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10:12 Uhr - 04.11.2015

Fulminantes Debüt für Japan Post

Die weltweit grösste Aktien-Erstemission in diesem Jahr ist gelungen. Das ist ein Erfolg für die Abenomics-Strategie der Regierung von Shinzo Abe. Aber die Wachstumschancen der emittierten Titel gelten als begrenzt.

Die Anteile von Japan Post Holdings verteuerten sich am Ausgabetag bis Handelsschluss um 26% zum Ausgabepreis. Die Papiere der Japan Post Bank gingen mit einem Aufschlag von 12% aus dem Handel. Am gefragtesten waren die Valoren der Japan Post Insurance, die um 56% in die Höhe sprangen.

Mit Einnahmen von 1,44 Bio. Yen (11,8 Mrd. Fr.) für den Staat ist diese Erstemission die grösste in Japan seit Jahrzehnten. Nur der Börsengang des Telecomriesen Nippon Telegraph and Telephone (NTT (NTT 37.04 -0.22%)) 1987 und derjenige des Mobilfunkers NTT Docomo (DCM 19.89 -0.2%) 1998 waren grösser. Jeweils 11% der Anteile der drei Post-Gesellschaften wurden verkauft.

Die Emissionspreise wurden am oberen Ende der Ausgabespanne festgelegt. Im Vergleich zu anderen Finanzwerten waren sie trotzdem günstig. Die Holdinggesellschaft wurde beim Ausgabepreis von 1400 Yen mit einem Kurs-Buch-Verhältnis von 0,41 bewertet, Japan Post Bank bei 1450 Yen mit einem KBV von 0,47 und Japan Post Insurance bei 2200 Yen mit einem KBV von 0,67. Die drei grossen Finanzgruppen kommen auf ein KBV von 0,7.

Schnäppchenangebot

Dieses Schnäppchenangebot war politisch gewollt. Im Rahmen ihrer Abenomics-Politik will die Regierung von Premierminister Shinzo Abe eine neue Aktienkultur schaffen. Die privaten Vermögen der Japaner in Höhe von 1717 Bio. Yen (14,1 Bio. Fr.) stecken zu nur 11% in Aktien. In Europa beträgt der Anteil 18% und in den USA 34%. In den fünfzehn Jahren der Deflation waren Bargeld und Tagesgeldkonten in Japan eine gute Anlagestrategie, die bei einem Erfolg der angestrebten Inflationierung jedoch geändert werden muss.

Daher wurden rund 75% der Post-Aktien Privatanlegern in Japan über gleich 61 Brokerhäuser angeboten. Nur 20% waren für Ausländer reserviert. Die japanischen Aktienzeichner haben vor allem wegen der Verdopplung der Dividende auf 23 Yen zugegriffen. Dazu kommt die Hoffnung auf Kursgewinne durch die hohe Nachfrage und den konservativen Gewinnausblick. Die Japan Post Group erwartet im laufenden Jahr zwar einen Rückgang des Nettogewinns um 23% auf 370 Mrd. Yen (3 Mrd. Fr.). Doch sechs Brokerhäuser sagen im Schnitt ein Minus von nur 11% vorher.

Der Börsengang ist noch aus einem zweiten Grund ein Politikum. Die Postbank ist mit Einlagen von 178 Bio. Yen (1,5 Bio. Fr.) das grösste Finanzinstitut. Davon stecken 101,6 Bio. Yen (per 30. Juni) in japanischen Staatsanleihen (JGB). Damit ist die Post nach der Bank of Japan und dem staatlichen Pensionsfonds GPIF der drittgrösste JGB-Halter. Der GPIF hat sein Vermögen zulasten von Staatsanleihen in Aktien umgeschichtet. Auch die Postbank hat in den zwölf Monaten bis 30. Juni bereits JGB für 20 Bio. Yen verkauft und sucht Profi-Vermögensverwalter für eine höhere Rendite. Schliesslich muss die Dividende verdient werden.

«Mit dem Umbau des Portfolios der Post würden diejenigen Staatsanleihen auf den Markt kommen, die die Bank of Japan bei der nächsten Runde ihres Quantitative Easing aufkaufen könnte», erklärt Peter Babucke, Vizepräsident Clearing der Tokioter Börse. Auf dem Bondmarkt gebe es dafür nämlich nicht mehr genug Verkäufer. Der Börsengang sei daher eine «Verzweiflungstat», meint Babucke.

