Zurück zur Übersicht
07:12 Uhr - 17.09.2015

«Die SNB scheint nicht zu intervenieren»

Ursina Kubli, Währungsstrategin bei J. Safra Sarasin, erklärt im Interview mit «Finanz und Wirtschaft», warum der Franken trotz nervöser Märkte Schwäche zeigt und dennoch ein sicherer Hafen bleibt.

Frau Kubli, trotz nervöser Märkte notierte der Euro erstmals seit Aufhebung des Mindestkurses wieder über 1.10 Fr. Wie interpretieren Sie diese Entwicklung?
Ursina Kubli Bild: ZVGIm Normalfall ist der Franken der sichere Hafen schlechthin. Doch obwohl sich der Kurszerfall an der chinesischen Börse diese Woche fortsetzt, schwächelt der Franken – wie schon in den Wochen zuvor. Hauptverantwortlich für diese Kursänderung dürfte das Abflauen der Griechenlandkrise sein. Gleichzeitig deuten die Vorlaufindikatoren auf eine Erholung der europäischen Wirtschaft. Deshalb schlägt sich die Risikoaversion an den Finanzmärkten gegenwärtig nicht in den Währungen nieder.

zoomDie Schweizerische Nationalbank hilft also nicht nach?
Aus den am Montag veröffentlichten Sichtguthaben lässt sich nicht auf eine SNB-Intervention schliessen. Das war anders, als der Euro um 1.03 Fr. notierte. Damals machte sich die SNB (SNBN 1100 -0.63%) bemerkbar.

Die Schwäche des Frankens wird auch damit begründet, dass er zur Finanzierung von Carry Trades diene: Marktteilnehmer verschulden sich in einer niedrig verzinslichen Währung wie dem Franken, um in einer Währung mit höherer Rendite anzulegen. Was halten Sie von diesem Argument?
Dank negativer Zinsen und einer eher geringen Volatilität bietet der Franken ideale Voraussetzungen als Finanzierungswährung. Nur hätte man schon bei Einführung der Negativzinsen durch die SNB so argumentieren können. Damals zeigte der Franken aber keine merkliche Schwäche. Erst jetzt, da der Franken schwächelt, folgen die schlauen Begründungen.

Wenn sich ein professioneller Anleger in Franken verschuldet, erhält er also einen Zins gutgeschrieben?
So absurd es klingen mag, ja. Die Zinskurve notiert bis ans lange Ende im negativen Bereich, was das Schuldenmachen begünstigt. Allerdings darf beim Ausnützen von internationalen Zinsdifferenzen das Währungsrisiko nicht vergessen werden. Das können viele Osteuropäer bezeugen, die vor der Finanzkrise Hypotheken in Franken aufgenommen haben.

Hat das Risiko von plötzlichen Verwerfungen am Devisenmarkt mit einer entsprechend scharfen Aufwertung des Frankens zugenommen, angesichts der Beliebtheit der Carry Trades?
Momentan ist der Trend des Frankens stabil. Nur kann sich das schnell ändern. Ein Zinsvorsprung von 1% ist angesichts der Volatilität an den Devisenmärkten schnell aufgezehrt.

Die SNB tagt am Donnerstag. Erwarten Sie irgendwelche Änderungen?
Die SNB befindet sich in einer komfortablen Lage. Die Schweizer Wirtschaft scheint den Frankenschock gut zu verdauen, war das Wachstum im zweiten Quartal doch positiv. Dazu kommt die Entspannung an der Währungsfront. Deshalb erwarten wir keine Änderung der Geldpolitik.

Auch keine Reduktion des Negativzinses?
Nein, denn der Franken ist nach wie vor teuer. Zudem können die Trends an den Devisenmärkten schnell drehen.

Was würde die SNB unternehmen, falls es in den kommenden Monaten doch zu grösseren Verwerfungen kommen sollte? Wie weit kann sie die Zinsen ins Negative drücken, und ab wann kommt es zur Flucht ins Bargeld?
Bisher konnte keine grössere Zunahme der Bargeldhaltung beobachtet werden. Offenbar wurde die kritische Grenze noch nicht erreicht. Deshalb kann die SNB die Zinsen weiter senken. Auch Interventionen am Devisenmarkt kommen in Frage.

