Fritz Zurbrügg, Vizepräsident der SNB, sieht einen Zielkonflikt zwischen stabilen Preisen und einem stabilen Finanzsystem. Ein höherer Leitzins sei nicht dazu geeignet, Übertreibungen am Kreditmarkt einzudämmen.
«Was sollen Zentralbanken tun, um Übertreibungen am Kreditmarkt einzudämmen?» Diese Frage stellte sich Fritz Zurbrügg, Vizepräsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Er referierte am Mittwochabend am Collegium generale an der Universität Bern.
Das Thema Schulden habe ihn während seines beruflichen Werdegangs immer begleitet, sagte Zurbrügg: Von der Schuldenkrise in Lateinamerika in den Achtzigerjahren über die Asienkrise bis zur Eurokrise. Dazu komme die Krise am Schweizer Immobilienmarkt ab 1989.
Kredite bringen Wohlstand und bergen Gefahren
Kredite seien einerseits eine der Grundlagen für das Gedeihen einer arbeitsteiligen Wirtschaft, erklärte Zurbrügg. Ohne ein funktionierendes Kreditwesen wären Wachstum und Wohlstand deutlich tiefer. Anderseits zeige die Erfahrung, dass ein Kreditboom mit anschliessender Schuldenkrise eine besonders tiefe Rezession zur Folge habe.
Zudem falle die wirtschaftliche Erholung nach solchen Krisen oftmals vergleichsweise schwach aus. Dies gelte umso mehr, wenn die Schuldenkrise auch den Bankensektor betreffe.
Preisstabilität kontra Finanzstabilität
Es stelle sich die Frage, ob Zentralbanken die Zinsen erhöhen sollen, um Übertreibungen am Kreditmarkt einzudämmen. Das Problem liegt gemäss Zurbrügg darin, dass es beim beim Einsatz des Zinsinstruments zu einem Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Finanzstabilität kommen könne.
In der Schweiz beispielsweise sei der tiefe Leitzins im globalen Tiefzinsumfeld und mit dem starken Franken geldpolitisch notwendig. Zurbrügg begründet: «Ein höheres Zinsniveau hierzulande würde dazu führen, dass sich der Franken noch weiter aufwertet.» In der Folge würde sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen und die Preise von Waren und Dienstleistungen gerieten unter Druck. Käme es dadurch zu einem anhaltenden Abwärtsdruck auf die Preise, würde dies die Preisstabilität gefährden.
«Gleichzeitig birgt das anhaltende Tiefzinsumfeld Risiken für die Finanzstabilität», warnt Zurbrügg. Dabei stünden die Auswirkungen auf den Immobilien- und Hypothekarmarkt im Vordergrund. Die Kreditvergabe sei in den letzten Jahren deutlich stärker gewachsen als das Einkommen respektive das Bruttoinlandprodukt. «Gleichzeitig können wir einen zunehmenden Risikoappetit der Banken bei der Kreditvergabe beobachten.»
Leitzins für Preise und Konjunktur
Was also sollten Zentralbanken bei diesem Zielkonflikt unternehmen? Zurbrügg folgert: Drei Gründe sprächen dagegen, den Leitzins zu erhöhen, um Übertreibungen am Kreditmarkt einzudämmen, wenn dies für die Preisstabilität und Konjunktur nicht angebracht sei.
Erstens sollte für jedes wirtschaftspolitische Ziel ein eigenes Instrument eingesetzt werden. Das reduziere Zielkonflikte und steigere die Effizienz der Instrumente. Zweitens wäre oft eine sehr starke Zinserhöhung nötig, um Übertreibungen am Kreditmarkt wesentlich entgegenzuwirken. «Mit dieser Feststellung verbunden ist drittens zu beachten, dass Zinserhöhungen naturgemäss die ganze Wirtschaft betreffen.»
Kapitalpuffer und Selbstregulierung für den Kreditmarkt
Deshalb müssten gegen Übertreibungen am Kreditmarkt andere Instrumente eingesetzt werden. Zurbrügg verweist auf den sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffer in der Schweiz. Dieser verpflichte Banken, mehr Eigenkapital zu halten, wenn sich Ungleichgewichte am Hypothekarmarkt aufbauen.
Dazu kämen zwei Massnahmen der Selbstregulierung, die bei der Nachfrage nach Krediten ansetzten: Erstens die Pflicht, dass Hypothekarnehmer einen Mindestanteil an Eigenmitteln aufbringen müssen. Zweitens die Pflicht, dass sie einen Teil des Kredits innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne tilgen müssen, wenn die Belehnung mehr als zwei Drittel des Immobilienwerts ausmacht.
Diese Massnahmen hätten dazu beigetragen, dass die Dynamik am Kredit- und Immobilienmarkt in den letzten drei Jahren tiefer ausfiel als zuvor, stellte Zurbrügg fest. Gleichzeitig mahnte er: «Für eine Entwarnung ist es aber weiterhin zu früh.»
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