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10:44 Uhr - 11.11.2014

«Übernahmefantasie im Tiermedizinsektor»

Jörg Dehning, Manager des Fonds DJE Agrar & Ernährung, erklärt im Interview mit der FuW die Auswirkung niedrigerer Agrarpreise und neuer Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern.

Herr Dehning, Ihr Fonds Agrar & Ernährung hat seit Anfang Jahr über 6% verloren und liegt damit weiter unter der eigenen Benchmark. Woran liegt das?
Wir haben unser Länderexposure stark diversifiziert. Nur 40% unserer Investitionen halten wir deswegen in Dollar. Wegen der Dollarstärke wäre aber ein höherer Anteil hilfreich für unsere Performance gewesen. Trotz des Rückschlags bleiben wir aber bei unserer Diversifikation. Jörg Dehning, Fondsmanager DJE Agrar & Ernährung«Die Verfütterung von Weizen und Mais führt zu höherem Einsatz von Tiermedizin, etwa weil die Stallhaltung zunimmt.» Bild: Andreas PohlmannDarüber hinaus unterliegt der Agrarsektor erfahrungsgemäss hohen Schwankungen, die es jeweils zu nutzen gilt. Kurzfristige Performanceabweichungen würde ich folglich nicht überbewerten, zumal ein Teil der Benchmark für uns aus ethischen Gründen für Investitionen gar nicht in Frage kommt, wie etwa die Palmölproduktion.

Welche Entwicklung in Ihrem Sektor hat Sie am meisten überrascht?
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Jahr Rekordernten eingefahren werden. Besonders in den USA sah es aufgrund der verspäteten Aussaat wegen der langen Kälteperiode zuerst aus, als gäbe es ein hohes Risiko für die Ernte. Das ist nicht eingetreten.

War die gute Ernte nur eine Ausnahme, oder ist das eine langfristige Entwicklung?
Seit längerem gibt es in den westlichen Industrieländern keine nennenswerten Produktivitätsfortschritte in der Landwirtschaft. Dagegen können die Schwellenländer tatsächlich mehr produzieren. Dazu muss die Logistik ausgebaut werden, und es braucht bessere Sorten und Anbaumethoden. Der Ertrag pro Hektar in den Schwellenländern steigt durch solche Verbesserungen stetig.

Wird die Erhöhung der Ernten mit der Nachfrage Schritt halten? Kann man daraus die langfristige Entwicklung der Agrarpreise ablesen?
Die Preise schwanken stark. Sind die Preise hoch genug, könnten neue Flächen in Südamerika erschlossen werden. Dort ist der Ausbau der Logistik teuer, was sich erst ab einem bestimmten Preis lohnt. Es ist also ein Wechselspiel aus Kosten und Ertrag. Für den Fonds bedeutet das, mit einer hohen Flexibilität auf Marktentwicklungen zu reagieren. Ausserdem setzen wir auf nachhaltige Trends.

Was ist Ihr Ausblick für die Agrarpreise im nächsten Jahr?
Die Preise haben sich zwar im Oktober etwas erholt, aber man muss weiter vorsichtig sein. Die Wahrscheinlichkeit des El Niño, eines unregelmässigen Wetterphänomens, bei dem sich Teile des Pazifiks stärker als normal aufwärmen, ist gestiegen. Das ist zwar ein Risiko für die Ernten in Asien. Aber ein starker El Niño könnte mehr Feuchtigkeit nach Argentinien und Brasilien bringen, was wiederum gut für die Ernten dort wäre.

Das starke Angebot hat die Agrarpreise gedrückt. Gibt es Sektoren, die von dieser Entwicklung profitieren?
Ja, wir setzen auf Unternehmen, die Futtermittel herstellen und im Bereich Tiergesundheit aktiv sind. Ein Beispiel ist die japanische Ajinomoto, ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Da wegen des günstigen Preises mehr Weizen (Weizen 0 0%) verfüttert wird, müssen Proteine zugesetzt werden. Ajinomoto ist Weltmarktführer bei der Herstellung des Proteinlieferanten Aminosäuren. Und steigt der Soja- bzw. Fischmehlpreis, könnte zur Proteinbeimischung statt Sojabohnen- bzw. Fischmehl die Aminosäure Lysin eingesetzt werden. Das liesse den Umsatz von Ajinomoto steigen. Die Verfütterung von Weizen und Mais (Mais 370.01 0.27%) führt auch zu höherem Einsatz von Tiermedizin, etwa weil die Stallhaltung zunimmt.

