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16:56 Uhr - 06.05.2016

Marco Franchetti: «Kunden sind kritischer»

Der Bankenombudsmann verrät im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», welche Themen Bankkunden zur Zeit am meisten beschäftigen.

Herr Franchetti, wie beurteilen Sie die Kundenzufriedenheit in der Private-Banking- und Vermögensverwaltungsbranche der Schweiz?
Als Bankenombudsman werde ich dann angerufen, wenn der Kunde eine Streitigkeit hat, die er im direkten Kontakt nicht hat lösen können. Von den guten Kundenerfahrungen bekomme ich naturgemäss wenig mit. Einen systematischen Überblick erlaubt das nicht. Allerdings habe ich aus den Anfragen und Vermittlungsersuchen einen allgemeinen Eindruck der Befindlichkei der Bankkunden.

FuW-Beilage «Private Banking»Dieser Beitrag ist Teil der Private-Banking-Beilage von «Finanz und Wirtschaft». Weitere Beiträge und Interviews der Publikation  vom 30. April 2016 befassen sich mit der Zukunft des Finanzplatzes Schweiz, dem Wandel im Banken- und Vermögensverwaltungsgeschäft, der Frage nach dem gläsernen Kunden auch in der Schweiz und diversen Analysen zur Anlagestrategie. Die gesamte Beilage ist als PDF unter www.fuw.ch/Magazine abrufbar.Wie ist der Eindruck?
Ich stelle fest, dass der in der Finanzkrise empfundene Vertrauensverlust aufgrund von Anlageverlusten und in Schieflage geratener Finanzinstitute etwas an Bedeutung eingebüsst hat. Demgegenüber haben sich in letzter Zeit eher kundensegmentspezifische neue Themen herausgebildet. Sie umfassen Einschränkungen und Auflagen für Auslandkunden als Folge der Umsetzung der Weissgeldstrategie, den erschwerten Zugang für Kleinanleger zu gewissen Produkten und Dienstleistungen sowie Anpassungen der Preismodelle und der Tarife im Sog schwindender Margen und der Umstellung von der durch Retrozessionen finanzierten Anlageberatung zur gebührenfinanzierten.

Nehmen Anfragen eher zu oder ab?
Die Fallzahlen in den Sachgebieten Anlageberatung und Vermögensverwaltung wie auch Börse und Depot sind heute generell höher als vor der Finanzkrise, wobei sich die Anteile in etwa auf dem gleichen Niveau bewegen. Eine Ausnahme war 2013, als das Thema Retrozessionen virulent und entsprechend der Anteil des Gebiets Anlageberatung und Vermögensverwaltung ausserordentlich hoch war.

Worauf führen Sie die Zunahme zurück?
Die Gründe sind vermutlich vielfältig. Die Bankbranche ist im Umbruch begriffen und immer wieder von ausserordentlichen Ereignissen und Entwicklungen betroffen. Stichworte sind etwa Marktmanipulation, Retrozessionen, Steuerstreit/Weissgeldstrategie sowie SNB-Entscheid zu Mindestkurs und Negativzinsen. Auch scheinen Kunden allgemein etwas kritischer und sensibler geworden zu sein und nutzen die Möglichkeit, ihr Anliegen einer neutralen Instanz zu unterbreiten.

Welche Themen dominieren?
In jüngerer Zeit sind es Streitigkeiten im Zusammenhang mit Hypotheken, namentlich die Auswirkungen negativer Geld- und Kapitalmarkt- auf Kundensätze bei Spezialhypotheken. Auch geht’s um die Berechnung von Vorfälligkeitsprämien bei Festhypotheken nach dem Frankenschock. Weiter von Bedeutung waren Dispute bezüglich der Haftung für Schäden aufgrund von Missbrauchs- und Betrugsfällen sowie – wie stets – um Gebühren.

Werden digitales Banking und Fintech zu Streitigkeiten führen?
Beim Zahlungsverkehr, bei Markt- und Produktinformationen sowie dem reinen Effekten- und Devisenhandel gibt es Digitalisierung und Automatisierung schon heute. Neu sind vor allem elektronische Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsangebote. Wie alles Neue bergen sie neben unbestreitbaren Vorteilen auch Nachteile. Was erachten Sie als Risiko? Risiken entstehen aus Manipulationsfehlern, unbedachten Entscheiden und Missverständnissen wegen fehlender persönlicher Beratung sowie der Versuchung, Risikohinweise unbesehen weg- und komplexe Verträge abzuklicken. Anfragen wird es wie immer vor allem dann geben, wenn Kunden Verluste erlitten haben.

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