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12:39 Uhr - 08.12.2014

Boom auf brüchigem Boden

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt vor der zunehmenden Fragilität der Rekordjagd an den Börsen. Deren Schwungkraft hänge von jedem Wort der Notanbanker ab.

Ob Dax oder S&P 500 (SP500 2075.37 0.17%), die Märkte überbieten sich derzeit wieder mit Rekordnotierungen. Wie die untenstehende Abbildung zeigt, dauert der Boom bei Risikoanlagen schon seit Jahren an. Auch am Bondmarkt sinken die Kreditrisikoprämien (Credit Spreads). Nicht so recht ins Bild passen will dazu, dass auch die langfristigen Renditen von Staatsanleihen sinken, was steigenden Kursen entspricht. In einem risikofreudigen Marktumfeld sollte diese Anlageklasse – mit Ausnahme von Schwellenländern, die als riskanter gelten und einen Renditeaufschlag bieten – weniger begehrt sein.

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Dass etwas nicht stimmt, zeigt auch die Volatilität, also die Schwankungsbreite der Kurse und Renditen. Die Volatilität war Mitte Oktober plötzlich hochgeschossen, ein Zeichen dafür, dass die Risikobereitschaft der Anleger urplötzlich in Nervosität und Angst umgeschlagen war. Das Vertrauen darauf, dass die Kurse ungestört weiter steigen, scheint also nicht so gross, wie es die Notierungen glauben machen könnten.

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Was geht hier vor? Wenig beruhigend ist die Diagnose der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem am Sonntag veröffentlichten Quartalsbericht. Für sie steht der Boom der Börsen auf sehr dünnem Eis, und es könnte immer dünner und brüchiger werden.

Dünnes Eis, dünner Handel

Grund für die Nervosität im Oktober die Unsicherheit über das Wachstum der Weltwirtschaft, über den geldpolitischen Kurs der wichtigsten Notenbanken sowie mehrere geopolitische Krisenherde, etwa in der Ukraine, in Syrien und im Gazastreifen. Als der Verkaufsdruck zunahm, trocknete die Liquidität an den Märkten zeitweise aus, was die Volatilität abermals verstärkte. Die Käufer am Markt sind also schnell weg, wenn sie von Verkäufern gesucht werden. Auf die dünne Liquidität – vor allem am Bondmarkt – hatte schon der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einigen Monaten als eines der grössten Risiken hingewiesen (vgl. hier).

Als die Zentralbanken ihre Geldpolitik abermals lockerten, verflüchtigten sich die Sorgen an den Finanzmärkten wieder. Während die US-Notenbank ihr drittes Wertschriftenkaufprogramm (Quantitative Easing, QE) beendete, hätten vor allem die Bank of Japan (BoJ) und die Europäische Zentralbank (EZB) eine Erhöhung der Liquidität durch die Expansion ihrer Bilanz vorangetrieben. Dieses Auseinanderdriften der Geldpolitik habe entsprechend zu einer Abwertung von Euro und Yen im Vergleich zum Dollar geführt. Die Marktschwankungen seien noch ausgeprägter gewesen als jene im August, erklärt die BIZ. Und schon damals war das Muster dasselbe: Die Phase der Unsicherheit von erneut boomenden Märkten abgelöst worden.

Es ist eben dieses manisch-depressive Muster der Börsen in Abhängigkeit von versprochener oder bereits fliessender Notenbankliquidität, das der BIZ Kopfzerbrechen macht. Die «Zentralbank der Zentralbanken» mit Sitz in Basel schliesst daraus, dass der aktuellen Hochstimmung am Markt «mehr als nur ein bisschen Unsicherheit» zugrunde liege.

«Fragilität wird noch zunehmen»

BIZ-Chefökonom, Claudio Borio, bringt es so auf den Punkt: «Die Auftriebskraft an den Börsen steht und fällt mit jedem Wort und jeder Tat der Notenbanken.» Die totale Abnormität der Geldpolitik sei beängstigend normal geworden. Und Borio geht davon aus, dass die Fragilität weiter zunimmt.

Die Renditen dreijähriger Staatsanleihen liegen in Deutschland klar unter null, fast auf null in Japan und unter 1% in den USA. Und neuste Schätzungen zeigen, dass der Markt weiter sinkende Renditen einpreist. Gleichzeitig nähere sich das Weltwirtschaftswachstum real, also teuerungsbereinigt, dem historischen Durchschnitt. Borio: Wenn das Undenkbare zur Routine wird, dann stimmt etwas nicht. Denn normalerweise zeigen sinkende Renditen, dass der Markt ein sinkendes Wirtschaftswachstum erwartet.

Neue Probleme für Schwellenländer

Nicht nur in der divergierenden Politik der Zentralbanken, sondern auch in der scharfen Korrektur des Ölpreises und – in geringerem Ausmass – anderer Rohstoffmärkte sieht die BIZ Anzeichen eines wachsenden Ungleichgewichts an den Finanzmärkten. Der Rückgang des Rohölpreises um 40% seit Juni sei der drittgrösste in den vergangenen fünfzig Jahren. Dazu kommt, dass sich der makroökonomische Ausblick abgeschwächt habe. Dies gelte vor allem für die Eurozone, aber auch für China.

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Der grösste Teil des Erdölpreisabsturzes sei zwar nicht auf die Wachstumsschwäche, sondern auf einen überraschenden Anstieg des Angebots zurückzuführen, was die globale Erholung unterstützen sollte. Doch das sind nicht nur gute Neuigkeiten. Die BIZ weist darauf hin, dass es auch Verlierer geben werde und sich die Verletzlichkeit einiger Länder noch erhöhen könnte.

Vor allem Schwellenländer könnten von den tiefgreifenden Veränderungen betroffen sein, nachdem sie von den Schwankungen im Oktober noch kaum erfasst worden waren. Staaten, die vor allem vom Rohstoffexport abhängen könnten zusätzlich unter Druck kommen, wenn der Dollar weiter aufwerten sollte, da sie sich vor allem in der US-Valuta in den vergangenen Jahren verschuldet haben.

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