Erwerb von Valoren auf 2,2 Bio. Yuan (300 Mrd. Fr.). Dabei sind das lediglich die offiziellen Zahlen, die Daten der florierenden Schattenbanken meist nicht erfassen.

Noch ist es kaum abzusehen, ob von den Panikverkäufen an der Börse ein Risiko für das ganze Finanzsystem Chinas ausgeht. Es ist aber klar, dass der Versuch der chinesischen Regierung, die Realwirtschaft in Zeiten eines sich verlangsamenden Wachstums durch die Einflussnahme auf die Börsenkurse zu lenken, brandgefährlich ist. Das nicht nur, weil die Finanzmärkte eigenen Gesetzen folgen, sondern vor allem auch, weil am Schluss Millionen von ruinierten Investoren dem Staat die Schuld für ihre Unbill zuschrieb.

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