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07:03 Uhr - 09.10.2018

Vereinigte Staaten im Griff von Uber & Co.

Der amerikanische Arbeitsmarkt ist im Wandel. Der Anteil der selbständig Erwerbenden nimmt zu und stellt Statistiker und Politik vor Herausforderungen.

Einer von drei erwerbstätigen Amerikanern arbeitet in der Gig Economy. Das geht aus Umfragen unter anderem der amerikanischen Zentralbank und des Umfrageinstituts Gallup hervor. Zur Gig Economy werden Personen gezählt, die selbständig zeitlich beschränkte Aufträge erfüllen, sich also wie Musiker von Gig zu Gig hangeln. Das können Fahrer des Fahrdienstvermittlers Uber sein, aber auch Aushilfslehrer oder selbständige Grafiker.

Gemäss einer Studie der Freelance-Plattfom UpWork dürfte in zehn Jahren jeder zweite Arbeitnehmer der Gig Economy zuzurechnen sein. Denn bei den Millennials – der Generation mit den Jahrgängen von 1982 bis 2000 – ist dies bereits heute der Fall. Die selbständig Erwerbstätigen gab es zwar schon immer. Das Aufkommen von Vermittlungsplattformen wie Uber (Fahrdienst), Airbnb (Immobilien) und TaskRabbit (Arbeitskräfte aller Art) hat diesen Prozess aber beschleunigt.

Viele Varianten

Gemessen am Gesamtmarkt schätzt Gallup den Anteil der Stellen, die von diesen Online-Plattformen vermittelt werden, auf 7%. Er ist zwar noch überschaubar, hat sich gemäss einer Studie der Grossbank JPMorgan Chase (JPM 115.32 0.61%) in den vergangenen vier Jahren aber vervierfacht. Wobei mehr als die Hälfte dieser Menschen im Transportbereich arbeitet.

Laut Gallup besitzt jeder vierte Arbeitnehmer, der selbständig arbeitet, noch eine Stelle bei einem Arbeitgeber. Das kann beispielsweise der Lehrer sein, der über Airbnb ein Zimmer (ZBH 127.37 -0.95%) vermietet, oder der Buchhändler, der Uber fährt. Selbständig ist in der Gig Economy indes nicht gleich selbständig. Beispielsweise kann der selbständige Grafiker selbst bestimmen, welche Aufträge er zu welchen Preisen übernimmt. Der Uber-Fahrer ist hingegen an die Bedingungen der Plattform gebunden, und der Aushilfslehrer muss dann zur Stelle sein, wenn es eine Lücke zu füllen gibt.

Die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen stellen das Statistikamt vor Herausforderungen. Als nämlich das Arbeitsamt BLS (BLSN 0.7 -2.78%) analysierte, wie gross der Anteil derer Arbeitsmarkt ist, die selbständiger Arbeit nachgehen, kam es mit 10% auf ein deutlich niedrigeres Ergebnis als Gallup und sah auch keinen steigenden Trend.

Eine Studie des National Bureau of Economic Research kam zum Schluss, dass der Fragenkatalog des BLS nur ungenügend geeignet ist, den Trend zur Gig Economy wiederzugeben. Bestätigt wird dieses Fazit auch von Steuerdaten. So ist die Zahl der Steuererklärungen, die üblicherweise von selbständig Erwerbenden eingereicht werden, in den vergangenen Jahren schneller gestiegen als diejenige von Festangestellten. Unterschätzt das BLS das Phänomen der Gig Economy, dann überschätzt es gleichzeitig die Produktivität der US-Wirtschaft. Denn der Input Arbeitsstunden würde zu tief angesetzt werden.

Politik spielt mit

Der Hauptgrund, einem Gig-Job nachzugehen, ist gemäss dem Federal Reserve der Zusatzverdienst. Nur für jeden Sechsten ist dies die Haupteinnahmequelle. Reich zu werden mit Uber & Co., ist schwierig. Der Think Tank Economic Policy Institute hat errechnet, dass der durchschnittliche Stundenlohn eines Uber-Fahrers abzüglich der Nebenkosten 10.87 $ die Stunde beträgt. Das entspricht in gewissen Staaten nicht einmal dem Mindestlohn. In New York beträgt dieser beispielsweise 13 $. Die Analyse von JPMorgan Chase zeigt zudem, dass Personen, die für Fahrdienstvermittler arbeiten, immer weniger verdienen. Der Betrag hat sich in fünf Jahren halbiert.

Die niedrigen Löhne in der Gig Economy sind auch ein Teil der Erklärung, weshalb das Wachstum der durchschnittlichen Stundenlöhne in den USA trotz rekordniedriger Arbeitslosigkeit überschaubar ist. Im September ist die Arbeitslosenquote 0,2 Prozentpunkte auf 3,7% gesunken. So niedrig war sie zuletzt vor fast fünfzig Jahren. Gleichzeitig ist das Lohnwachstum leicht zurückgegangen, auf 2,8%.

Wegen des Aufkommens der Gig Economy hat sich auch die Politik eingeschaltet. In New York, wo sich die Zahl der Fahrten mit Uber & Co. in den vergangenen drei Jahren versechsfacht hat, wurde die Zahl der Fahrzeuge, die für Fahrdienstvermittler unterwegs sein dürfen, für ein Jahr eingefroren. Zudem wird derzeit diskutiert, einen Mindestlohn für Fahrer von Uber & Co. einzuführen. Im Raum steht ein Bruttolohn von 15 $ pro Stunde. Denn der Mindestlohn gilt nur für Festangestellte, nicht jedoch für Selbständige. Zu welcher Kategorie Uber-Fahrer gehören, wird derzeit ebenfalls debattiert.

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