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18:12 Uhr - 18.07.2014

Wieder mehr Nervosität in Europas Bankensektor

Der Ausblick von Moody's für Italiens Banken bleibt wegen des EZB-Stresstests negativ.

Die Abläufe sind bestens eingespielt. Wird im europäischen Bankensektor ein Alarm ausgelöst, dann spielt sich das Gleiche ab wie während der dunkelsten Tage der Krise. Europaweit geraten Aktienmärkte ins Rutschen, und Risikoprämien im Anleihenmarkt steigen. Wenn eine kleine portugiesische Bank wie die Banco Espirito Santo (BES 0.492 2.93%) (BES) mit einer Marktkapitalisierung von 2,3 Mrd. € eine solche Reaktion auslöst, deutet das auf eine steigende Nervosität hin. Sollte nun tatsächlich die Troika in Rom einfliegen und für mehr Budgetdisziplin sorgen, dann wäre es mit der Ruhe im Markt auf einen Schlag vorbei.

Anleger geben sich bereits versöhnlich. Es scheint alles unter Kontrolle. Die BES könnte aber frisches Kapital benötigen, um allfällige Verluste im Kreditportfolio zu decken. Der portugiesische Zentralbankchef Carlos Costa wiederholte vor einem Parlamentsausschuss am Freitag, die Bank könne am Markt Kapital aufnehmen. Wer allerdings Aktien zeichnen soll, ist offen. Erst vor einem Monat hat BES eine Kapitalerhöhung von 1 Mrd. € abgeschlossen; neue Aktionäre würden bereits verwässert, nach dem Kurseinbruch umso mehr. Und bevor das noch verfügbare Geld für staatliche Rekapitalisierungen fliessen könnte, müssten Aktionäre und Obligationäre ihre Ansprüche aufgeben. Die Situation ist also noch längst nicht gelöst.

Weiterer Kapitalbedarf

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Stünden nun Italiens Staatsfinanzen auf dem Prüfstand, dann wären es die Banken ebenfalls. Der Sektor macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck, die Summe der Bankbilanzen ist  im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung kleiner als in den meisten anderen Euroländern. Zudem haben neun der fünfzehn grössten Banken in Erwartung der rigorosen Bilanzüberprüfung durch die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Kapital erhöht, darunter auch Monte dei Paschi di Siena.

Aber das Bankensystem ist angeschlagen. Zwar sinkt die Zuwachsrate für Kreditrückstellungen. Noch immer steigt aber der Bestand von Problemkrediten, und ein Konkursverfahren dauert im Schnitt acht Jahre, wie die Ratingagentur Moody’s in der jüngsten Einschätzung des Bankensystems festhält. Moody’s hält den Ausblick für das Bankensystem schon seit 2009 für «negativ», die neueste Einschätzung von dieser Woche änderte nichts. Die Agentur hält auch weitere Kapitalerhöhungen für möglich, die auf den EZB-Bilanz- und -Stresstest folgen.

Italiens Banken werden selbst die rechtlichen Tricks nicht genügen: Steuergutschriften wurden zu neuen Guthaben umdefiniert, damit sie wieder zum Kapital zählen. Zudem hat die Zentralbank ihr Aktienkapital, das sich in Besitz von Geschäftsbanken und Versicherungen befindet, aufgewertet, was zu einem hübschen Einmalgewinn führte.

Enttäuschte Gesichter

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Italien und sein Bankensystem sind unter Druck. Anleger drücken ihre Skepsis über die Qualität der Bilanzen und über die künftige Gewinnkraft auf ihre Art aus. Gemessen am materiellen Buchwert sind Italiens Banken im europäischen Vergleich am niedrigsten bewertet. Italiens Bankensystem, genauso wenig wie das von Deutschland oder Frankreich, wurde noch nie von aussen durchleuchtet. In Irland, Spanien, Portugal und Griechenland ist das anders.

Vom Bilanz- und Stresstest der EZB geht deshalb Unsicherheit aus. Mitte Oktober werden die Resultate publiziert. Selbst Banken sollen gemäss Reuters erst 48 Stunden vor der Publikation erfahren, wie sie in den beiden Tests abgeschnitten haben. Es ist wie in der Schule, wenn der Lehrer die benoteten Prüfungen verteilt. Die Spannung ist gross, und es wird Enttäuschungen geben.

Italien steht unter Druck
Spekulation über Nachtragshaushalt wirft Schatten auf ambitiöses Regierungsprogramm. Lesen Sie hier die Analyse von FuW-Redaktor Andreas Neinhaus.

 

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