Der ehemalige Bürgerrechtsanwalt Tim Kaine zieht als Vizepräsident mit Hillary Clinton in den Wahlkampf. Seine politische Linie ist jedoch nicht immer ganz klar.
In der Nacht auf Mittwoch wurde Hillary Clinton zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin gewählt. An ihrer Seite zieht der achtundfünfzigjährige Jurist Tim Kaine in den Kampf gegen das republikanische Gespann Trump/Pence. Clinton ernannte den Senator aus Virginia am Freitag via Twitter (TWTR 18.45 -1.07%) zu ihrem Vize.
Hinter der Nominierung steckt Kalkül: Der in der politischen Mitte positionierte Kaine soll Clintons Wählerschaft erweitern. So erwarb der gläubige Katholik 1980/81 bei seiner Arbeit in einer jesuitischen Missionarsschule auf Honduras fundierte Spanischkenntnisse. Kaine hält seine Reden des Öfteren zweisprachig, insbesondere, wenn er seine liberale Position zur Immigration kundgibt. Das könnte auch Clintons Popularität in der spanischsprachigen Bevölkerung der USA weiter steigern.
Ein weiterer Vorzug des potenziellen Vizepräsidenten ist seine politische Karriere in Virginia. Die Heimat des Clinton-Vize zählt zu den sogenannten «Swing States», deren Wählerschaft keine klare politische Tendenz aufweist. Kaine, der von 1998 bis 2001 als Präsident von Richmond, der Hauptstadt Virginias, amtierte und 2006 zum Gouverneur des Bundesstaats ernannt wurde, könnte die Unentschlossenen auf die Seite der Demokraten ziehen. Aufgrund seiner Ämter im Südstaat gilt er zudem als äusserst erfahren und kompetent.
Die politische Agenda des Senators folgt indes keiner klaren Linie. Zwar setzt er sich in demokratischer Tradition für restriktivere Waffengesetze sowie für die Förderung erneuerbarer Energien ein. Auch tritt er als scharfer Kritiker der militärischen Interventionen im Irak und in Afghanistan auf. In gewissen Themenbereichen zeigt er sich jedoch deutlich konservativer als die Mutterpartei.
Insbesondere der linke Parteiflügel ist über die Abweichungen Kaines von der klassisch demokratischen Linie gar nicht erfreut. Seine paradoxe Haltung gegenüber Abtreibungen stösst bei vielen auf Misstrauen. So unterstützt der streng katholisch erzogene Senator zwar öffentlich die Pro-Choice-Bewegung, betont aber zugleich seine persönliche Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs. In seiner Amtszeit als Gouverneur sprach er sich zudem für Restriktionen des Abtreibungsrechts aus.
Linke kritisieren zudem, dass Kaine bis zu seiner Nominierung zum Vizepräsidenten die Transpazifische Partnerschaft (TPP) unterstützte. Das Handelsabkommen wird von Hillary Clinton sowie von einem Grossteil der demokratischen Partei abgelehnt. In seiner Zeit als Gouverneur soll der Vize in spe des Weiteren exklusive Geschenke von Unternehmen angenommen haben, was an seiner Glaubwürdigkeit zehrt und ihm von Republikanern bereits vorgeworfen wird.
Aller Kritik zum Trotz hat Tim Kaine in seiner politischen Karriere noch keine Wahl verloren. Ob er seine Erfolgsgeschichte an der Seite Clintons fortsetzen kann, wird sich im Wahlkampf zeigen.
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