Zurück zur Übersicht
14:22 Uhr - 09.01.2015

Autoneum ist auf der Pirsch

Der Automobilzulieferer verstärkt die Suche nach Übernahmeobjekten, zielt dabei aber nicht auf direkte Konkurrenten.

Ein weiteres ermutigendes Signal von Autoneum (AUTN 185 6.08%): Nach einem gelungenen Turnaround erachtet sich der Automobilzulieferer als wieder stark genug, um über Akquisitionen nachzudenken. Noch gebe es zwar keine konkreten Pläne, bestätigt CEO Martin Hirzel gegenüber «Finanz und Wirtschaft», doch die Suche sei intensiviert worden.

Dabei ist der Radar weniger auf direkte Konkurrenten im Kerngeschäft des Lärm- und Hitzemanagements sensibilisiert – weil Autoneum da bereits an der Spitze steht und weil aus Fehlern der Vorgängerorganisation Rieter (RIEN 162.6 -0.25%) Automotive Systems gelernt worden ist. Dort hatten Zukäufe zusammen mit ungezügelter Kreativität und dem Eingehen auf Sonderwünsche dazu geführt, dass letztlich mit zu vielen Technologien und Produkten auf dasselbe Ziel hingearbeitet wurde. Zu hohe Kosten waren die Folge dieser Komplexität.

Suche in zwei Gebieten

Der Radar spricht Hirzel zufolge vielmehr auf Technologien und auf Verkaufssynergien durch besseren Kundenzugang an. Mit dem Erwerb eines Technologieunternehmens, etwa im Bereich technischer Textilien, liesse sich die führende Position bei innovativen Materialien im Lärm- und Hitzeschutz weiter festigen. Das passte zur Absicht, das Augenmerk noch mehr auf bahnbrechende Neuerungen zu richten. Bis 4% des Umsatzes gibt Autoneum jährlich für Forschung und Entwicklung aus, vier Fünftel davon für Verbesserungen, Erweiterungen, Variationen und Effizienzfortschritte, ein Fünftel für wegweisende Innovation. Für 2014 wird ein Umsatz von 1,93 Mrd. Fr. erwartet.

Innovationsstreben ist mit Blick auf die wichtigen Trends im Fahrzeugbau zentral. Zu ihnen zählt ausser Leichtbau (weniger Verbrauch und CO2-Ausstoss) auch die Lärmreduktion. Um die Normen für die CO2-Emission und den Vorbeifahrlärm zu erfüllen, braucht es innovative und leichtgewichtige Produkte. Zulieferer, die mit solchen punkten, haben bessere Wachstumsaussichten und steigern über höhere erzielbare Preise ihre Rentabilität.

Auch das Streben nach Verkaufssynergien leitet sich von den CO2- und Lärmvorschriften ab. Konkret entspringt es der Erwartung, dass die Nachfrage nach Motorkapselungen kräftig steigen wird. Eine Triebwerkummantelung mindert nicht nur den Lärm, damit kühlt sich ein abgestellter Motor auch langsamer ab. So entstehen im Alltag weniger Kaltstartsituationen, die Maschine arbeitet energieeffizienter und stösst weniger CO2 aus.

Bei direkt auf dem Motor aufliegenden Dämmteilen nimmt der Winterthurer Zulieferer eine Pionierrolle ein; einzelne so ausgestattete Automobile sind bereits in Serie, so der Plug-in-Hybrid-Sportwagen BMW (BMW 89.33 -0.07%) i8. Eigenen Angaben zufolge arbeitet Autoneum an über zehn Vorentwicklungsprojekten für künftige Fahrzeuge.

Doch weshalb ist die Gesellschaft dabei auf Verkaufssynergien und einen besseren Kundenzugang aus? Weil sich der Zugang zum Motorenbereich von Autobauern von dem für andere Akustik- und Hitzeschutzsysteme unterscheidet. Dazu kommt, dass der Motorenbau ein «stolzer» Bereich ist, weshalb Anregungen von aussen nicht so leicht Gehör finden. Entsprechend piept der Suchradar von Autoneum auch bei Unternehmen, die einen guten Zugang zum Engineering oder zum Einkauf im Motorenbereich haben.

