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12:10 Uhr - 22.06.2015

Der Brahmane mit dem Gefühl für Strümpfe

Seit Januar ist der gebürtige Inder Ashish Sensarma CEO von Wolford. Er möchte den Strumpfhersteller endlich auf die Gewinnstrasse führen und dabei dessen Kultur verändern.

Ein Inder als Chef eines Damenstrumpfherstellers ist eine ungewöhnliche Konstellation. Denn in Indien verdecken Frauen in der Regel ihre Beine. «Ich  trage keine Strümpfe», lacht Ashish Sensarma, «aber meine Socken stammen von Wolford (WOL 22.9 1.13%) (WOL 22.8 -0.44%).» Dabei zieht er seine Hosenbeine hoch und zeigt stolz die schwarzen Herrensocken. Doch solche Socken sind bei Wolford nur ein Nischenprodukt. «Wolford ist eine weibliche Marke.» Das Bregenzer Unternehmen fokussiert sich vor allem auf Strumpfwaren. Sensarma möchte Wolford auch nicht nach Indien bringen. «Der Luxusmarkt ist dort klein.» Entscheidend für ihn sind die europäischen und die amerikanischen Märkte.

In Kalkutta wurde der 55-Jährige in der Kaste der Vaidy-Brahmanen geboren. Sie bilden massgeblich die intellektuelle Elite Indiens, der viele Ärzte zugerechnet werden. Aufgewachsen ist er in Delhi. Schon im Alter von fünfzehn Jahren hat er Indien verlassen, studierte in Massachusetts (USA) Business Administration und liess sich dann in den Niederlanden nieder, wo er sich einbürgerte. Noch immer wohnt der Vater von zwei erwachsenen Söhnen in der Nähe von Den Haag. Derzeit sucht er aber einen zweiten Wohnsitz in Bregenz, dem Konzernsitz von Wolford. Dort wird auch der Grossteil der Produkte hergestellt.

Deutsch in zehn Tagen

Nun will der neue CEO Deutsch lernen. In nur zehn Tagen spreche er Deutsch, glaubt er. Dabei besucht er dieselbe Schule wie die Gemahlin des niederländischen Königs. «Sie ist Argentinierin und hat in zehn Tagen Holländisch gelernt.» Da Sensarma fliessend Holländisch spricht, sollte das Deutschlernen für ihn kein Problem sein. Trotzdem bleibt er seinen indischen Wurzeln treu. So ist der Hindu auch Präsident der indischen Community, die in Holland zahlreich ist, und unterstützt erzieherische Projekte für unterprivilegierte Kinder in Indien. Regelmässig praktiziert er Yoga. Ein gesundes Leben zu führen, ist ihm wichtig. Vor zehn Jahren hat er zwei Päckchen Zigaretten pro Tag geraucht und dazu Unmengen Kaffee (Kaffee 131.705 0.04%) getrunken. Nun trinkt er Tee und hat das Rauchen ganz aufgegeben.

Wolford kennt Sensarma durch seine Frau, die seit mehr als 22 Jahren nur diese Marke trägt. «Einmal Wolford, immer Wolford.» Der Markenspezialist hat Grosses vor: «Ich will die Kultur bei Wolford verändern.» Wolford sei ein Retailer im Luxussegment. Bisher habe der Strumpfhersteller aber zu stark auf den Grosshandel gesetzt und zu wenig auf den Detailhandel mit eigenen Shops. Er will den Onlinekanal ausbauen und den visuellen Auftritt mit schöneren Schaufenstern verbessern. Gleichzeitig möchte er die Anzahl Produkte und das Lager verkleinern. Alle zwei Monate soll aber ein neues Produkt in den Filialen gezeigt werden. Sensarma ist Marketingspezialist, der sein Handwerk bei Mexx gelernt hat. Für den niederländischen Modekonzern hat er über zwanzig Jahre in führenden Stellungen gearbeitet.

Zurück zur Swimwear?

Bei dieser Hitze tragen nur wenige Frauen Strümpfe. Und von Swimwear hat sich Wolford verabschiedet. Doch vielleicht kommt Sensarma auf diesen Entscheid zurück, wie er erklärt. Schliesslich hat er die Luxus-Bademarke Vilebrequin mit aufgebaut.

Wolford steckt im Turnaround. In den letzten Jahren schrieb der Strumpfhersteller Verluste. Die «Lady-Aktien» dümpelten lange dahin. Das Geschäftsjahr 2014/15, das Ende April endete, werde aber einen positiven Betriebsgewinn (Ebit) ausweisen. Die Zahlen werden erst im Juli publiziert. Unrentable Boutiquen wurden geschlossen, das Marketing verstärkt und eine Zusammenarbeit mit Starfotograf Mario Testino beschlossen. Solche Massnahmen leiteten den Turnaround ein.

Wolford setzt auf Fair Fashion. Die Produkte werden nicht in asiatischen Sweatshops, sondern in Österreich und zum Teil auch in Slowenien hergestellt. «Das ‹Made in Europe› wurde bisher sträflich vernachlässigt», sagt Sensarma. Das soll sich jetzt gründlich ändern.

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