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14:07 Uhr - 30.09.2015

Grosses Interesse an Bell-Aktien

Die Aktien des Fleischverarbeiters sind im September stark gestiegen. Noch schreibt Bell im Ausland rot. Der neue CFO Marco Tschanz erklärt im Gespräch die Auslandaktivitäten zum grossen Thema.

Im September haben die Bell-Titel mit 12% überdurchschnittlich  zugelegt. Der vergleichbare Swiss Performance Index ist im gleichen Zeitraum 5% gesunken. Einen spezifischen Grund dafür gibt es nicht. «Wir stellen ein gestiegenes Interesse seitens Investoren und Analysten fest», sagt Finanzchef Marco Tschanz im Gespräch mit der «Finanz und Wirtschaft» an der Investora. «Wir hatten in den letzten Monaten ungewöhnlich viele Informations- und Besuchsanfragen von Investoren und Analysten aus dem angelsächsischen Raum, vor allem aus den USA, auch wenn der Free Float begrenzt ist.» Eine Rolle könnte die Börsenkapitalisierung von Bell (BELN 2719 -0.04%) sein, die nun über 1 Mrd. Fr. liegt und damit eine Grösse erreicht hat, die für ausländische Investoren interessant ist. Ein weiterer Grund ist die Umschichtung von Fonds in Dividendenpapiere oder in den Nahrungsmittelsektor. «Wir sehen aber kein strategisches Investment eines Aktionärs», erklärt der CFO.

Bell prüft Optionen für weitere Akquisitionen im Ausland

Tschanz ist seit Februar Finanzchef von Bell. Zuvor war er CFO der Swisscom (SCMN 485.6 1.38%) Schweiz. Obwohl Hansueli Loosli Verwaltungsratspräsident bei Bell und bei Swisscom ist, sei es ein normales Auswahlverfahren gewesen, betont Tschanz. Der neue CFO hat das Ausland zum grossen Thema gesetzt. Denn dort schreibt Bell immer noch rot. Detaillierte Ergebniszahlen zum Ausland gibt Bell nicht preis. 2008 expandierte die Gruppe ins Ausland. Derzeit beträgt der Umsatzanteil im Ausland 28%. In Osteuropa mit Polen und Ungarn erzielt Bell Gewinn. Im grössten Auslandmarkt Deutschland mit 17% Umsatzanteil macht die Gruppe aber immer noch Verlust. «In Deutschland herrscht ein hartes Umfeld», erklärt Tschanz. «Es ist schwierig, im rückläufigen Charcuteriemarkt die Trendwende zu schaffen.» Doch Tschanz ist optimistisch, bis Ende 2016 auch im Ausland Gewinn zu erzielen, sofern sich die Rahmenbedingungen nicht nachteilig verändern. «Bell prüft Optionen für Zukäufe in Deutschland, vor allem im Conveniencebereich.» Dort sieht Tschanz grosses Wachstumspotenzial. Seit Mai konsolidiert Bell auch den Conveniencehersteller Hilcona, die margenträchtiger ist als der Fleischverarbeiter. Hilcona erzielte vergangenes Jahr einen Umsatz von 500 Mio. Fr.

In Deutschland droht Bell immer noch eine Kartellbusse von 100 Mio. € wegen Preisabsprachen, die sich vor der Übernahme der betroffenen Unternehmen durch Bell ereignet haben. Doch Bell ist zuversichtlich, den Fall zu gewinnen, und hat daher auch keine Rückstellungen gebildet.

Trotz Verlusten im Ausland ist Bell sehr gut unterwegs. Die rund 3 Mrd. Fr. Umsatz grosse Gruppe konnte den Gewinn im ersten Semester währungsbereinigt um 5% auf 32 Mio. Fr. und die Ebit-Marge um 50 Basispunkte steigern. Im zweiten Semester war der Fleischverarbeiter weiterhin flott in Fahrt auch wegen der guten Grillsaison.

Langfristig gute Anlage

Überzeugt von den Bell-Titeln ist Marc Possa, Leiter des SaraSelect Fonds, der in kleine und mittelgrosse Schweizer Unternehmen investiert, auch in Bell. «Über die letzten 20 Jahre hat Bell einen Total (FP 40.14 2.44%) Return (Preis und Dividende) von jährlich 14,45% gebracht. Verglichen mit dem SPI (SXGE 8675.91 2.11%) Index von 7,89% ist das sehr gut.» Possa lobt die weitsichtige Strategie des VR-Präsidenten Hansueli Loosli. So hat Bell im Ausland akquiriert und den Conveniencehersteller Hilcona übernommen. Damit wird Bell unabhängiger vom Fleischmarkt, von Coop und vom Schweizer Markt. Dass die Gruppe nach wie vor keinen Gewinn im Ausland erzielt, irritiert ihn nicht. «Das braucht eben Zeit. Die Diversifikation ist wichtig.» Auch wenn der Fleischmarkt noch nicht liberalisiert sei, einmal werde sich Bell dem Weltmarkt stellen müssen und dafür hätte das Unternehmen vorgesorgt. Possa bemängelte an der Anlegerkonferenz Investora den tiefen Flee Float von Bell. Coop ist mit  66,3% an Bell beteiligt. Finanzchef Tschanz erklärt: «Kurzfristig wird es keine wesentlichen Änderungen geben. Es könnte aber langfristig ein Thema werden, den Free Float zu erhöhen auch in Zusammenhang mit dem Wachstum.»

Ein anderer Kritikpunkt, der ZKB-Analyst Daniel Bürki äussert, ist die geringe Ausschüttungsquote von 30% an die Aktionäre. Die Dividendenrendite von 2,4% könnte verbessert werden. Die Bell-Titel sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 für 2015 aber preiswert. Gelingt es der Gruppe, im Ausland Gewinn zu erzielen, lohnt sich ein Engagement jedenfalls.

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