Das Schattenbankensystem kann die Wirkung der Geldpolitik auf die Realwirtschaft verstärken. Zu diesem Schluss kommt der Internationale Währungsfonds.
Welchen Einfluss hat die zunehmende Bedeutung der Schattenbanken auf die Wirksamkeit der Geldpolitik? Dieser Frage sind die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in ihrem jährlichen Finanzstabilitätsbericht nachgegangen. Unter Schattenbanken fallen Finanzdienstleister wie Versicherer und Pensionskassen oder auch Fondsgesellschaften.
Im Raum steht dabei das Argument, dass ein zentraler Übertragungskanal der Geldpolitik – die Kreditvergabe der Banken – nicht mehr richtig funktioniert, wenn das Schattenbankensystem wächst. Die Schattenbanken dämpfen demnach die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Realwirtschaft, so die Überzeugung.
Der IWF kommt in seiner Analyse allerdings zu einem anderen Schluss: Der Effekt der Geldpolitik auf die Realwirtschaft verstärkt sich, wenn das Schattenbankensystem einer Volkswirtschaft vergleichsweise gross ist.
Strukturwandel am Finanzmarkt
Das Schattenbankensystem ist in den vergangenen dreissig Jahren kräftig gewachsen. Die Entwicklung hat sich gemäss IWF nach der Finanzkrise akzentuiert: Die schwachen Bankbilanzen und die Verschärfung der Bankenregulierung haben die Bedeutung der traditionellen Geldhäuser als Kreditgeber verringert.
Pensionskassen, Versicherer und andere Finanzdienstleister – sogenannte Nicht-Banken– springen in die Bresche. Dazu tragen auch die rekordniedrigen Zinsen bei. Auf der Suche nach Einkommensquellen weiten diese Unternehmen das Kreditvergabegeschäft aus. Der Trend lässt sich auch in der Schweiz beobachten.
Ablesen lässt sich der Strukturwandel im Finanzmarkt etwa an der Zunahme der Bondemissionen. Sie sind für Unternehmen eine Alternative zu Bankdarlehen. So ist in den USA die Kapitalaufnahme am Obligationenmarkt gegenüber Bankkrediten seit dem Jahr 2000 rund 30% gewachsen.
Gemessen an den Vermögenswerten haben Schattenbanken insbesondere in der Eurozone und Grossbritannien an Bedeutung gewonnen. In China hat der Sektor seit Beginn der Nullerjahre stetig an Gewicht zugelegt.
Schattenbanken verstärken geldpolitische Massnahmen
In seiner Analyse untersucht der IWF auf aggregierter Ebene, wie sich die Erhöhung der Nominalzinsen um 1 Prozentpunkt auf das Bruttoinlandprodukt (BIP) auswirkt. Er unterscheidet dabei zwischen Industrienationen und Schwellenländern.
Demnach schrumpft das BIP in Volkswirtschaften mit einem grossen Schattenbankensystem (Large nonbank) stärker als in Ländern mit vergleichsweise kleinem Nicht-Banken-System (Small nonbank).
Allerdings hängt das Resultat stark von der Zusammensetzung des Schattenbankensystems ab. Die Daten des IWF zeigen, dass Banken ihre Bilanzen nach einer Zinserhöhung zurückfahren (Grafik unten: rote Balken, drei Jahre nach einer Zinserhöhung). Noch stärker schrumpfen die Bilanzen von Versicherern und Pensionskassen.
Anders sieht es bei den übrigen Finanzdienstleistern aus – also ohne Banken, Versicherungen und Pensionskassen. Sie weisen drei Jahre nach der Straffung der monetären Bedingungen grössere Bilanzen auf. «Das ist ein Hinweis darauf, dass sie in die Lücke springen, die die Banken hinterlassen», heisst es im Bericht des IWF. «Sie dämpfen damit die Auswirkungen der Geldpolitik», schreiben die Ökonomen. Der Substitutionseffekt sei auf gesamtwirtschaftlicher Ebene aber kaum relevant, weil der Anteil dieser Unternehmen relativ klein sei.
Daten fehlen
«Die Bedeutung der Geldpolitik für die Finanzstabilität wächst», meint der IWF in seinem Bericht. Die Währungshüter müssten die Grösse und die Zusammensetzung des Schattenbankensystems bei der Geldpolitik berücksichtigen, weil das Risikoverhalten dieses Sektors zunehmend an Bedeutung gewinne. Die Forderung lautet: «Die Aufsichtsbehörden müssen ihre Wachsamkeit erhöhen.»
Der IWF weist zudem auf die schwache Datenlage hin. Insbesondere in Schwellenländern gebe es kaum Einblick in die Bilanzen der Nicht-Banken. «Die Rolle des Schattenbankensystems muss stärker analysiert werden, um den Nutzen der Geldpolitik zu erhöhen», kommen die Ökonomen zum Schluss.
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