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11:45 Uhr - 26.06.2015

Kühne: «Mich kann man nicht klonen»

Klaus-Michael Kühne, Hauptaktionär des globalen Frachtspediteurs, fühlt sich mit Kühne + Nagel immer noch eng verbunden. Die Nachfolge ist geregelt, Überraschungen werde es keine geben.

Mit grosser Beharrlichkeit hat er aus Kühne + Nagel einen weltumspannenden Konzern geschmiedet. Führungsfunktionen bekleidet Klaus-Michael Kühne keine mehr. Trotzdem ist der Mehrheitsaktionär des Frachtspediteurs eine bestimmende Figur geblieben. Sein Wissen lässt der Branchenkenner immer noch einfliessen – und «kann sich auch mal aufregen».

Herr Kühne, seit 2011 haben Sie keine Führungsfunktion in Kühne + Nagel mehr. Schauen Sie noch täglich auf den Aktienkurs?
Natürlich, ja.

Zur PersonHerr der Frachten, Doyen der Logistik: Klaus-Michael Kühne (78) hat Kühne + Nagel ein halbes Jahrhundert geprägt und tut es heute noch. Zwar übt er keine operative Funktion mehr aus, doch nimmt er Einfluss als Mehrheitsaktionär über den Verwaltungsrat und persönliche Kanäle.

Als Enkel des Firmenmitgründers August Kühne trat er 1958 in die Dienste von Kühne + Nagel ein, wurde im Alter von 26 Jahren bereits persönlich haftender Gesellschafter und Teilhaber und ein Jahr darauf Vorstandschef (CEO). 1999 zog sich Klaus-Michael Kühne aus der operativen Leitung zurück, blieb aber noch bis 2011 Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats. Zeit für ein Studium hatte er in jungen Jahren nicht, geheiratet hat er im Alter von 50 Jahren. «Ich habe viel zu viel gearbeitet», kommentierte er in einem Interview mit der «Bilanz» dazu. Aber es habe sich wenigstens gelohnt.

Einst ein Klassenkamerad von Wolf Biermann in Hamburg, zog er mit seinem Unternehmen Ende der Sechzigerjahre in die Schweiz. Schindellegi im Kanton Schwyz ist immer noch Ausgangsbasis, doch pendeln er und seine Frau Christine zwischen dort, der Lenzerheide, Mallorca und der Heimatstadt Hamburg. Nachkommen hat er keine, die von ihm gehaltene Mehrheit an Kühne + Nagel wird die Kühne Stiftung erben, der Nukleus seiner philanthropischen Aktivitäten. Eine Herzensangelegenheit und gewiss kein Renditeprojekt ist auch seine jüngste Investition in den Fussballverein HSV Hamburg.
Die Papiere notieren auf dem gleichen Stand wie vor vier Jahren. Wurmt Sie das?
Nein. Mein Vermögen besteht nur auf dem Papier, ich will meine Aktien nicht verkaufen und Mehrheitsaktionär bleiben. Insofern ist es nur akademisch, wenn der Wert mal höher oder mal niedriger ausfällt. Entscheidend ist für mich, dass der Konzern gut geführt wird und wirtschaftlich erfolgreich bleibt.

Wie nahe sind Sie noch am Geschäft?
Ich fühle mich immer noch eng mit dem Unternehmen verbunden. Im Verwaltungsrat mische ich kräftig mit. Ich erhalte auch die Monatsresultate und stelle meine Fragen. Gibt es ganz besondere Entwicklungen, schalte ich mich ein. Zudem findet jeden Monat ein Gespräch mit dem CEO statt. Auch bei meinen regelmässigen Besuchen in Hamburg in unserem weltweit grössten Büro erfahre ich einiges.

Gibt’s manchmal eine Überraschung?
Ja, schlechte Dinge werden nicht so rasch vermittelt. Da kann ich mich auch mal über fehlende Orientierung aufregen.

Würden Sie also gegen eine Übernahme, die Ihnen nicht passt, das Veto einlegen?
Man hört natürlich auf mich. Es gibt keine wesentlichen Entscheide gegen mich, das kann man schon sagen.