Reicht das, wenn an den Märkten Panik ausbricht?
Wenn eine Flucht in sichere Häfen einsetzt, kann man sich kaum dagegenstemmen. Das ist das Los des Frankens und der Schweizer Wirtschaft.

Der Status als sicherer Hafen ist demnach nicht verloren gegangen?
Nein, denn bisher haben die Chinaängste die Devisenmärkte nicht erfasst. Die SNB wurde also noch nicht getestet.

zoomAm Mittwoch und Donnerstag tagt auch die US-Notenbank. Was erwarten Sie vom Fed?
Der Gang der US-Konjunktur würde eine Zinsanhebung rechtfertigen. Doch statt datenabhängig scheint das Fed eher marktabhängig geworden zu sein. In einem nervösen Marktumfeld dürfte es die Zinsen deshalb kaum erhöhen. Aus diesem Grund erwarten wir den ersten Zinsschritt erst für das vierte Quartal.

Was heisst das für den Dollar?
Für den Dollar dürfte der Donnerstag kein grosses Ereignis sein. Sollte das Fed die Zinsen wie von uns erwartet noch dieses Jahr erhöhen, dürfte der Greenback aber dennoch etwas Rückenwind erhalten, da die Futures-Märkte den ersten Schritt erst für nächstes Jahr einpreisen. Allerdings ist das Aufwärtspotenzial limitiert, weil schon viele Marktakteure auf einen stärkeren Dollar setzen.

Was würde ein Fed-Zinsschritt für die Schwellenländerwährungen bedeuten?
Die Valuten der Schwellenländer haben bereits deutlich korrigiert und nehmen einen graduellen Zinsanstieg in den USA vorweg. Für diese Währungen relevanter dürfte die Entwicklung in China sein, das weiterhin Schwäche zeigt.

zoomWie ist die Yuanabwertung zu deuten?
Die Abwertung dient einerseits der Unterstützung der Wirtschaft. Andererseits liess der Rückgang der Währungsreserven darauf schliessen, dass der Markt einen niedrigeren Renminbi möchte. Mit der Abwertung kamen die chinesischen Behörden dem Wunsch nach mehr Markt ein Stück weit entgegen. Eine grössere Flexibilität des Wechselkurses ist ja auch eine Voraussetzung, damit der Yuan in den Korb aufgenommen wird, der der Berechnung der Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds zugrunde liegt, was China anstrebt.

Sie erwarten also keine grössere Abwertung des Yuans?
Nein, wobei ich nicht verstehen würde, wenn China nicht weiter abwertet, denn der bisherige Schritt von rund 3% hat zwar an den Finanzmärkten massive Turbulenzen ausgelöst und das Vertrauen in die chinesische Wirtschaft unterminiert, nützt ihr aber herzlich wenig. Auch in Bezug auf die Flexibilisierung des Wechselkurses reichen 3% nicht aus. Wir rechnen deshalb bis Jahresende mit einem weiteren Schritt in ähnlicher Grössenordnung.

Einen Abwertungsschock befürchten Sie aber nicht?
Nein, denn China will keine Währungskriegsdebatte anheizen.

Lohnt es sich eigentlich, als Schweizer Anleger Währungsrisiken einzugehen?
In den letzten Jahren hat es sich trotz überbewertetem Franken nicht gelohnt. Grundsätzlich sichern wir das Währungsrisiko bei Anleiheninvestitionen ab, weil es überproportional zum Gesamtrisiko beiträgt. Bei Aktien besteht eine natürliche Absicherung, weil die Börsen von Ländern mit schwacher Währung oft besser abschneiden, da die Unternehmensgewinne währungsbedingt steigen. Diese Kompensation existiert bei Anleihen nicht.

Welche Währungen sollte ein Anleger, der in Franken denkt, heute denn absichern?
Der faire Wert des Dollars liegt bei der Parität zum Franken, das Aufwärtspotenzial ist demnach beschränkt. Deshalb dürfen Anleger durchaus an Gewinnmitnahmen denken.

Und beim Euro?
Für den Euro erwarten wir einen Kurs von 1.15 Fr. bis nächstes Jahr. Deshalb drängt sich noch keine Absicherung auf.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.