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14:17 Uhr - 09.09.2021

Gegen EY Schweiz ist eine Milliardenklage eingereicht worden

Über eine usbekische Firma mit Sitz in Zug sollen Millionen in die Taschen der Präsidententochter Gulnara Karimowa geflossen sein. Und dies unter den Augen der Buchprüfer von EY, heisst es in der Klage eines US-Hedgefonds.

Am unersättlichen Geldhunger von Gulnara Karimowa, der Tochter des früheren Präsidenten von Usbekistan, haben sich schon viele die Finger verbrannt. Nun trifft es die Beratungsfirma EY Schweiz mit voller Härte. Der New Yorker Hedgefonds Lion Point Capital hat in Zug eine Schadenersatzklage in der Höhe von einer Milliarde Dollar eingereicht. Dies hat die «Financial Times» enthüllt.

EY Schweiz hat die Bücher der Firma Zeromax mit wechselnden Domiziladressen in Zug ab 2005 geprüft. Für die Jahre 2008 und 2009 lieferte EY kein Testat mehr für die Jahresberichte ab. 2010 ging die mit einem äusserst bescheidenen Stammkapital von 20’000 Franken ausgestattete Briefkastenfirma pleite und hinterliess einen Schuldenberg von 5,6 Milliarden Franken. Bis heute sind noch immer Vermögenswerte in der Höhe von 2,5 Milliarden Franken unauffindbar.

Hunderte von Gläubigern, darunter viele kleine Unternehmen in Deutschland und Osteuropa, warten noch immer auf ihr Geld. Der Hedgefonds Lion Point Capital kaufte 2019 eine Schuldentranche aus der Konkursmasse von Zeromax. Die Fondsverantwortlichen haben sich den Ruf erworben, mit allen Mitteln gegen insolvente Firmen vorzugehen.

Was die EY-Kontrolleure nicht gesehen haben

Zeromax war über ein Geflecht von weiteren Briefkastenfirmen hauptsächlich in der zentralasiatischen Republik Usbekistan tätig. Die Firma handelte mit Rohstoffen, insbesondere Erdöl und Erdgas (Erdgas 1.82 -3.75%), und galt zeitweilig als grösste Arbeitgeberin, die für über 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts verantwortlich war.

In den vier Jahren vor dem Kollaps von Zeromax kam Gulnara Karimowa ins Spiel. Die Präsidententochter wurde wegen ihres extravaganten Stils auch die Prinzessin von Usbekistan genannt, galt jedoch auch als umtriebige Unternehmerin.

Laut den Unterlagen, welche die «Financial Times» einsehen konnte, flossen in diesen vier Jahren Gelder von Zeromax in Kanäle ab, die nicht nach Usbekistan führten. Und bei denen sich die Kontrolleure von EY Schweiz nun die Frage gefallen lassen müssen, weshalb sie das damals nicht moniert hatten.

Zwischen 2006 und 2009 bezahlte Zeromax zweistellige Millionensummen für wertvollen Schmuck. An dem sich offenbar Gulnara Karimowa erfreute, wie Beschlagnahmungen durch Schweizer Ermittlungsbehörden 2016 bei der Genfer Privatbank Lombard Odier zeigten. In den Safes, die von Karimowa gemietet waren, lagen Schmuckstücke, die von Zeromax bezahlt worden waren.

Fragwürdige «Beraterdienstleistungen»

EY fragte auch nicht nach, woraus die «Beraterdienstleistungen» bestanden, für deren Entgelt gegen dreistellige Millionenbeträge an Briefkastenfirmen flossen. Zu den Endempfängern gehörte die auf Gibraltar domizilierte Firma Takilant, die von Karimowa kontrolliert wurde.

2012 starteten in der Schweiz, in den USA und in Schweden Ermittlungen gegen Karimowa wegen des Verdachts auf massive Korruption bei der Vergabe von Telecomlizenzen durch die usbekische Regierung. Im Zentrum: Karimowas Firma Talikant.

Laut «Financial Times» wurden EY-Verantwortliche gelegentlich durchaus stutzig ob der Transaktionen, unterliessen es jedoch, zu insistieren. Ab 2008 nahmen die fragwürdigen Transaktionen deutlich zu. In diesem Jahr lieferte EY erstmals kein Testat für den Jahresbericht ab. Es flossen Gelder nach Hongkong für den Kauf einer Eigentumswohnung. Für je zweistellige Millionenbeträge wurden für den FC Bunjodkor Taschkent der berühmte brasilianische Fussballtrainer Luiz Felipe Scolari und der nicht minder berühmte Spieler Rivaldo engagiert.

EY Schweiz schweigt zu den Vorwürfen

2010 kollabierte Zeromax in Zusammenhang mit Machtkämpfen an der Regierungsspitze in Usbekistan. EY spricht in der «Financial Times» von Gerichtsurteilen in Usbekistan, die zur Enteignung der Vermögenswerte von Zeromax und damit zum Bankrott geführt hätten. Man werde die Forderungen vehement bekämpfen. Zu den Vorwürfen einer laschen Kontrolle der Zeromax-Bücher wollte sich EY nicht äussern.

Auf Nachfragen der Redaktion Tamedia reagierte EY Schweiz nicht.

Für den weltweit tätigen Beratungskonzern ist die Milliardenklage von Lion Point Capital ein weiterer Imageschaden. In Deutschland sieht sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen der spektakulären Pleite des Fintech-Unternehmens Wirecard 2020 mit Zivilklagen, Strafanzeigen und aufsichtsrechtlichen Ermittlungen konfrontiert.


Dieser Artikel stammt aus dem Tages-Anzeiger, weitere Artikel finden Sie unter tagesanzeiger.ch

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