Zurück zur Übersicht
12:17 Uhr - 16.12.2014

ABB gelingt Eintritt in Japans Strommarkt

Das Joint Venture ermöglicht Zugang zum bisher abgeschotteten Markt. Das Geschäftsvolumen wird anfangs niedrig bleiben, auch weil es dem japanischen Stromsektor an Geld fehlt.

Der Elektrotechnikriese ABB (ABBN 19.87 0.1%) nutzt die Liberalisierung des Stromgeschäfts in Japan für den lange angestrebten Markteinstieg. Zusammen mit Japans grösstem Mischkonzern Hitachi gründen die Schweizer dafür ein Gemeinschaftsunternehmen für Hochspannungs-Gleichstrom-Systeme. Hitachi hält 51% und ABB 49% der Anteile. Die Schweizer liefern die technischen Komponenten und das Know-how für Design und Konstruktion. Hitachi als Hauptauftragnehmer übernimmt die Installation und die Wartung.

Hitachi-Chairman und -CEO Hiroaki Nakanishi begründete die Kooperation damit, dass man nicht jede Technologie selbst entwickeln müsse. Das sei sehr ineffizient. ABB-Chef Ulrich Spiesshofer verwies in Tokio auf die gute Erfolgsbilanz von Hitachi, die an allen Hochspannungs-Gleichstrom-Projekten in Japan beteiligt gewesen sei.

Anfangs bescheidenes Geschäftsvolumen

Die Initiative ging nach Angaben von Präsident Nakanishi vor einem Jahr von Hitachi aus. ABB wiederum hatte im September Partnerschaften als dritte Expansionsstrategie neben organischem Wachstum und Übernahmen definiert. Das Joint Venture wird in den nächsten Monaten am Standort Tokio aus der Taufe gehoben und soll zunächst mehrere Dutzend Mitarbeiter beschäftigen. An Umsatz werden nach Angaben von Nakanishi anfangs bescheidene 1 bis 2 Mrd. Yen (9 bis 15 Mio. Fr.) erwartet.

Doch für ABB ist das Joint Venture strategisch wichtig, da der japanische Strommarkt wegen seiner Monopolstrukturen bisher für ausländische Akteure weitgehend verschlossen war. Die strategische Partnerschaft mit dem lokalen Marktführer Hitachi erschien daher als die logische Lösung. Später wolle ABB die Kooperation auf weitere Felder ausdehnen, teilte Spiesshofer mit. Hitachi wiederum hat das Geschäft rund um Kraftwerke und Stromübertragung zu einem der Kernpfeiler der eigenen Wachstumsstrategie gemacht.

Deregulierung und erneuerbare Energien ermöglichen ABB Markteintritt

Hintergrund für den Vorstoss von ABB sind die Veränderungen auf dem japanischen Strommarkt nach der Tsunami- und Atomkatastrophe von 2011. Bei der bereits beschlossenen Deregulierung werden die regionalen Monopole der neun Stromerzeuger bis 2020 schrittweise aufgelöst. Ausserdem müssen sie die Hoheit über die Trassen abgeben. Zugleich fördert der Staat den Ausbau von erneuerbaren Energien mit sehr hohen, auf zwanzig Jahre garantierten Einspeisevergütungen. Seit Sommer 2012 wurden so viele Kraftwerke vor allem im Solarbereich gebaut, dass die Monopolisten den Zugang für erneuerbaren Strom wegen der Netzbelastung bereits beschränkt haben. Der Anteil von erneuerbaren Energien soll laut Energieplan bis 2030 auf 20% verdoppelt werden.

ABB und Hitachi sehen Hochspannungs-Gleichstrom als die optimale Lösung für die technischen Hürden beim Ausbau der grünen Energien. Mit Gleichstromleitungen lassen sich abgelegene Solarkraftwerke und Windparks auf dem Meer effizienter anschliessen und die Schwankungen bei der Einspeisung besser kontrollieren. Ausserdem müssen die bislang unzureichenden Verbindungsbrücken zwischen den Netzen der Monopolisten ausgebaut werden.

Japans Strombranche ist unterfinanziert

Das neue Unternehmen dürfte sich jedoch erst langsam entwickeln. «Das Geschäft mit der Stromübertragung ist kein Sprint, sondern ein Marathon», meinte Spiesshofer in Tokio. Denn erstens fehlt den japanischen Stromerzeugern derzeit das Kapital für die Modernisierung der Netze. Die meisten Firmen schreiben rote Zahlen, da ihre Atomkraftwerke stillstehen und sie fossile Ersatzbrennstoffe zukaufen müssen. Zweitens haben die Konzerne kein Interesse, mit Investitionen in die Übertragung neuen Wettbewerbern den Markteinstieg zu erleichtern. Daher muss sich der Staat wohl stärker engagieren. Auch in dieser Hinsicht ist ABB gut beraten, hinter einem starken japanischen Partner zu stehen.

Der Schweizer Elektrotechnikriese zählt zu den Pionieren im Hochspannungs-Gleichstrom und hat weltweit bereits hundert Projekte umgesetzt, darunter in Brasilien die mit 2375 km längste Stromtrasse der Welt. Bei dieser Technik wird der Wechselstrom aus Kraftwerken zunächst in Gleichstrom umgewandelt, in Kabeln transportiert und von der Empfangsstation zum Verbrauch wieder in Wechselstrom umgewandelt. Im Vergleich zum üblichen Hochspannungs-Wechselstrom rechnet sich das über weite Entfernungen, da der Gleichstrom nahezu verlustfrei transportiert wird und keine breiten Stromtrassen durch Städte und Natur gebaut werden müssen. In Japan hat diese Technologie den Vorteil eines viel geringeren Flächenbedarfs in den Ballungsgebieten und damit stark reduzierter Baukosten.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.