Fintech-Start-ups wie Revolut wollen Grossbanken angreifen. Nicht immer läuft alles reibungslos.
Ausgerechnet Revolut, lange Zeit das Lieblingskind der Fintech-Gemeinde, ist zuletzt nicht mehr aus den Negativschlagzeilen herausgekommen. Die vom ehemaligen Credit-Suisse-Banker Nikolay Storonsky gegründete Challenger-Bank, deren Services nur über eine Smartphone-App abrufbar sind, machte erst mit seltsamen Rekrutierungsmethoden von sich reden, bei denen Interessierte zugleich eine Handvoll neuer Kunden mitbringen mussten.
Bei anderer Gelegenheit reagierte der Marketingchef des Unternehmens auf kritische Kommentare in den sozialen Medien in einer etwas unbeherrschten Art. Und jüngst berichtete der «Daily Telegraph», dass bei Revolut während Wochen ein neues Überwachungssystem zur Verhinderung von Geldwäscherei ausgeschaltet war. Weil das existierende System parallel dazu in Betrieb blieb, habe Revolut den Anforderungen des britischen Finanzregulators FCA entsprochen.
Das Unternehmen sagt dazu, man habe lediglich ein neues System ausprobiert, von einem Ausschalten könne keine Rede sein.
Schnelles Wachstum
Revolut ist als Junggesellschaft angetreten, um die Bankenwelt zu revolutionieren. Nach nur wenigen Jahren nutzen bereits gegen 5 Mio. Kunden ihre Dienste. Revolut offeriert Gratiskonten und äusserst günstige Gebühren. Sie ist nicht die einzige sogenannte Challenger-Bank, die sich gegen Grossbanken behaupten will. Auch andere Player wie die deutsche N26 oder Transferwise und Monzo in Grossbritannien zählen dazu.
Revolut ist auch nicht der einzige Anbieter, der für negative Schlagzeilen sorgt. Auch N26 kämpft immer wieder mit Problemen. Im Frühling hatte der Fernsehsender NDR zusammen mit der «Süddeutschen Zeitung» aufgedeckt, dass Hunderte von N26-Konten zur Geldwäsche im Zusammenhang mit Online-Betrug verwendet wurden. Gemäss den Recherchen hakte es auch bei N26 möglicherweise bei der Überwachung von verdächtigen Geldtransaktionen. So konnten mutmassliche Kriminelle in Einzelfällen offenbar bis zu einem Jahr lang Konten benutzen, um Geld aus illegalen Geschäften zu waschen. Teilweise seien N26-Konten wie Ware gehandelt worden und hätten für wenig Geld den Besitzer gewechselt.
Nicht immer der beste Mix
Man habe aus den Fehlern gelernt, sagte N26-Chef Valentin Staff später in einem Interview mit dem deutschen Start-up-Portal Gruenderszene.de. Solche Zwischenfälle würden sich nicht wiederholen.
Sowohl N26 als auch Revolut rühmen sich, zu den am schnellsten wachsenden Fintechs in Europa zu gehören. Allerdings sind beide, die früh in die Liga der Unicorns (Start-ups mit Milliardenbewertung) aufgestiegen sind, zuletzt von Mitbewerbern eingeholt worden. Nach der letzten Finanzierungsrunde über knapp 300 Mio. $ hat der Geldtransferspezialist Transferwise mit einer Bewertung von 3,5 Mrd. $ die beiden Neobanken überholt .
Beobachter der Start-up-Szene sagen, dass ambitionierte Gründer, Investoren mit klaren Zielen und aggressives Wachstum nicht immer der beste Mix für den geordneten Aufbau eines Unternehmens seien. «Die Kultur bei Revolut macht einen toxischen Eindruck», sagt Liz Lumley, Fintech-Spezialistin bei VC Innovations. Auch sie wurde privat von einem Revolut-Mitarbeiter auf Twitter (TWTR 36.1 4.85%) beschimpft. «Es wirkt, als sei Revolut getrieben, möglichst schnell zu wachsen. Dabei bleiben kulturelle Werte offenbar auf der Strecke.» Derzeit ist Revolut dabei, nach Europa auch die USA und Australien zu erschliessen.
Christina Kehl, Geschäftsführerin von Swiss Finance Startups, kennt den Aufbau von Jungunternehmen aus eigener Erfahrung. Sie ist von solchen Defiziten nicht überrascht: «Start-ups fokussieren zu Beginn meist auf Produktentwicklung, Kapitalbeschaffung und Kundenakquise. Das Aufsetzen tragfähiger Unternehmensstrukturen wird zu diesem Zeitpunkt oft versäumt. Auch Investoren legen meist kaum Wert auf diese Aspekte.»
Allerding wären laut Kehl gerade Investoren und Business Angels in der Verantwortung, Prozesse und Strukturen voranzutreiben. «Gründerinnen und Gründer hingegen sind von Leidenschaft getrieben, sie möchten ihr Produkt möglichst schnell am Markt platzieren», so Kehl.
Lizenzprobleme in Europa
Derweil scheint Revolut die Strategie fortzusetzen, im Grenzbereich zu provozieren. Am Valentinstag wurde eine Werbung geschaltet, die Singles aufs Korn nahm. Nicht alle fanden den Seitenhieb lustig, es folgte ein Shitstorm auf sozialen Medien.
Schwerwiegender könnten jedoch politische Vorstösse sein, die sich derzeit in Litauen und Luxemburg gegen das Jungunternehmen richten. In beiden Fällen geht es um E-Banking-Lizenzen. Sie werden benötigt, um das Geschäft in Europa betreiben zu können. In Litauen stören sich einzelne Politiker daran, dass Storonskys Vater bei dem in russischem Mehrheitsbesitz befindlichen Gasunternehmens Gazprom (OGZD 7.01 -1.96%) arbeitet, und verlangen eine Überprüfung der Banklizenz. Dies wiederum hat in Luxemburg die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei aufgeschreckt, die eine vertiefte Überprüfung des Gesuchs für eine Banklizenz fordert. Revolut hat es im September eingereicht, üblicherweise dauert der Prozess sechs Monate.
Normalerweise nimmt der Revolut-Chef auf seinem Blog Stellung zu Problemen. Neu hat er mit MHP eine der grossen Krisen-PR-Agenturen in London engagiert. Sie schreibt auf Anfrage von FuW zur Lizenzfrage: «Wir sind gegenüber Regulatoren stets mit vollster Transparenz aufgetreten. Wir haben nichts zu verstecken und begrüssen jeglichen Dialog.»
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