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18:30 Uhr - 19.11.2015

SNB:«Negativzins funktioniert bemerkenswert gut»

Andréa Maechler hält ihre erste Rede als Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB): Die Geldpolitik basiere derzeit auf zwei Säulen und sei wirkungsvoll. Ob Ende Jahr in der Bilanz ein Verlust resultiere, bleibe offen.

Andréa M. Maechler Bild: ZVG«Unsere auf zwei Säulen basierende Geldpolitik erweist sich als wirksam», sagt Andréa Maechler. Sie ist seit Mitte Jahr Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Der Negativzins habe den Franken weniger attraktiv gemacht, und die Interventionen am Devisenmarkt hätten sich im Sommer bewährt, als die griechische Regierung ein Referendum über den Rettungsplan ankündigte und die Unsicherheit an den Finanzmärkten zunahm.

Maechler hielt die erste öffentliche Rede in ihrem neuen Amt am traditionellen Geldmarktapéro am Donnerstagabend in Genf – ihrer Geburtsstadt, wie sie erwähnte. Sie wurde im Dezember 2014 vom Bundesrat zum Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums ernannt und trat das Amt im Juli 2015 an, als Jean-Pierre Danthine altershalber zurücktrat. Maechler leitet das dritte Departement, das für Operationen auf dem Geld- und dem Devisenmarkt zuständig ist.

Negativzins befeuert Immobilienmarkt nicht

Der Negativzins habe «als Massnahme bemerkenswert gut funktioniert», stellt Maechler fest. Am Geld- und Kapitalmarkt hätten sich die Zinsen über alle Laufzeiten nach unten verschoben, ohne dass es zu Marktverwerfungen gekommen sei. Bei den Anleihen der Eidgenossenschaft seien die Renditen bis zu einer Laufzeit von dreizehn Jahren negativ.

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Bei den Hypothekarzinsen hingegen sei der Rückgang weniger stark. Längerfristige Hypotheken würden «zuletzt sogar leicht höher» verzinst als zu Jahresbeginn. Der Grund liege darin, dass die Refinanzierungskosten der Banken nicht im gleichen Ausmass wie die Geldmarktzinsen zurückgegangen seien. Als Folge seien die Zinsmargen der Banken unter Druck geraten.

Um diesen Effekt teilweise zu kompensieren, hätten Banken ihre Hypothekarzinsen erhöht. «Befürchtungen, wonach der Negativzins die Vergabe von Hypothekarkrediten weiter beflügeln könnte, haben sich somit bisher als unbegründet erwiesen.»

Verkehrte Welt am Devisenmarkt

Am Devisenmarkt habe sich die Lage noch nicht normalisiert. Maechler erläutert, der traditionelle Überschuss im Aussenhandel sei in der Vergangenheit durch private Kapitalabflüsse kompensiert worden – der Exportüberschuss stärkte den Franken und der Kapitalabfluss schwächte ihn, per saldo wertete sich der Franken langsam auf. Seit der globalen Finanzkrise habe sich jedoch der Kapitalabfluss in einen Zufluss verwandelt. Maechler: «Ich möchte betonen, dass der Franken auf dem aktuellen Niveau nach wie vor deutlich überbewertet ist.»

Ursache für die Umkehr der Kapitalflüsse seien veränderte Präferenzen der Investoren. «Während sich die weltwirtschaftlichen Bedingungen verbessert haben, ist die Unsicherheit nach wie vor gross.» Das habe einige Anleger veranlasst, sich für die relative Sicherheit des Frankens zu entscheiden. Dies gelte auch für inländische Investoren, darunter grosse institutionelle Anleger, die zum Teil ihr Vermögen und ihren Anlageertrag repatriiert hätten.

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Maechler folgert, der Franken werde voraussichtlich so lange unter Aufwertungsdruck bleiben, bis sich die Präferenzen der Investoren normalisiert haben. «Die Zahlen des zweiten Quartals 2015 lassen auf eine Rückkehr zu Nettokapitalabflüssen schliessen, wobei diese Entwicklung zweifellos durch den Negativzins begünstigt wurde. Ob dies einen neuen Trend darstellt, lässt sich jedoch heute noch nicht sagen.»

Verlust im Geschäftsjahr 2015?

Durch die – mit und ohne Franken-Euro-Mindestkurs – seit Frühling 2009 durchgeführten Interventionen am Devisenmarkt hat sich der Fremdwährungsbestand in der Bilanz markant erhöht. Maechler erklärt: «Eine Folge der höheren Bilanzsumme sind ausgeprägtere Schwankungen bei den Geschäftsergebnissen.» In den ersten drei Quartalen dieses Jahres habe die SNB einen vorläufigen Verlust von 34 Mrd. Fr. erlitten. Grund dafür seien vor allem die Bewertungseffekte nach der Aufhebung des Mindestkurses.

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Eine Prognose für das Gesamtjahr stellt Maechler nicht: «Es ist immer noch zu früh, um Rückschlüsse auf das Jahresergebnis 2015 zu ziehen, besonders angesichts des gegenwärtig unsicheren internationalen Umfelds.»

Die Erwirtschaftung und Ausschüttung von Gewinnen sei nicht der Zweck der SNB, sondern ihre Hauptaufgabe bestehe darin, eine Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes zu betreiben. Die geldpolitische Aktivität habe direkte Auswirkungen auf die Bilanz der SNB. «Dies bedeutet, dass es in einzelnen Jahren auch zu erheblichen Verlusten kommen kann.»

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