Sparguthaben für Konjunkturprogramme

Der Privatisierung der Post ist ein langer Richtungskampf vorausgegangen. Denn mit 240’000 Mitarbeitern – mit Teilzeitkräften sogar 400’000 – ist die 144 Jahre alte Post einer der grössten Arbeitgeber von Japan. Mit 24’500 Filialen verfügt sie über fast doppelt so viele Schalter wie alle 116 Banken mit 13’800 Filialen zusammen. Die Postbank ist das grösste Geldinstitut, und die Postversicherung hat mit 34 Mio. Stück die meisten Lebensversicherungen ausgegeben.

Den Vorstoss für eine Privatisierung begründete Premierminister Junichiro Koizumi vor zwölf Jahren damit, mehr Unternehmen und Eigenverantwortung in der Wirtschaft schaffen zu wollen und die Verschwendung von Steuergeldern zu bremsen. Bis dahin dienten die Sparguthaben der Post als eine Art Schattenhaushalt. Damit finanzierten die Liberaldemokraten grosse Konjunkturprogramme und sicherten sich so Wählerstimmen. Zudem diente die Post als Wahlmaschine: Die Vorsteher der Postämter vor allem auf dem Land mobilisierten die Wähler.

Im Streit mit seiner Partei löste Koizumi 2005 das Parlament auf und gewann die Wahl zur Durchsetzung der Privatisierung. Danach wurde sein Vorhaben jedoch verwässert. Die Post ist nun von Gesetzes wegen gezwungen, den ländlichen Raum zu versorgen, und wird daher künftig kaum eine Filiale schliessen können. Zudem dürfen nur maximal zwei Drittel der Anteile verkauft werden. Der Staat behält eine Sperrminorität, um weiter politischen Einfluss auszuüben. Diese Einschränkungen erklären auch, warum der Börsengang der Post jetzt so glatt über die Bühne geht.

Unsicherheiten über Geschäftskurs

Aber es bleiben Streitpunkte. Um die Nachfolge des 79-jährigen Postbank-Präsidenten Taizo Nishimuro, Ex-CEO von Toshiba (6588 5.2 -5.28%), wird hinter den Kulissen gerungen. Ebenso herrscht Unsicherheit über den Geschäftskurs. Knapp 40% der IPO-Einnahmen dienen der Finanzierung von Wiederaufbaukosten in den Tsunami-Gebieten. Das übrige Kapital soll offenbar die Post für den Wettbewerb stärken. Der Briefdienst soll ein Logistikunternehmen werden. Auf eine Auslandexpansion deutet der im Mai abgeschlossene Zukauf des australischen Logistikers Toll hin. Private Paketdienste wie Yamato befürchten schon einen Preiskrieg, zumal Postautos überall parken und sogar gegen Einbahnstrassen fahren dürfen.

Die Postbank hat beantragt, auch Hypotheken- und Firmenkredite vergeben zu dürfen. Das würde den Geschäftsbanken das Leben schwermachen. Ausserdem dringt eine Gruppe von Regierungsabgeordneten auf einen Wegfall der Einlagengrenze von 10 Mio. Yen (82’000 Fr.) je Postkonto. Darin sehen die Regionalbanken eine Gefahr. Der soeben verkündete Zusammenschluss von Ashikaga und Joyo zum drittgrössten regionalen Kreditgeber ist daher kein Zufall.

Trotz dieser Optionen zweifeln Analysten an den Wachstumschancen der Post. Bisher stammen rund 90% des Gewinns der Japan Post Group von Bank- und Versicherungsaktivitäten. Auch Investitionen in die Logistik dürften daran wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung in Japan wenig ändern. Die meisten Zeichner der Emission sehen die Post und ihre Töchter wohl nicht als Wachstumstitel. Sie vertrauen vor allem auf eine anhaltend hohe Dividende. Schliesslich will der japanische Staat in den nächsten Jahren weitere 55% von Post-Holding, Bank und Versicherung veräussern. Schon die hohen Staatsschulden sprechen dafür, dass dieses Tafelsilber tatsächlich verkauft werden muss.

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