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09:35 Uhr - 23.01.2015

«Die Lage drohte ausser Kontrolle zu geraten»

David Bloom, Chef-Devisenstratege von HSBC, kann den Kurswechsel der SNB nachvollziehen, wie er im Interview mit FuW erläutert.

Die Devisenmärkte kommen nicht zur Ruhe. Nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1029 0.49%)) letzte Woche die Mindestkurspolitik zum Euro aufgab, hat die Europäische Zentralbank (EZB) diese Woche ein grosszügiges Anleihenkaufprogramm (QE) eingeführt, das den Euro schwächen wird. Für David Bloom, Global Head FX Strategy der Bank HSBC (HSBA 626.1 0.84%), ist das der letzte Beweis für die neue Realität, in der nichts mehr unmöglich ist.

Herr Bloom, was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfuhren, dass die SNB den Mindestkurs aufgegeben hat?
Ich war schockiert.

Haben die Währungshüter richtig gehandelt?
Die anstehende QE-Politik der EZB hätte die Nationalbank immer tiefer in ihre Mindestkursstrategie getrieben und hätte aus einer Politik, die nur als vorübergehend geplant war, einen permanenten Zustand gemacht. Das wollten die Verantwortlichen nicht. Darüber hinaus gibt es in der Schweiz eine Besonderheit, die man in anderen Ländern nicht findet: Mit einer Volksabstimmung kann die Notenbankpolitik verändert werden. Die Goldinitiative war ein Warnsignal. Die Lage drohte ausser Kontrolle zu geraten. Da hat die SNB die Konsequenzen gezogen.

Ist die Nationalbank noch glaubwürdig?
Sie hat nicht an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Die Schweiz ist ein Safe Haven wegen ihres Leistungsbilanzüberschusses, der gesunden öffentlichen Finanzen, der politischen Stabilität und nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht Teil der Eurozone ist. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings sind die Märkte misstrauischer geworden, was die sogenannte Forward Guidance der SNB betrifft.

Die SNB argumentiert, sie habe keine Alternative gehabt. Stimmen Sie damit überein?
Sie hatte andere Möglichkeiten. Aber die sind mit Kosten verbunden. Die Variante, den Mindestkurs ganz aufzugeben, kostet die Steuerzahler am wenigsten. Die SNB hätte den Kurs tiefer setzen können, aber das wäre mit höheren Devisenreserven einhergegangen. Das wollte sie nicht.

Wie wirksam sind die Minuszinsen?
Sie sind gar nicht so wichtig. Auch in der Eurozone liegen die Sätze unter null, in den USA auf null. Der Carry – die Kosten – des Frankens beträgt 75 Basispunkte. Das ist nicht viel und nicht entscheidend.

Wird ein Deviseninvestor durch den Aufpreis für Franken denn nicht abgeschreckt?
Auch eine zweijährige deutsche Bundesanleihe rentiert im Minus, ebenso fünfjährige japanische Papiere. Das ist die neue Wirklichkeit: Wenn Sie Ihr Geld zurückbekommen wollen, müssen Sie dafür zahlen.

Wird die SNB die Zinsen weiter senken?
Das würde wenig bringen. Wird sie es trotzdem tun? Ganz ehrlich gesagt: Inzwischen ist alles möglich geworden. Viele Dinge, die vor nicht allzu langer Zeit als undenkbar galten, sind eingetreten. Der Rubel hat sich 35% abgewertet, der Euro ist angeschlagen, die norwegische Krone bricht ohne ersichtlichen Grund ein, und der Franken hat sich 20% aufgewertet. Im Moment ist nichts mehr unmöglich.

Ist der Franken nun korrekt bewertet?
Der Fair Value beträgt 1 Fr./€. Aber der Markt sucht Alternativen zum Euro, der sich durch die QE-Politik der EZB abwerten wird. Zuvor hatte er nur den Dollar. Jetzt ist der Franken dazugekommen. Er wird sich weiter festigen. Wir prognostizieren für Ende dieses Jahres 0.95 Fr./€. Ende 2016 wird 1 € nur 0.92 Fr. kosten.

