Zurück zur Übersicht
14:46 Uhr - 18.10.2016

Der Iran ist noch eine geschlossene Veranstaltung

Das Finanzsystem hat sich kaum geöffnet. Ausländer bleiben der Börse noch fern. Doch die Exporte steigen, die Hoffnungen für die Zukunft sind gross.

Allem Optimismus zum Trotz: Die Aufhebung von Sanktionen zum Jahresbeginn hat an der Börse Teheran nur ein Strohfeuer entfacht. Von Mai bis September verlor der Leitindex fast 5% und schloss auf einem Fünfmonatstief. Er liegt damit gut ein Siebtel unter dem Allzeithoch aus dem Jahr 2014.

Die Gründe für das schwache Abschneiden liegen nach Einschätzung der iranischen Finanzgruppe Turqoise Partners vor allem in geringen Fortschritten bei der Anbindung iranischer Banken an das internationale Finanzsystem und der noch grossen Lücke zwischen dem offiziellen und dem Schwarzmarktkurs des Rials. Der offizielle Wechselkurs (1 $ entspricht etwa 31 000 Rial) weicht von dem auf dem Schwarzmarkt um etwa 15% ab.

Überweisungen möglich

Zwar ist der Zugang zum Zahlungssystem Swift, über das weltweit rund 90% aller internationalen Zahlungen abgewickelt werden, nach der teilweisen Aufhebung der Sanktionen prinzipiell offen für iranische Banken. Allerdings sind die meisten Kreditinstitute noch sehr zurückhaltend bei der Abwicklung von direkten Zahlungen mit dem Iran. Touristen, die in einem Basar einen Teppich bargeldlos erwerben möchten, wickeln die Transaktion beispielsweise über den Umweg Dubai ab.

Während die Anbindung der iranischen Banken an das internationale Finanzsystem kaum fortgeschritten ist, sieht Turqoise Partners dagegen deutliche Fortschritte bei der iranischen Wirtschaft und im Aussenhandel. Bis Mai stiegen die Stahlausfuhren 51%, und der Rohölexport erreichte im August mit einem Plus von 15% den höchsten Stand seit fünf Jahren.

Inflation in Griff bekommen

Derzeit liegt die Inflationsrate bei etwa 11% – eine Verbesserung gegenüber den Preisschüben in den Neunzigerjahren. Die Arbeitslosenquote wird von der amtlichen Statistik mit etwa 11% angegeben, dürfte tatsächlich aber deutlich höher liegen. Der Handel mit Deutschland ist nach Aussagen der Deutsch-Iranischen Handelskammer im ersten Halbjahr um rund 15% gewachsen und erreichte 1,1 Mrd. €.

Grundsolide sind die Staatsfinanzen. Im Jahr 2014 lag die Nettostaatsverschuldung bei nur 1,1% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Im Aussenhandel wird in der Regel ein komfortables Plus ausgewiesen. Zusammen mit den noch eingefrorenen Geldern von etwa 100 Mrd. $ ist der Iran gar ein Nettogläubiger.

Ob Irans Wirtschaftswachstum die für die kommenden Jahre erwarteten 6% erreichen wird, hängt davon ab, ob die von Präsident Hassan Rohani eingeleitete Öffnung des Landes fortgesetzt wird oder konservative Kräfte erneut die Oberhand gewinnen. Mit Rohanis gemässigtem Kurs ist der Iran bereits in Vorleistung gegangen, was das Atomabkommen betrifft.

Die Bürger erwarten jetzt einen wirtschaftlichen Aufschwung und mehr Freiheiten im Alltag. Auf den Plätzen in Isfahan oder in den Kaffeehäusern Teherans wird der westliche Einfluss auf das Leben der Iraner immer deutlicher. Junge und gut ausgebildete Iraner würden die Zwänge seit der Revolution von 1979 gerne abstreifen. Ein Zeichen davon: die stark nachgefragten Nasenoperationen und der immense Bedarf an Kosmetik.

Die lange Abschottung des Landes führte zu weniger Wettbewerbsfähigkeit, vor allem der Banken. In den vergangenen Jahren wurde die Produktivität kaum gesteigert, bei wirtschaftlicher Freiheit und Korruptionsbekämpfung nimmt der Iran einen Platz im hinteren Mittelfeld ein.

Trotz umfangreicher Privatisierungsmassnahmen in den vergangenen Jahren beherrschen religiöse Stiftungen und staatlich dominierte Organisationen noch bis zu 80% der iranischen Wirtschaft.

Wohin die Reise des einstigen Perserreiches geht, lässt sich aber kaum abschätzen. Selbst intime Kenner der iranischen Verhältnisse trauen sich keine Aussage über den künftigen Kurs des Landes zu. Wer durch das Land reist, spürt allerdings die Aufbruchstimmung und den Drang nach Wohlstand und Freiheit.

