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17:13 Uhr - 07.12.2016

Pictet: Der Akzent liegt klar auf Aktien

«Inflation wird wieder zum Thema», sagt Senior-Finanzanalyst Alfred Roelli am traditionellen Jahresausblick der Bank Pictet. Das mahne bei Obligationen zur Vorsicht, aber nicht bei Aktien: «Der Aufschwung geht weiter.»

«Von Stagnationsszenarien halten wir nichts. Unser Ausblick ist positiv», begann der erfahrene Finanzanalyst an seiner letzten Präsentation in Zürich – Ende Jahr geht Alfred Roelli in Pension – seine Ausführungen. Die Lage der Weltwirtschaft sei schon komplizierter gewesen. Die globale Konjunktur befinde sich in einem anhaltenden, wenn auch nicht überschäumenden Wachstum.

Eine Strategie-Ikone tritt abDreizehn Jahre lang hat Alfred Roelli unaufgeregt und dafür mit umso treffenderen Aussagen ein zahlreiches Publikum in Bann gezogen. Zweimal im Jahr setzte er in seinen Anlageausblicken um, was man bei einem Heer von Spezialisten, Analysten und selbsternannten Experten oft vermisst: Komplexe Sachverhalte, wie sie Wirtschaft und Finanzmärkte nun einmal sind, aufs Wesentliche herunterzubrechen, ohne dabei ins Banale oder Marktschreierische zu verfallen. Seine Analysen bestechen durch Kompetenz, Schärfe und anlagestrategische Nützlichkeit. Selten lag er falsch, und wenn, gab er es bei der nächsten Präsentation offen zu. Ende Jahr tritt Alfred Roelli in den Ruhestand. Einige VR-Mandate wird er betreuen, vors Publikum aber schreitet er nicht mehr. «Entweder nimmt man seine Aufgabe voll und ganz ernst, oder man lässt es», hält er gegenüber FuW fest. Ganz wie es seinem Ethos entspricht: Ein Mittelding gibt es für Roelli nicht. Pictet führt die Serie der halbjährlichen Ausblicke fort. An Roellis Stelle tritt Anastassios Frangulidis, seit diesem Sommer bei der Genfer Privatbank und davor lange Jahre Chefstratege der Zürcher Kantonalbank.

In den USA – mit einem Fünftel der Weltwirtschaftsleistung noch immer klare Nummer eins – herrschen Vollbeschäftigung, eine rege Konsumtätigkeit und Anlageinvestitionen, die so hoch sind wie schon lange nicht mehr. Die vom designierten Präsidenten angekündigten Steuersenkungen und Infrastrukturausbauten bringen zusätzlich Schub, «möglicherweise zum falschen Zeitpunkt, denn die Wirtschaft läuft schon ordentlich, aber sie werden den soliden Aufschwung noch nachhaltiger machen».

Was die protektionistischen Töne von Donald Trump angeht, vertraut Roelli der traditionell wirtschaftsliberalen Kraft der im Parlament stark vertretenen Republikaner. Sie würden Trump bei Bedarf die Flügel stutzen, ist er überzeugt.

Konjunkturlokomotive USA mit Trump

Ein anderer Treiber ist Asien, mit China an der Spitze, das sich zum Industriestaat wandle, gerade in der Altersvorsorge und im Gesundheitswesen aber noch grossen Rückstand aufweise. «China ist heute auf dem gleichen stand wie Japan zu Zeiten seiner Industrialisierung in den Siebzigerjahren. Wir wissen alle, was dann am japanischen Aktienmarkt geschah. Der Anstieg endete erst viele Jahre später.» Wohl leiden verschiedene Bereiche in Chinas Wirtschaft unter hoher Verschuldung. Aber dem stünden Ersparnisse von rund der Hälfte des Volkseinkommens gegenüber. Dieser Aspekt gehe gerne vergessen, meint Roelli.

Im Sog eines ordentlichen Wachstums in den USA und in Asien kommt auch Europa ein Stück voran. Auf 1,4%, verglichen mit einem minimalen Wachstumsziel von 2,0% in den USA und 6,5% in China, schätzt die Bank Pictet das wirtschaftliche Vorwärtskommen auf dem alten Kontinent im neuen Jahr. Dank eines tiefen Wechselkurses brummt vor allem der Export.