Wird die dänische Krone den Peg zum Euro beibehalten?
Ja, der Peg sollte halten. Die Ausgangslage ist anders als in der Schweiz.

Aber der Aufwertungsdruck ist gross.
Wenn der Franken für Schlagzeilen sorgt, reagieren die Händler reflexartig und stürzen sich auf alles, was solide ist und einen Safe-Haven-Charakter trägt. Die Finanzmärkte funktionieren so und müssen so funktionieren. Sie hinterfragen Situationen, die sie zuvor nicht hinterfragt hatten. Das geschieht nun. Die Krone ist stabil.

Wo liegt das grösste Risiko weltweit?
Das grösste Risiko für die Finanzmärkte ist eine explosive Aufwertung des Dollars. Wenn eine Schwellenländerkrise ausbrechen würde oder Japan die Kontrolle über seine Geldpolitik verlöre oder die Eurozone auseinanderzubrechen drohte, würde das zu einem viel stärkeren Dollar führen. Wir haben gerade gesehen, was passiert, wenn sich der Franken rasch aufwertet. Stellen Sie sich das im Fall des Dollars vor!

Wie lässt sich dieses Risiko reduzieren?
Es braucht eine Übereinkunft der wichtigsten Zentralbanken und Regierungen. Das Problem besteht darin, dass so eine politische Einigung nicht ohne vorhergehende Krise zustande kommt.

Sie erwarten also, dass sich der Dollar weiter aufwerten wird.
Es gibt nur die Alternative: eine langsame Dollaraufwertung oder eine aggressive.

Warum ist der Dollar so stark?
Die USA gewinnen gegenwärtig an allen Fronten – sei es bei der Geldpolitik, der Konjunktur oder der abnehmenden Bedeutung des Leistungsbilanzdefizits. Auch politisch sind die USA dieses Jahr stabiler.

Liegt ein fester Dollar im Interesse des Fed?
Er liegt im Interesse der EZB und der Bank of Japan, weil dadurch die USA etwas von dem Deflationsdruck absorbieren. Das Fed toleriert die Aufwertung, weil es nicht davon ausgeht, dass sie dem US-Wirtschaftswachstum schadet.

Wann wird die Aufwertung ein Problem?
Weitere 7 bis 9% über das Jahr hinweg kann die US-Wirtschaft verkraften. Aber sie kann das nicht, falls so ein Schub innerhalb eines Monats eintritt. Die Kerninflation beträgt 1,6%. Sollte der Dollar steigen und die Kerninflation deutlich ins Minus sinken, dann ändert sich die Situation.

Treibt der Ölpreis die Dollaraufwertung an?
Generell gilt: Tiefe Ölpreise schieben den Dollar nach oben und höhere Dollarnotierungen die Ölpreise nach unten. Aber derzeit ist der niedrige Ölpreis die Folge des langsameren Wachstums der Weltwirtschaft, unabhängig vom Dollar.

Befinden wir uns in einem globalen Abwertungswettlauf?
Eindeutig ja. Japan will eine schwächere Währung, Schweden, Neuseeland, Australien, Norwegen, Kanada, die Eurozone und bis vor kurzem die Schweiz auch. Das einzige Land, das dies ausgleichen kann, sind die USA. Bisher hat das  funktioniert. Aber das muss es nicht in der Zukunft.

Auf welche Währung sollten Devisenanleger dieses Jahr setzen?
Auf den Dollar. Die türkische Lira und die indische Rupie sollten eine fantastische Kursrendite erzielen, da beide Länder vom billigen Öl profitieren und  keine Rohstoffe exportieren. Aber ihre Performance enttäuscht, weil der Dollar sich ebenfalls aufwertet. Wenn der Greenback in Bewegung kommt, dann walzt er alles platt. Am Ende steht er auf der Rangliste immer oben. Seit dem SNB-Schock allerdings zusammen mit dem Franken.

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