Für Anleger ist es jedoch noch schwierig, an dem Aufbruch teilzuhaben (vgl. Textbox unten). Ausländer halten weniger als 1% der iranischen Aktien. Die Titel sind weder in Indizes der Schwellenländer noch der Frontier Markets zu finden.

Börse Teheran im Dornröschenschlaf

Irans Aktienmarkt befindet sich in einem Dornröschenschlaf. Nach Angaben von Ghordon B. Adabi, Experte an der Börse Teheran für das Emissionsgeschäft, beträgt die Marktkapitalisierung etwa 100 Mrd. $. Sie ist seit 2002 um das Sechsfache gestiegen. Die Rendite über die letzten zehn Jahre lag nach Angaben von Turqoise Partners auf Dollarbasis im Mittel bei rund 10% pro Jahr. Das tägliche Handelsvolumen ist mit durchschnittlich 78 Mio. $ aber gering.

zoomObwohl die Börse bereits vor zwei Jahren auf internationalen Anlegermessen um Investoren warb, dürfte der Ausländeranteil von weniger als 1% nicht rasant steigen. Dabei steht die Börse Ausländern offen. Doch Probleme beim Geldtransfer, die umständliche Prozedur bei der Kontoeröffnung sowie die Wahl eines Brokers stellen für Europäer eine Hürde dar. Für Amerikaner ist das nach wie vor ganz ausgeschlossen. Eine indirekte Anlage über die von Turqoise aufgelegten Iranfonds oder ETF ist wegen der fehlenden Ucits-Zulassung schwierig.

Die Bewertung erscheint auf den ersten Blick sehr günstig. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit 7 deutlich unter dem Niveau von etwa 15 in den Emerging Markets. Auch die zweistellige Dividendenrendite, die im Iran nicht besteuert wird, erscheint attraktiv. Die günstige Bewertung ist jedoch dem Risiko in der Region und der nicht vergleichbaren Rechnungslegung geschuldet.

«Iran-Fonds bald eröffnen»Keine Angst vor dem Iran. Helga Kern, Partnerin beim Zürcher Analysehaus KK Research, hat das bewiesen: «Ich war unter den ersten fünf ausländischen Anlegern, die eine Handelslizenz für die Börse bekamen», erzählt sie. «Ich habe von der Aufhebung der Sanktionen gehört, bin in den Iran geflogen und wollte ausprobieren, wie leicht man Aktien handeln kann.»

Aus diesem ersten Ausprobieren entstand eine Idee: einen Fonds auf iranische Anlagen zu eröffnen. Erste lokale Angestellte im Iran wurden angeheuert. Die Deutsch und Farsi sprechende Nana Movassaghi wurde als Partnerin gewonnen. Das Interesse sei da, konstatiert Kern: «Von Kunden haben wir selten so gutes Feedback auf ein Angebot bekommen.» Doch Anlegen im Iran hat Tücken: «Wir arbeiten schon sechs Monate daran, den Fonds zu eröffnen», sagt Kern. Es dauert länger als erwartet, EU-Vorgaben zu erfüllen – KK Research will nicht den einfacheren Weg eines Offshore-Fonds gehen.

Kern führt aus: «Schon allein Geld zu überweisen, ist nicht einfach.» Auch brauche es Erfahrung, wie man eine Handelslizenz bekommt. Zudem sei das Research der lokalen Banken ungenügend: «Es bezieht sich oft nur auf vergangene Daten und erstellt kaum Prognosen», sagt Kern. Daher brauche es eigene Analysen.

Nana Movassaghi, promovierte Ökonomin, schätzt islamische Anleihen – Sukuks – als attraktiv ein. «Sie bieten eine Rendite von 18 bis 20%», sagt sie. Wegen des Zinsverbots im Islam sind die Bonds kein reiner Kredit; Gläubiger sind an einem darunterliegenden Vermögenswert beteiligt. Da die Inflation gegen 10% gesunken ist, sind diese Zinsen auch nach Abzug der Teuerung interessant.

Viele Firmen an der Börse Teheran werden gar nicht gehandelt. «Sie wurden nur an die Börse gebracht, um einen Steuervorteil zu sichern», sagt Movassaghi. Die Zahl der für Anleger zugänglichen Titel werde aber steigen: «Der Staat bereitet Neuplatzierungen von Staatsunternehmen vor, um Geld für den Etat zu beschaffen.»
Helga Kern (l.) und Nana Movassaghi (r.) wollen für Kunden im Iran investieren. Bilder: ZVG

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.