Bilanz lässt kleinere Käufe zu

Kompliziert wird die Suche dadurch, dass Martin Hirzel keine Geschäftsdiversifizierung im Sinne eines weiteren Standbeins will. Es geht also höchstens um eine thematische Erweiterung bestehender Aktivitäten. Ein Beispiel sind steuerbare Luftklappensysteme. Auch sie tragen zu günstigeren thermischen Bedingungen im Motorraum bei, verbessern zudem die Aerodynamik und wirken so ebenfalls verbrauchs- und CO2-mindernd. Solche Aktivitäten sind jedoch oft Teil grösserer Gruppen.

Die Suchgebiete und die Absage an ein drittes Standbein deuten auf eher kleinere Übernahmeobjekte hin. Das ist wichtig in der Frage, ob die Bilanz eine Akquisition überhaupt zulässt. Der CEO meint, ja, und das Verhältnis aus Nettoverschuldung zu Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation) scheint ihm recht zu geben.

zoomDieses bewegt sich selbst mit dem saisonbedingt erhöhten Wert von 0,6 zur Jahresmitte auf einem komfortablen Niveau weit unter der 2011 gesetzten Zielmarke von 1,5. Dank der Erwartung eines steigenden freien Cashflows prognostiziert Klaus Breitenbach vom Broker Baader-Helvea einen weiteren Rückgang der Nettoverschuldung von 75 Mio. Fr. per Ende 2013 auf noch rund 50 Mio. im Jahr 2016. Die UBS (UBSG 16.86 -0.94%) erwartet bis dann gar eine Nettoliquidität von 23 Mio. Fr.

Die Eigenkapitalquote bietet weniger Spielraum. Ende Juni betrug sie 33%; das Unternehmen selbst spricht von 36%, weil es nachrangige Darlehen der Hauptaktionäre Michael Pieper und Peter Spuhler (je 12,5 Mio. Fr.) dem Eigenkapital zuschlägt. Die Kredite sind im August mit Mitteln aus einem neuen Konsortialkredit zurückgezahlt worden. So oder so sähe Finanzchef Martin Zwyssig lieber ein dickeres Polster: «Als CFO fühle ich mich wohl, wenn die Quote über 40% liegt», sagte er am Medien- und Analystentag im Oktober. Um für Automobilhersteller als sicherer Partner zu gelten, Innovation zu fördern und den Wachstumskurs zu halten, bedarf es einer soliden Kapitalbasis.

Ein kleines Unternehmen aus dem Gebiet innovativer Materialien könnte unter Umständen mit Mitteln aus einem Liquiditätsbestand von geschätzten 120 Mio. Fr. per Ende 2014 erworben werden. Das bliebe ohne Einfluss auf die Eigenkapitalquote. Für Grösseres stellt sich dann aber bald einmal die Frage nach einer Kapitalerhöhung. Unabhängig davon darf angesichts intakter Gewinnaussichten erwartet werden, dass die Eigenmittel weiter zunehmen; Bank-Vontobel-Analyst Fabian Häcki zum Beispiel rechnet schon für 2015 mit einer Quote von rund 39%.

Das Wesentliche im Auge

Unabhängig davon nimmt sich die skizzierte Strategie für externes Wachstum gut aus. Sie zielt auf die wesentlichen Punkte. Indem versucht wird, die Bedürfnisse der Kunden über mehr Kanäle noch besser zu bedienen, ebnet sie dem grössten Schweizer Autozulieferer den Weg, sich am Markt klarer abzuheben, seine Wettbewerbsposition zu stärken und die Qualität des Wachstums zu erhöhen. All das ohne Gefahr, sich zu verzetteln. Jede Akquisition birgt aber auch Risiken.

Schon heute preist Baader-Helvea Autoneum in einer Studie als «ein defensives Investment im Automobilsektor» an. Das mag übertrieben sein. Dass der Innovationsgedanke und Übernahmen in besagten Gebieten helfen, die Konjunkturanfälligkeit zu verringern, ist es aber nicht.

Aussichtsreich und nicht zu teuerAutoneum ist fit und gut positioniert. Die Bewertung erlaubt dem Aktienkurs einen (moderaten) Aufwärtstrend. Lesen Sie hier weiter.

 

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.