Die operative Nachfolge ist geregelt. Was passiert dereinst mit der Beteiligung an Kühne + Nagel, die Sie über die private Kühne Holding halten?
Wenn ich wegfalle, ist Kontinuität gegeben. Der Firmenanteil von 53,3% wird auf die Kühne Stiftung übergehen, die bereits über 4,5% an Kühne + Nagel verfügt. Es gibt einen Stiftungsrat, der zu grossen Teilen mit Vertrauensleuten besetzt ist. In der Holding sind es vor allem Geschäftsleute, die den nötigen Sachverstand haben. Das oberste Gremium über der Holding wird aber die Stiftung sein, als Aufsichtsgremium und Kontrollorgan.

Ist die Mehrheit an Kühne + Nagel in Stein gemeisselt?
Es besteht keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Gerade in unserem Dienstleistungsgeschäft ist es von Vorteil, dass es einen dominierenden Gesellschafter gibt, der die Richtung vorgibt. Sollte sich die Situation ergeben, dass viel neues Kapital geschaffen wird, würde ich dem nicht entgegenstehen. Man muss nicht sklavisch an der Kapitalmehrheit festhalten. 30 oder 40% würden reichen.

Beispiele in der Schweiz wie Kuoni und Ascom zeigen, dass Stiftungen strategisch wie ein Bremsklotz wirken können.
Deshalb haben wir die zwei Stufen, die Holding als kommerzielle Führung und die Stiftung als Kontrollorgan. Eine Stiftung ist ein wenig ein zweischneidiges Schwert, zugegeben. Der ideale Gesellschafter ist sie nicht. Eine stark prägende Unternehmerpersönlichkeit ist nicht zu ersetzen, aber mich kann man nicht klonen. Immerhin ist in unserem Fall die Kontinuität gewahrt, Überraschungen wird es nicht geben.

Sind Sie mit Strategie, Positionierung und Leistung von Kühne + Nagel zufrieden?
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Ja, aber wir müssen Acht geben, dass wir die Nase vorn behalten. Die Logistik wird virtueller und wird zunehmend über Informatikplattformen gesteuert. Das haben wir bislang gut gemeistert. Trotzdem beschäftigen wir uns intensiv mit dem Wandel, um frühzeitig zu erkennen, wo wir neue Produkte anbieten und wo und wie wir das Geschäftsmodell anpassen müssen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Eine Herausforderung für uns ist 3-D-Printing. Gewisse Artikel werden nicht mehr transportiert, sondern über 3-D-Drucker hergestellt. Auch Wachstumsmärkte wie China können plötzlich an Fahrt verlieren.

Wie reagiert das Unternehmen?
Ein Anker im PortefeuilleKühne + Nagel sind Dividendenperlen geworden. Grosses Wachstum ist nicht in Sicht.
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Unsere Lösung ist stets, möglichst breit anzutreten und nicht von wenigen Märkten abhängig zu sein. Wir können uns rasch an Veränderungen anpassen, wir haben keine grossen Anlagevermögen, keine Fabriken usw. Das ist ein Vorteil unseres Geschäfts.

Der Konzern gilt als Effizienzweltmeister. Aber irgendwie hat man den Eindruck, seit ein paar Jahren fehle es an Wachstum, an Salz und Pfeffer – weil die Globalisierung ins Stocken geraten ist?
Vor fünf Jahren hatten wir ein Wachstumsprogramm zu sehr forciert. Daraus haben wir Lehren gezogen und besonders im Seeverkehr teilweise auf Umsatz verzichtet. Stattdessen haben wir mehr das wirtschaftlich gesunde Geschäft in den Vordergrund gestellt. Das ist uns gut bekommen und lässt sich an den Zahlen des vergangenen und auch dieses Jahres ablesen. Aber klar, ohne Wachstum geht es nicht. Gesundschrumpfen ist keine Strategie.

Sie haben öffentliche Kritik an überzogenen Gehältern von Führungskräften geäussert. Wie lässt sich das verhältnismässig doch sehr stattliche Salär von 4,3 Mio. Fr. Ihres VR-Präsidenten rechtfertigen?
Karl Gernandt hat eine enorme Verantwortung. Er ist sozusagen schon an meiner Stelle tätig und soll die massgebliche Verantwortung tragen, wenn ich wegfalle. Das rechtfertigt ein überdurchschnittliches Honorar. Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil aus Aktienoptionsprogrammen stammt. Das fixe Einkommen liegt bei ungefähr 3 Mio. Fr. Im Verhältnis zu Umsatz und Gewinn ist das angemessen.