Spielt die Übernahmefantasie im Bereich Tiermedizin bei Ihrer Aktienauswahl ebenfalls eine Rolle?
Durchaus, nachdem Bayer verkündet hatte, sich von ihrer Kunststoffsparte zu trennen und die frei werdenden Mittel gezielt in die verbliebenen Geschäftsfelder zu investieren, hat die M&A-Fantasie im Sektor nochmals zugenommen. Dabei hat sich Eli Lilly (LLY 68.35 2.6%) bereits im April den Tiermedizinbereich von Novartis (NOVN 89.05 -0.34%) gesichert. Diese Transaktion setzt Bayer zusätzlich unter Druck, ihr eigenes Tierarzneigeschäft zu vergrössern. Als ein Übernahmeziel für Bayer gilt die frühere Tiermedizinsparte von Pfizer (PFE 30.2 0.94%), Zoetis (ZTS 40.16 -0.17%), die der US-Konzern im Frühjahr 2013 abgespalten und an die Börse gebracht hat. Daneben spielt aber auch die Kritik an dem hohen Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht eine grosse Rolle. Hersteller von immunstärkenden Futtermittelzusatzstoffen, wie beispielsweise Phibro Animal Health, dürften in Zukunft Marktanteile gewinnen. Dank der guten Positionierung in Südamerika und einer zu erwartenden Produktzulassung in China sollte Phibro überdurchschnittlich an der aktuell guten Wachstumsdynamik partizipieren.

Gibt es weitere Branchen, die von tieferen Preisen betroffen sind?
Man spricht davon, dass viele Bauern wegen der geringen Preise ihre Ware zurückhalten. So sollen in Europa 50% der Getreideernte noch nicht auf den Markt gebracht worden sein. Kommen die Waren schliesslich auf den Markt, ist das positiv für Agrarlogistiker, etwa den Agrarguthändler Bunge oder den US-Konzern Archer Daniels Midland. Hier sehe ich Impulse für die nächsten zwei Quartale. Im Fall von Archer Daniels Midland steht allerdings der Beweis noch aus, dass sie nach der sehr teuren Akquisition von Wild Flavors wirklich eine vernünftige Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielen kann.

Auf welche langfristigen Trend setzen Sie neben diesen zyklischen Entwicklungen?
Ein Beispiel für ein langfristigen Engagement ist Viscofan, ein spanischer Hersteller von künstlichen Wurstpellen. Den Titel haben wir seit Jahren im Portfolio. Der dahinterliegende Trend ist immer noch intakt: Der Schweinekonsum in den Schwellenländern steigt stetig. Die Anlagen zur Herstellung der künstlichen Wurstpellen sind sehr kapitalintensiv, und damit gibt es hohe Eintrittsbarrieren für neue Konkurrenten in diesem Markt.

In welche Entwicklungen in den Schwellenländern investieren Sie noch?
Die Verstädterung in Asien sorgt für eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. Darunter fällt ein steigender Bierkonsum. Das sieht man in Vietnam, und es fängt auch schon in Myanmar an. Wir sind deswegen in Thai Beverage investiert. Das war der zuletzt am besten laufende Titel in unserem Fonds mit einem Plus von über 35% seit Jahresanfang. Ein anderer Trend für die nächsten Jahre ist der steigende Konsum von Kaffee (Kaffee 1.814 -0.55%). Hier ist der Instantkaffeeproduzent Super Group wieder interessant, nachdem der Kurs deutlich zurückgekommen ist. Das Unternehmen mit Sitz in Singapur ist in ganz Asien aktiv, unter anderem auf den Philippinen, in Vietnam und Myanmar.

In Asien ist auch ein wachsender Konsum von Milch (Milch 21.76 0.05%) zu beobachten. Wie steht es mit diesem Markt?
Hier gibt es generell einen Nachfrageüberhang. Russland hat allerdings im Zuge des Ukrainekonflikts Importsanktionen verhängt. Da das Land ein wichtiger Käseimporteur ist, kamen dadurch die Milchpreise in Europa unter Druck. Die Nachfrage aus Asien stützt aber das Preisniveau. Wegen der kurzfristigen Delle haben wir das Exposure etwas abgebaut. Wir halten aber weiterhin den Nahrungsmittelkonzern Glanbia, der Milchpulver nach China exportiert und zu den grössten Produzenten von Mozzarellakäse gehört. In den letzten zwei Jahren konnte der Titel über 40% zulegen. Glanbia ist auch wegen der Nahrungsergänzungssparte interessant. Das Unternehmen kann wegen seiner Grösse effizient die bei der Käseherstellung anfallenden Nebenprodukte vermarkten. Daraus werden etwa Fitnessgetränke gemacht. Dieser Sektor wächst schon seit Jahren im hohen zweistelligen Prozentbereich – völlig unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung.

Gibt es neben dem Milchsektor weitere Opfer der russischen Sanktionen?
Wir haben auch unser Engagement im Fischbereich reduziert. Russland importiert keinen Lachs mehr aus Norwegen und Schottland. Erlaubt sind nur noch Importe von den Färöer Inseln und Gefrierlachs aus Chile. Das erhöht das Angebot in Europa und senkt den Preis. Unternehmen im Bereich der europäischen Fischzucht leiden darunter.

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