Der weltweite Trend von Aktionärsaktivismus ist auch in der Schweiz immer besser spürbar. Wie sollen Unternehmen darauf reagieren?
Was haben ABB, Aryzta, Meyer Burger, Nestlé, Orell Füssli, Panalpina, Schweizerische Nationalbank, Sika und Weatherford International gemeinsam? Sie alle sind kotierte Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz. Und sie alle standen 2018 gemäss einer Aufstellung der Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte im Fokus aktivistischer Investoren. Diese lancierten im abgelaufenen Jahr insgesamt 25 verschiedene Aktionen oder Kampagnen – so viele wie nie in den vergangenen sechs Jahren.
2019 ist erst ein paar Tage alt und schon wird wieder ein Fall von Aktionärsaktivismus publik. Die Investmentgesellschaft Veraison stockt ihren Anteil am High-Tech-Unternehmen Comet auf 10% auf und schlägt einen eigenen Kandidaten für das Verwaltungsratspräsidium vor.
Aktionärsaktivismus werde von einem hauptsächlich in den USA verbreiteten Trend immer mehr zu einer globalen Erscheinung, beobachtet Michael van der Boom, M&A-Partner bei Deloitte, zuständig für Integration & Separation Services. «Dabei nehmen aktivistische Aktivitäten auch in der Schweiz zu.»
Fruchtbarer Boden
Gründe für den zunehmenden Aktionärsaktivismus sieht van der Boom in einem günstigen regulatorischen Umfeld und in reichlich verfügbaren Geldmitteln. In der Schweiz etwa hätten die Aktionäre mit der Annahme der «Abzocker-Initiative» im März 2013 bedeutende zusätzliche Rechte erhalten. Sie können jetzt bindend über die Vergütungen von Verwaltungsrat und Unternehmensleitung abstimmen. Zudem muss sich ihnen jedes Verwaltungsratsmitglied jedes Jahr zur Wiederwahl stellen. Unbefriedigend arbeitende Verwaltungsratsgremien können so personell verändert werden. «Diese Aktionärsrechte machen die Schweiz zu einem fruchtbaren Boden für aktivistische Investoren», folgert van der Boom.
Eine Folge des Aufkommens von Aktionärsaktivismus ist, dass Verwaltungsratsgremien und ihre Arbeit vermehrt ins Rampenlicht gerückt werden. 37% der Verwaltungsratsmitglieder von grossen Schweizer Unternehmen haben vergangenes Jahr in einer Umfrage von Deloitte denn auch einen gegenüber dem Vorjahr zunehmenden Einfluss von Aktionären zu Protokoll gegeben.
VR-Sitz angestrebt
Aktivistische Investoren lassen es dabei oft nicht bei der Einflussnahme von aussen bewenden. In 28% der beobachteten Aktionen oder Kampagnen in der Schweiz zwischen 2013 und 2018 versuchten sie, selbst im Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen, um so das Geschehen im Aufsichts- und Strategiegremium von innen beeinflussen zu können.
In weiteren 10% der Fälle versuchten sie, Personalwechsel im Verwaltungsrat oder an der Spitze der Unternehmensleitung herbeizuführen. In der Öffentlichkeit für viel Aufregung sorgende Vergütungsfragen standen dagegen nur in 4% der Fälle im Fokus der Aktionärsaktivisten.
«Aktivistische Investoren sind heute besser auf ihre Objekte vorbereitet als je zuvor», weiss van der Boom. Sie würden umfassende Unternehmensanalysen machen, um ihre Forderungen abzustützen. Und sie würden ihre Strategie verbessern, indem sie passive Aktionäre auf ihre Seite zu ziehen versuchten, lange bevor es an der Generalversammlung zur entscheidenden Abstimmung komme.
Wie sollen Unternehmen auf den zunehmenden Aktionärsaktivismus reagieren? «Verwaltungsrat und CEO sollten selbst wie Aktivisten zu denken und zu handeln beginnen, um kostspielige Auseinandersetzungen zu vermeiden», rät van der Boom. Dazu gehöre insbesondere eine rigorose Selbstanalyse, um herauszufinden, wie Fokus und Leistung des Unternehmens sowie Aktionärswert verbessert werden könnten.
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