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07:08 Uhr - 16.10.2015

Ölpreisschwäche lässt Ölsandförderer leiden

Die Branche ist reif für eine Konsolidierung. Suncor bietet für Canadian Oil Sands.

Der Zeitpunkt für eine Konsolidierung in Kanadas Ölsanden scheint gekommen. Der Startschuss fiel mit dem feindlichen Übernahmeangebot von Suncor (SU 28.6 0%) Energy, Kanadas grösster Energiegruppe, an das Unternehmen Canadian Oil Sands (COS (COS 0 0%)). Eigentlich hatten Beobachter angesichts der tiefen Ölpreise schon länger ein Übernahmefieber in der Provinz Alberta erwartet. Es blieb erstaunlich lange ruhig. Aber jetzt ist mit Suncors Offerte in der Höhe von insgesamt 6,6 Mrd. kan. $ (Schulden mit eingeschlossen) Bewegung in die Szene gekommen. Bereits wird in Nordamerika spekuliert, wer der nächste Käufer sein könnte.

Es ist aber gut möglich, dass potenzielle Interessenten erst das Ergebnis der kanadischen Regierungs- und Parlamentswahlen am 19. Oktober abwarten, bevor sie handeln. Neben Suncor wird auch der kanadischen Tochtergesellschaft des US-Konzerns ExxonMobil, Imperial Oil (IMO 44.54 -0.78%), zugetraut, sich einen anderen Ölsandproduzenten einzuverleiben. Imperial hat vor einiger Zeit durchblicken lassen, dass sie an grossen, qualitativ hochstehenden Produktionsanlagen interessiert sei.

Zeitpunkt günstig

Für Übernahmen ist die Zeit günstig, denn seit vergangenem Jahr sind die Aktienkurse der Ölsandproduzenten dramatisch gefallen. Es ist derzeit viel preiswerter, bestehende Anlagen zu erwerben, als sie selbst zu entwickeln. COS ist mit einem Anteil von 37% der grösste Eigner von Syncrude Canada, einem Gemeinschaftsunternehmen, an dem auch Imperial Oil und Suncor beteiligt sind. So schnell dürfte Suncor allerdings nicht in den Besitz des Objekts ihrer Begierde kommen. Das COS-Management weist Suncors Offerte vom 5. Oktober weit von sich. Bereits im Frühling hatte COS zwei freundliche Angebote Suncors abgelehnt. Milliardär und COS-Grossaktionär Seymour Schulich nannte das Angebot einer COS-Aktie im Austausch für 0,25 Suncor-Titel «lächerlich».

COS hat die Ölpreisflaute wie fast alle anderen Ölsandproduzenten stark getroffen. Ein Erdölpreis von 40 US-$ je Fass wirft in den Teersanden, wo die Förderung schwierig und sehr teuer ist, kaum mehr Gewinn ab. Die Produzenten versuchen sich mit Entlassungen und Kostensenkungen zu helfen.

Suncor dagegen, ein Ölsandpionier, befindet sich in einer etwas besseren Position. Ihre Betriebskosten pro Fass betragen 28 kan. $, bei COS sind es über 50 kan. $. Suncor ist diversifiziert: Sie fördert nicht nur Öl, sondern veredelt es auch selbst in der Raffinerie. Nach Aussagen von CEO Steve Williams verfügt Suncor über zu viele Barmittel in der Bilanz. Gemäss Zeitungsberichten sind es derzeit 4,9 Mrd. kan. $, neben Schulden von 14 Mrd. kan. $.

Vor sechs Jahren hat Suncor während der weltweiten Finanzkrise die Ölgruppe Petro-Canada erworben. Die Suncor-Führung ist offensichtlich entschlossen, die Position in den Ölsanden weiter auszubauen. Ende September hat Suncor für 310 Mio. kan. $ von der französischen Total (FP 45.115 1.08%) bereits eine 10%-Beteiligung am Fort-Hills-Ölsandprojekt gekauft und den bisherigen Anteil an Fort Hills auf 50,8% aufgestockt.

Die gefallenen Ölpreise haben die Ölsandproduzenten im Norden Albertas, wo sich die drittgrössten Erdölreserven der Welt befinden, besonders verletzlich gemacht. Die komplizierte Förderung aus dem Untergrund bedingt enorm hohe Kapitalkosten. Laut der Beratungsfirma Wood Mackenzie wurden in der Region Förderprojekte im Umfang von rund 800 000 Fass pro Tag verschoben oder gestrichen. Aber grössere Ölsandproduzenten wie Suncor, ConocoPhillips oder Husky Energy (HSE 22.24 -2.33%) expandieren trotz der tiefen Preise weiter. Ölsandanlagen lassen sich nicht einfach wie ein Lichtschalter ausknipsen. Das Milliardenkapital ist bereits investiert, und selbst bei einem Preis von unter 50 US-$ je Fass könnten wenigstens die Kosten gedeckt werden – auch wenn ein Gewinn nicht drinliegt.

Revidierte Prognosen

zoomzoomDie Investmentfirma Peters & Co. in Calgary erwartet, dass die heutige Ölsandproduktion von täglich 2,1 Mio. Fass auf 2,75 Mio. Fass im Jahr 2020 wachsen dürfte. Vor dem Ölpreiszusammenbruch vor einem Jahr hatte man mit 3,3 Mio. Fass im Jahr 2020 gerechnet. Industrievertreter hatten einst sogar eine tägliche Produktion von 5 bis 6 Mio. Fass auf die Zukunft projiziert.

Angesichts der Ungewissheit in den Ölsanden nimmt das Interesse ausländischer Investoren zunehmend ab, denn immer mehr Experten rechnen damit, dass sich die Ölpreise noch sehr, sehr lange nicht erholen.

Nur die Stärkeren unter den Ölsandproduzenten – diejenigen mit tiefen Betriebskosten und einem guten Geldpolster – werden die Flaute überstehen. Andere werden nun als Übernahmekandidaten gehandelt. Zu ihnen gehören etwa MEG Energy, Cenovus Energy (CVE 21.38 0.38%), Baytex Energy und Penn West Petroleum.

Cenovus attraktiv

Die US-Bank Citigroup (C 52.97 4.44%) hält Cenovus in einer Studie für das attraktivste Kaufobjekt unter Kanadas grossen Ölsandförderern, aber nicht unbedingt für Suncor und Imperial. Denn Citigroup sieht Cenovus wegen ihrer soliden Bilanz nicht als Ziel einer feindlichen Übernahme. Cenovus gab im Januar neue Aktien im Wert von 1,5 Mrd. kan. $ heraus und veräusserte einige Monate später Landreserven für 3,3 Mrd. kan. $.

Die Aktienkurse von MEG und Cenovus haben in jüngster Zeit wegen Übernahmespekulationen etwas zugelegt. Neben Imperial wird auch die Ölsandfirma Canadian Natural Resources als mögliche Käuferin erwähnt.

Anlegern, die nicht spekulativ denken, ist im jetzigen Zeitpunkt von einem Engagement in Kanadas Ölsandproduktion abzuraten. Es gibt Experten, die glauben, dass die Erdölpreise noch fünfzehn Jahren lang tief bleiben könnten. Vorsicht bedingt derzeit auch der ungewisse Ausgang der kanadischen Regierungswahlen am 19. Oktober. Die bisherige konservative Regierung könnte von einem liberalen Kabinett abgelöst werden. Eine Woche danach wird die sozialdemokratische Regierung Albertas ihren Haushaltsplan vorlegen, was höhere Staatsabgaben für Ölgesellschaften bedeuten könnte.

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