Kühne + Nagel liefert stets guten Ertrag, die Dividendenausschüttung ist deutlich erhöht worden. Das hat Ihnen die Möglichkeit gegeben, die Beteiligung am Hamburger Reedereiunternehmen Hapag-Lloyd aufzustocken. Ein schwieriges Geschäft…
Hapag-Lloyd wurde erst an den TUI-Konzern verkauft. Das hat uns alle geärgert in Hamburg, weil es nicht zusammenpasste. Das Reedereiunternehmen ist ein enger Partner von Kühne + Nagel, wir machten damals viele gute Geschäfte miteinander. Es gab dann Gerüchte, Hapag-Lloyd werde ins Ausland verkauft, und ich wollte nicht, dass das Unternehmen in falsche Hände gerät.

zoomDer Kaufvertrag wurde drei Wochen nach dem Konkurs von Lehman Brothers unterschrieben – kein idealer Zeitpunkt.
Gewiss nicht. Hapag wurde notleidend, und die Stadt Hamburg und ich im Wesentlichen mussten weiteres Kapital nachschiessen. Es war überhaupt kein Renditeobjekt, die erste Dividende wird vielleicht dieses Jahr bezahlt. Es waren dramatische Jahre, zeitweise war das Überleben in Frage gestellt. Aber ich bin ein Kämpfer. Man musste das durchhalten.

Unterdessen hat Hapag-Lloyd mit der chilenischen CSAV fusioniert und ist weltweit zur Nummer vier unter den Reedereien vorgerückt. Wird’s jetzt besser?
Die Chancen sind da, dass das Engagement seine Früchte tragen wird. Aber Schifffahrt ist ein schwieriges Geschäft. Die Volatilität ist gross, der Abstand zu den drei Grossen im Markt beträchtlich. Hapag-Lloyd muss eine weitere Fusion oder Übernahme ins Auge fassen, um wirklich unter den Grossen mitzumischen. Die Schlacht ist noch nicht geschlagen.

Die private Kühne Holding und die StiftungenKühne + Nagel ist das wichtigste Asset der Kühne Holding. Die Aktien werden dereinst in die Kühne-Stiftung übertragen.
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NOL in Singapur könnte ein vielversprechendes Übernahmeziel sein.
Ja, das wäre eine interessante Kombination. Aber auch nicht ganz einfach, weil es NOL nicht besonders gut geht.

Ist ein Börsengang von Hapag-Lloyd immer noch ein Thema?
Ja, ich würde ihn sehr begrüssen. Die Börse läuft gut, das Unternehmen ist in einer besseren Verfassung, und ich glaube, das IPO wird kommen, entweder in diesem oder im nächsten Jahr. Dann hätte Hapag-Lloyd eine bessere Finanzierungsbasis und könnte den nächsten grösseren Schritt tun.

Die Branche ist durch hohe Überkapazitäten geprägt. Das führt zu stark schwankenden Frachtraten, was auch Kühne + Nagel das Leben erschwert. Wann und wie wird sich die Branche normalisieren?
Nicht so rasch. Es ist ein Phänomen, wie man sich in einer solchen Branche das Leben schwer machen kann. Die Unvernunft der Reeder in Bezug auf den Verdrängungswettbewerb ist sehr gross. Dadurch kommen die Raten immer wieder unter Druck. Wir sind zwar nicht diejenigen, die von den Frachteinnahmen leben. Aber wegen der extrem gewordenen Schwankungen der Raten und der Unsicherheit im Markt ist es für unsere Mitarbeiter schwierig geworden, die Kunden optimal zu beraten.

Gibt es Synergien zwischen Hapag-Lloyd und Kühne + Nagel?
Nein, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Keine Seite räumt der anderen einen Vorteil ein. Sonst würde sich die Konkurrenz von Hapag-Lloyd abwenden.

In einem früheren Interview in «Finanz und Wirtschaft» sagten sie, Zusammenschlüsse zwischen Reedereien und Logistikern seien möglich – also auch zwischen Hapag-Lloyd  und Kühne + Nagel?
Vollkommen unerwünscht und undenkbar. Einzig Maersk kontrolliert ihre Speditionstochter Damco, hier sehe ich Interessenkonflikte. Ich verstehe nicht, warum Maersk an Damco festhält. Der Logistiker ist der ideale Geschäftspartner des Reeders für eine sinnvolle Arbeitsteilung.

