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16:17 Uhr - 11.06.2015

Pictet reitet auf der Aktienwelle

Die Genfer Privatbank Pictet hat den Aktienteil im ausgewogenen Portefeuille erhöht und will zyklischen Aktien mehr Gewicht einräumen. Chefanalyst Alfred Roelli wähnt die Weltwirtschaft auf Erholungskurs und sieht das Aktienhoch noch nicht erreicht.

Selten hat der Senior-Finanzanalyst Alfred Roelli von Pictet bei der Präsentation des Halbjahresausblicks ein so zuversichtliches Bild wie am Donnerstag gezeichnet. In der leidigen Griechenlandfrage rechnet Roelli mit einem Kompromiss, sodass das Thema für ihn keine neue Relevanz mehr hat. Für Europas Wirtschaft sieht er ermutigende Zeichen, dank der Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank, des derzeit schwachen Euros und des niedrigen Ölpreises. Nicht nur entwickelt sich der Aussenhandel positiv, auch die Konsumnachfrage nimmt zu, und die Beschäftigungslage insgesamt verbessert sich.

In Deutschland, für das der taumelnde Euro ein Geschenk sei, machten sich teils schon Überhitzungstendenzen bemerkbar. «Im Süden des Landes ist die Arbeitslosigkeit geringer als in der Schweiz», sagte Roelli. Die Schweiz werde den Frankenschock mit der Aufhebung des Euromindestkurses von Mitte Januar überwinden. «Wenn es eine Rezession gibt, dann ist sie technischer Natur.» Die Anpassungskräfte der Schweizer Wirtschaft seien gross, der Rückschlag damit temporär.

Aufhellung in der Eurozone

Ein Wachstum von 1,5 bis 2% in der Eurozone hält er mittelfristig für realistisch. Das liegt jedoch unterhalb des Potenzialwachstums. Weil aber auch die US-Wirtschaft, obschon auf dem Weg zum selbsttragenden Aufschwung, nicht ans Limit komme, sei am Ende die Wachstumsdifferenz zu Amerika gar nicht mehr so gross. Und weil sich die Währungen in Zukunft wieder stärker am Wachstum statt an den Zinsen orientierten, werde gegen Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres der Euro zum Dollar an Stärke gewinnen. «Dem Dollar geben wir noch 5 bis 10% Aufwärtspotenzial, dann ist der Wendepunkt erreicht und ein Euro-US-Dollar-Kurs von 1.20 €, was Parität wäre, bis 1.30 € nicht ausgeschlossen.»

In ein gesamthaft günstiges Licht rückt Roelli auch China, wo er eine sanfte Wirtschaftslandung erwartet. China ist deshalb von Belang, «weil sich das Land vom Aussenseiter zur tragenden Säule der Weltwirtschaft entwickelt und zusammen mit den USA über 50% des globalen Wachstums repräsentiert.» Die Bedeutung von China untermauert er mit dem Hinweis, das chinesische Wachstum von rund 870 Mrd. $ in diesem Jahr sei noch immer gross genug, um über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren eine ganze Volkswirtschaft von der Grösse Italiens zu schaffen.

Deflationsängste hält Roelli vor diesem weltwirtschaftlichen Hintergrund für verfehlt, davon abgesehen, dass es auch «gute» Deflation gebe. Das ist der Fall, wenn technischer Fortschritt die Kosten für Produkte sinken lässt. Gleichwohl wähnt er die Zinsen an einem Wendepunkt. Das sei keine Gefahr für die Wirtschaft, weil Unternehmen sich langfristig finanziert und somit die günstigen Kapitalkosten angebunden hätten.

Aktien würden höchstens vorübergehend belastet, denn der Treiber für Beteiligungspapiere sei Wachstum. Dass man auf steigende Zinsen schwächere Aktienmärkte erwarte, sei eine «Bauchreaktion». Der Blick auf die USA, wo voraussichtlich noch dieses Jahr die Leitzinsen angehoben werden, zeigt ein anderes Bild. Der beste Vergleich mit heute sei der mit 1993/94, sagt Roelli: Auch damals kam die Wirtschaft aus einer tiefen Krise heraus, und die Inflation war kein Problem. Der Aktienmarkt setzte nach kurzem Innehalten gemessen am S&P-500-Index seine Hausse von 450 im November 1994 auf knapp 1300 im Juni 2006 fort.

Heute bewegt sich das US-Aktienbarometer um 2100. Grund zur Beunruhigung? Nicht für Pictet. Für die Bank ist der Trend an den globalen Aktienmärkten weiter aufwärts gerichtet. Senior-Analyst Roelli zitiert die Anlegerlegende John Templeton: Bullenmärkte werden im Pessimismus geboren, wachsen in der Skepsis, reifen in Optimismus und sterben in der Euphorie. «Aktuell stehen wir ungefähr beim Komma vor dem Optimismus», erläutert er mit Verweis auf die Skepsis, die viele Investoren umtreibt. Eine massive Überhitzung macht er bei Festverzinslichen aus, während der Zufluss in Aktien im Dreissigjahrevergleich seit der Finanzkrise 2007/08 hinter dem Trend zurückbleibt (vgl. Chart). Eine weitere Bewertungsexpansion – «warum nicht mit KGV von 22, wie es sie auch schon gegeben hat» – (zurzeit sind es rund 17) ist für den Pictet-Spezialisten nicht unvorstellbar. Bis zum Tod der Aktie gehe es noch einige Jahre, meint er.

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Mitschwimmen bei Aktien, in Ufernähe bei Festverzinlichen

Vorsichtig wäre er demgegenüber bei Obligationen, zumal wenn es aufgrund eines Renditeanstiegs zu massiven Verkäufen kommen sollte. «Wegen der Regulierung sind die Bestände der Festverzinslichen bei den Geschäftsbanken über 70% zurückgegangen. Gleichzeitig haben sich die Bestände von Anlagefonds und Exchange Traded Funds (ETF) im Sog der Liquiditätsschwemme in den letzten sechs Jahren mehr als verdoppelt.» Die Konsequenz: Einer Verkaufswelle könnten die Märkte kaum trotzen, die vielgerühmte Effizienz sei eine Illusion. Auch wenn es nicht so weit kommen muss – für Pictet ist eine erhöhte Volatilität an den Bondmärkten in absehbarer Zukunft fast so sicher wie das Amen in der Kirche.

zoomWie spiegelt sich das im Anlagemix? Der Anteil der Festverzinslichen im ausgewogenen Portefeuille ist seit November 2014 von 31,9 auf 24,7% geschrumpft, vor allem durch den Abbau von US-Treasury-Positionen. Die Aktienquote ist von 48,9 auf 51% gestiegen, wovon 22,8% (vorher 20,3) auf Schweizer Titel entfallen (vgl. Tabelle). Defensive Werte überwiegen  noch, wie Roelli betont. In einem nächsten Schritt werde man den Anteil zyklischer Aktien sukzessive ausbauen. Das Motiv dafür sind die positiven globalen Wachstumsaussichten und die Überzeugung, dass Aktien diesem Szenario noch nicht voll Rechnung tragen. Auch Pictet geht aller Zuversicht zum Trotz nicht aufs Ganze. Den Cashanteil hat die Bank von 3,5% beim letzten Halbjahresbericht auf 6,7% ausgebaut.

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