Der Euro bleibt schwach

Der Euro werde zum Dollar schwach bleiben, ist Roelli mit Blick auf das unterschiedliche Wachstumstempo und die sich ausbreitende Zinsdifferenz überzeugt. Im Schlepptau davon befindet sich die Schweizerische Nationalbank, der geldpolitisch nicht viel übrig bleibt, als sich am Euro zu orientieren. Doch je länger die Gemeinschaftswährung schwächle, umso eher könne auch die Europäische Zentralbank ans Tapering – eine allmähliche Abkehr von der ultralockeren monetären Politik – denken, während die US-Notenbank einem Überschiessen des Dollars entgegentreten würde. Das bringt die Währungspaare längerfristig wieder näher zusammen.

Also auch das nicht kompliziert, so wie die nächste These des Pictet-Analysten: Ohne dass man deswegen in Panik verfallen solle, sei Inflation das zentrale Thema in neuen (Anlage-)Jahr. Einerseits wird sie begünstigt durch Vollbeschäftigung und ordentlich ausgelastete Industrie, andererseits durch den weltweiten Trend von der Geld- zur Fiskalpolitik. Die ansatzweise reduzierten Budgetdefizite beginnen wieder zu steigen, was preis- und zinstreibend wirkt.

Am überhitzten Obligationenmarkt müsse man sich deswegen Sorgen machen. Pictet hat den Anteil der Festverzinslichen im ausgewogenen Anlagemodell auf 27% zurückgefahren, rät zu einer kurzen Duration und dem Ausweichen auf Floating Notes, die einem höheren Zinsniveau folgen. Umgekehrt wurde der Aktienteil auf 49% erhöht, «mit der Option, im neuen Jahr noch höher zu gehen und bei Obligationen tiefer», ergänzt Roelli.

Weshalb Aktien? Zum einen, weil Gewinne und Gewinnmargen der vielen fit getrimmten, an neue Gegebenheiten angepassten Unternehmen steigen werden, unterstützt noch von günstigen Rohstoffpreisen, und zum anderen, weil Inflation nicht schlecht sein muss für Dividendentitel, im Gegenteil. Als Beispiel, dass Aktien noch von renditesuchendem Kapital profitieren werden, verweist Roelli auf die vermögenden Staatsfonds, die immer mehr Kapital von Anleihen in Aktien umschichten.

Inflation ist kein Schädling

«Erst bei einer Inflation von mehr als 4% und/oder einer US-Treasury-Rendite von 3 bis 3,5% kann es für Aktien schädlich werden», begründet er mit dem Verweis auf  frühere Zyklen. Von diesen «normalisierten Werten» liegen die aktuellen Daten – rund 2% Inflation und 2,3% Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen – selbst in den USA noch weit entfernt.

Den positiven Wachstumsaussichten entsprechend stehen im Aktienportfolio von Pictet weiterhin zyklische Titel im Vordergrund. Nach Sektoren sind es Technologieaktien, «Nutzniesser eines Innovationsschubs, der noch Jahre dauert», hält Analyst Roelli fest: Digitalisierung, Robotik, Internet der Dinge sind Stichworte dazu. Lobende Worte bekommt auch die Biotech-Sparte, auch sie unterliegt der fortlaufenden Innovation.

Höheres Risikobudget gerechtfertigt

Sind Aktien zu teuer? «Nein», heisst die Antwort.  Und warum nicht? «Weil gestützt auf die Gewinnmarge von rund 15% der Unternehmen im US-Index S&P 500 und einem für die nächsten zwölf Monate geschätzten KGV von 17 selbst der am deutlichsten gestiegene amerikanische Aktienmarkt nicht teuer ist.» Historisch bewegt sich die Bewertung  in einer KGV-Spanne von 15 bis 20 – auch in Europa, wo die aktuelle Bewertung sich am unteren Ende dieser Spanne bewegt. Also gehören auch europäische Aktien, allen Unkenrufen über die ungewisse politische Zukunft Europas zum Trotz, ins Portefeuille.

Ergänzt wird dieses durch Immobilien, Private Equity, und – um den Einfluss vorübergehender Korrekturen abzudämpfen – in allen Portfoliotypen vermehrt mit Absicherungen, was aber, wie Roelli festhält, der allgemein positiven Sicht auf Wirtschaft und Märkte keinen Abbruch tut.

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