Ist Ihre Beteiligung an Kühne + Nagel unter dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung nicht ein Klumpenrisiko?
Das kann man so sehen. Anderseits habe ich nun mal diesen grossen Anteil und will ihn halten. Rein aus der Sicht eines Finanzinvestors müsste ich mehr diversifizieren. Wir haben einige Immobilien erworben und wollen das ausweiten, aber in überschaubarer Grössenordnung.

Auch in der Schweiz?
Nein, das ist zu teuer. Wir investieren oder prüfen Projekte in krisensicheren Gebieten wie Australien, Singapur und Kanada.

Wie sieht das globale Konjunkturbild aus?
Die grosse Boomphase ist vorbei. Die Schwellenländer haben zum Teil ihre Probleme, Russland kann man vergessen. Aber die Entwicklung in China ist immer noch gut, sie wird zu sehr dramatisiert. Es gibt auch immer wieder neue Märkte wie Indonesien und Indien, wo sich neue Chancen ergeben.

Wirtschaftsfeindliche Initiativen geben zu denkenKlaus-Michael Kühnes Vater verlegte Ende der Sechzigerjahre den Holdingsitz von Kühne + Nagel nach Schindellegi im Kanton Schwyz. Der Familie behagte die damalige SPD-geführte Regierung unter Willy Brandt gar nicht. Es zog «eine frappierende Wirtschaftsfeindlichkeit ein». Die Schweiz hingegen, sagte Klaus-Michael Kühne später, «war für uns fantastisch: ein liberales Arbeitsrecht, eine international ausgerichtete Wirtschaft, eine moderate Steuerbelastung und ein hoher Stellenwert der Privatsphäre». Sieht der Entrepreneur das heute noch so?

Die Schweiz biete immer noch eine hohe Lebensqualität, er fühle sich privat sehr wohl im Land, sagt Kühne. «Aber die vielen wirtschaftsfeindlichen Initiativen geben zu denken. Dass die Schweizer sich das antun, ist schon merkwürdig.» Die ganze Welt reglementiere sich immer mehr – und die Schweiz tue es auch, «in einem Ausmass, wie ich es nicht erwartet hätte». Die Unsicherheit sei grösser geworden. Doch sie sei noch nicht so gross, dass sich Kühne + Nagel nicht mehr zur Schweiz bekenne. Aber er hat doch schon laut über eine Sitzverlegung nachgedacht! Nein, betont Klaus-Michael Kühne, «das haben wir uns nie ernsthaft überlegt».

Die Schweizer hätten immer als konservativ und ausgewogen in ihrem Urteil gegolten. Diese Grundstimmung sei immer noch vorhanden, bekräftigt Kühne. Aber wenn gewisse Themen von interessierter Seite geschürt würden, bekämen sie mehr Akzeptanz, als das früher der Fall gewesen sei. «Die Bevölkerung verbindet mit der Wirtschaft die Exzesse des Kapitalismus. Sie haben der Wirtschaft geschadet. Das hat eine Langzeitwirkung, berechtigterweise.»

Eine der Abstimmungen, die Kühne gegen den Strich gingen und gehen, ist die Einwanderungsinitiative. Der bilaterale Weg ist gefährdet. Kühne glaubt aber, dass man sich über die Zeit finden werde, mit viel Pragmatismus lasse sich der Knoten lösen.

Gewiss eher als das Griechenlandproblem? Ja, sagt Kühne, aber irgendwie würden die EU-Politiker selbst da einen Kompromiss finden – was er nicht goutiert: «Die Griechen haben sich derart schlecht benommen, dass man sie aus der EU verabschieden sollte.» Je mehr man Griechenland entgegenkomme, desto mehr sagten sich andere Länder: «Jetzt leisten wir uns auch das eine oder andere.» Daher sollte mal ein Exempel statuiert werden. Für Kühne + Nagel sei das Land ein sehr guter Markt gewesen, «aber jetzt ist er kaputt».

Und welche Rolle sieht Kühne für Deutschland? «Möglichst eine nicht zu dominierende, das weckt wieder Antipathien.» Doch die Rolle falle dem Land zwangsläufig zu, weil kein anderes so wirtschaftsstark und stabil sei. Einer müsse den Kopf hinhalten, um die Führung zu übernehmen.

Die komplette Historie zu Kühne + Nagel finden Sie hier. »

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