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11:50 Uhr - 08.03.2016

Die Marschrichtung für Chinas Wirtschaft

Günstiges Geld und Reformen sollen 6,5% Wachstum bringen, erklärt Premier Li Keqiang am Volkskongress. Das Ziel birgt Risiken, China durchläuft eine kritische Phase in der wirtschaftlichen Öffnung.

Peking verfolgt ambitiöse Ziele. Wenn es nach dem Willen der chinesischen Regierung geht, wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) der weltweit zweitgrössten Volkwirtschaft in den Jahren bis 2020 jeweils mindestens 6,5% wachsen. Gleichzeitig sollen die makroökonomischen und sozialen Ungleichgewichte ausbalanciert werden.

All das läuft vor dem Hintergrund einer schwachen externen Nachfrage ab. Die Ausfuhren des Exportweltmeisters lagen im Februar 25% unter dem Vorjahresstand.

Neue Schulden, alte Wirtschaftsstruktur

Mit dem von Premierminister Li Keqiang am Samstag vor dem Volkskongress vorgegebenen Wachstumsziel wandelt die Regierung auf einem schmalen Grat zwischen riskanter Neuverschuldung und dringend nötigen Strukturreformen. China steht in einer der kritischsten Phasen seit die Kommunistische Partei vor beinahe vier Jahrzehnten den Prozess der wirtschaftlichen Öffnung angestossen hat, wie Li am Samstag während seines Rechenschaftsbericht vor den beinahe 3000 Abgeordneten des Quasi-Parlaments einräumte.

Bedenken über die Umsetzung geäussert hat auch die Ratingagentur Moody’s: «Vor dem Hintergrund eines sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums, eines anhaltenden Kapitalabflusses ins Ausland wie auch der angespannten finanziellen Lage vieler Unternehmen sind die vorgegebenen Ziele zunehmend schwierig umzusetzen.»

Weniger Industrie, mehr Dienstleistungen

Doch der Umbau des von Investitionen und der Industrieproduktion angetriebenen Wachstums hin zu mehr Dienstleistungen und Privatkonsum habe erhebliche Fortschritte gemacht, erklärte Xu Shaoshi, Vorsitzender des Nationalen Komitees für Entwicklung und Reform. China werde damit wie schon seit der globalen Finanzkrise auch in den kommenden Jahren ein Wachstumsmotor der globalen Ökonomie bleiben, sagte er am Rande des Volkskongresses. Seine Aussage wird unter anderem vom Einzelhandel untermauert, dessen Umsatz im Februar 11% höher lag als im Vorjahreszeitraum.

Doch die Regierung setzt nach Meinung von Louis Kuijs, dem Asienökonomen des unabhängigen Konjunkturforschungsinstituts Oxford Economics, weiterhin einen zu starken Akzent auf das rein quantitative Wachstum. Der von Premierminister Li abgegebene Rechenschaftsbericht legt offen, dass die Konjunkturentwicklung  in den kommenden Jahren durch grosszügige staatliche Zuschüsse, steuerliche Erleichterungen wie auch eine lockere Geldpolitik gestützt werden soll.

Damit nimmt die Regierung ein grösseres Haushaltsdefizit in Kauf. Nachdem sich der Fehlbetrag 2015 noch auf 2,4% des BIP belief, ist für das laufende Finanzjahr ein Minus von 3% eingeplant. Tao Wang, Chinaökonomin der UBS (UBSG 16.3 -1.51%), geht davon aus, dass unter Einbezug von Sondereffekten – etwa von lokalen Körperschaften begebenen Anleihen – das Defizit sogar auf 4% steigen wird.

Moody’s hat angesichts der sich verschlechternden Haushaltslage, der fallenden Hartwährungsreserven und offener Fragen über die Umsetzung der geplanten Strukturreformen den Ausblick für die Bonität chinesischer Anleihen bereits Anfang Monat von stabil auf negativ herabgestuft. Die Neueinschätzung dürfte – auch wenn von Moody’s nicht direkt thematisiert – die mit dem wirtschaftlichen Reformprozess einhergehenden politischen Risiken berücksichtigen.

Sozialen Sprengstoff birgt vor allem der geplante Abbau der massiven Überkapazitäten in der Schwerindustrie, dem über 10 Mio. Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Die Regierung hat zur Abfederung dieses schmerzhaften Anpassungsprozesses 100 Mrd. Yuan (15 Mrd, $) bereitgestellt.

Eisenbahn, Stadtwohnungen und ländliche Infrastruktur

Der von Premierminister Li dem Parlament vorgelegte Rechenschaftsbericht zeigt auf, welche Sektoren in den kommenden Jahren für Wachstum sorgen sollen. In den Jahren von 2016 bis 2020 sollen 11’000 Kilometer neuer Hochgeschwindigkeitszugverbindungen gebaut werden.

Unter dem Slogan einer «neuen Urbanisierung» sollen 100 Mio. Wanderarbeiter, die bisher keine Niederlassungsbewilligung in den Städten haben, fest in urbanen Gebieten angesiedelt werden. Damit dürfte auch der grosse Überhang an neuen Wohnungen abgebaut werden. Zudem soll die Infrastruktur in bisher unterentwickelten ländlichen Gebieten massiv ausgebaut werden.

Gleichzeitig will die Regierung auch die Reform des Finanzsektors vorantreiben, etwa durch die weitere Öffnung des Interbankenmarktes oder auch der Verbindung der Börsen Shenzhen und Hongkong. Ausländische Investoren sollen überdies einen erweiterten Zugang zum Anleihenmarkt erhalten.

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