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07:55 Uhr - 11.11.2014

Obamas grosse Chance

So festgefahren in Washington die politischen Fronten nach den jüngsten Kongresswahlen auch sind, für Handelsabkommen gilt das nicht. Die Zeichen stehen nun besser, dass sie zum Abschluss gebracht werden.

Trotz der verheerenden Wahlniederlage der Demokraten sind Obamas Chancen deutlich gestiegen, Handelsverträge mit der Europäischen Union (EU) und elf Staaten des asiatisch-pazifischen Raums erfolgreich abzuschliessen. In seinem ersten Telefonat mit dem Präsidenten nach den Wahlen sagte Mitch McConnell, der ab Januar der neue Mehrheitsführer im Senat sein wird: «Bring uns die Verträge, wir sind die Partei der Freihandelsanhänger und werden sie zu einem Abschluss zu bringen.» Durchaus akkurat weist McConnell darauf hin, dass es zuletzt Demokraten waren, die der vom Weissen Haus angestrebten Handelsliberalisierung im Weg standen.

Während der Präsident diese Woche seine Asienreise nutzen wird, um die Gespräche dort voranzutreiben, werden die Anstrengungen auf dem Kapitolshügel zunächst einer Vereinbarung mit der EU gelten. Die Republikaner glauben zum einen, dass die Verabschiedung der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) deswegen schwieriger sein wird, weil Gewerkschaften dadurch ein stärkeres Absinken der Arbeits- und Sozialstandards wie auch der Umweltvorschriften befürchten.

US-Unternehmen hingegen stehen Vereinbarungen mit Ländern skeptisch gegenüber, die ihren Wechselkurs manipulieren. Zudem haben Politiker in Washington registriert, dass in Europa wachsende Kritik an der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) laut wird und folglich auch mit zunehmendem politischen Widerstand zu rechnen ist, von einflussreichen Liberalisierungsgegnern in den USA ganz zu schweigen.

Schnellverfahren erhöht die Chancen

Die wichtigste Voraussetzung für den Abschluss eines oder auch mehrerer Abkommen ist die Genehmigung der sogenannten Trade Promotion Authority (TPA) für den Präsidenten, auch als Fast-Track-Autorität bekannt. Das Fast-Track-Mandat würde Obamas Aussenhandelsbeauftragten Michael Froman und dessen Unterhändler ermächtigen, Verträge ohne Aufsicht des Kongresses auszuhandeln. Sie würden dann als fertiges Produkt beiden Kammern zur Abstimmung vorgelegt. Ohne Veränderungen vorzunehmen, müsste das Parlament dann die Gesetzentwürfe entweder genehmigen oder zurückweisen.

Historisch gesehen ist der Einsatz des Verhandlungsinstruments in der Regel von Erfolg gekrönt. Sowohl die nordamerikanische Freihandelszone Nafta als auch zahlreiche regionale Abkommen konnten Präsidenten von Bill Clinton bis Barack Obama, dessen befristetes Mandat 2012 ablief, durch den Kongress bekommen.

Der Handelsexperte Bill Watson vom Think Tank Cato Institute in Washington ist überzeugt, dass die Republikaner trotz des Widerstands, den misstrauische Tea-Party-Republikaner leisten werden, Obama mit der Vollmacht ausstatten werden. «Beide Parteien wollen in der anstehenden Legislaturperiode Erfolge vorweisen, und TPA wird die besten Voraussetzungen schaffen, um zumindest ein grosses Abkommen unter Dach und Fach zu bekommen.» Die besten Chancen für das US-europäische Abkommen, das nach Obamas Darstellung den Export beflügeln und «mehrere hunderttausend neue Arbeitsplätze» schaffen würde, bestünden während der ersten Monate des 114. Kongresses. Nicht zuletzt deswegen, weil danach potenzielle Präsidentschaftskandidaten wieder rigoros regierungsfeindliche Positionen einnehmen könnten.

Zwischenzeitlich wächst aber auch der Widerstand in einigen US-Industriebranchen. So wird die Agrarwirtschaft weiter auf der Aufhebung des europäischen Einfuhrverbots für hormonbelastetes Fleisch beharren und will auch für den Export designierte Hühner mit Chlorbädern desinfizieren. Ferner sind einige multinationale Konzerne, die an Direktinvestitionen in Europa denken, über die Zukunft möglicher Investorenschutzklauseln besorgt. Ablehnend stehen verschiedene Branchen auch einheitlichen Industriestandards gegenüber, da diese ihnen angeblich unzumutbare Kosten aufbürden und Gewinnmargen drücken würden. «Leicht wird es nicht sein», meint der alte und voraussichtlich auch künftige republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, John Boehner. «Möglich ist ein Abkommen aber, und je schneller wir handeln, desto grösser sind die Chancen.»

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