Der Chef der Distriktnotenbank San Francisco erwartet, dass die Finanzmärkte den Rückzug aus der ultraexpansiven Geldpolitik gut verkraften werden.
Der Präsident der amerikanischen Distriktnotenbank San Francisco sieht dem Abbau der milliardenschweren US-Notenbankbilanz gelassen entgegen. «Ich glaube nicht, dass dieser Prozess plötzliche oder grosse Auswirkungen auf die Zinsen oder die Risikoaufschläge haben wird», erklärte John Williams gegenüber Medienschaffenden in Zürich. Williams sitzt im Offenmarktausschuss, dem geldpolitischen Entscheidungsgremium der US-Notenbank (Fed).
Das Fed-Gremium habe natürlich endlos über diese Frage beraten und es sei unklar, was genau die Konsequenzen der Verkleinerung der Bilanz sein werden, führte Williams aus. «Genau deshalb haben wir uns für ein Vorgehen entschieden, das im ersten Jahr sehr sachte beginnt. Auch danach wird es rund vier Jahre dauern, um die Bilanz merklich zu schrumpfen.» Das Fed hat am Mittwoch wie erwartet angekündigt, im Oktober den Abbau der Bilanz einzuleiten.
Lehren aus dem Taper Tantrum
Das Ziel ist klar: «Wir wollen kein weiteres Taper Tantrum.» Williams bezog sich damit auf die Verwerfungen an den globalen Finanzmärkten, als Ben Bernanke im Mai 2013 eine Reduktion der Anleihenkäufe (Tapering) angekündigt hatte. Der damalige Fed-Chef erwischte die Anleger auf dem falschen Fuss; die Zinsen schossen nach oben und die Aktienmärkte gerieten weltweit ins Straucheln.
Das Fed-Gremium habe aus diesem Vorfall viel gelernt und den Kurswechsel diesmal sorgfältig vorbereitet und kommuniziert. «Bislang haben die Finanzmärkte kaum auf die Normalisierung der Geldpolitik reagiert.» Das Fed werde die Entwicklungen aber genau verfolgen und in die zukünftigen geldpolitischen Entscheide einfliessen lassen.
«Die Europäische Zentralbank steckt heute in einer ähnlichen Situation wie das Fed 2013», meint Williams. Sie müsse erklären, weshalb sie ein Tapering erwäge und gleichzeitig die Zinsen rekordniedrig halten wolle. Diese Botschaft könne verwirrend sein für die Finanzmärkte und daher Unsicherheit schüren.
Zinsen werden steigen
Williams, der das San-Francisco-Fed seit 2011 leitet, bekräftigte zudem die weiteren Zinspläne der US-Notenbank. Er erwartet eine weitere Zinserhöhung in diesem Jahr, drei weitere sollen 2018 folgen. Wichtig sei aber das Gesamtbild. «Das Fed ist bestrebt, den Leitzins in den kommenden Jahren graduell anzuheben.» Dabei spiele es keine Rolle, ob der nächste Zinsschritt noch in diesem Jahr stattfinde oder erst Anfang 2018.
Entwickelt sich die Konjunktur weiterhin robust – und davon geht das Fed aus – dürfte der Gleichgewichtszins bei 2,5% liegen, schätzt der Präsident der Distriktnotenbank. Derzeit liegt das Zielband für die Federal Funds Rate bei 1 bis 1,25%.
Vollbeschäftigung und 2% Inflation
Wie Fed-Chefin Janet Yellen hält auch Williams die niedrige Inflation für ein vorübergehendes Phänomen. «Die Teuerung hat sich nach der Rezession so entwickelt, wie es zu erwarten war.» Die sehr hohe Arbeitslosigkeit und die Aufwertung des Dollars hätten den Preisauftrieb gebremst. Nun habe sich der Dollar stabilisiert und die Wirtschaft nähere sich der Vollbeschäftigung. «Doch das gilt erst seit wenigen Monaten. Es braucht Zeit, bis der Preisauftrieb dieser Entwicklung folgt.»
Williams ist zuversichtlich, dass der Zielwert von 2% im Verlauf der nächsten zwei Jahre erreicht wird. «Wir sind derzeit so nah dran, unser Mandat zu erfüllen, wie wir es in jüngerer Zeit nur Ende der Neunzigerjahre und 2006 waren.» Deshalb sei es sinnvoll, den Prozess der Normalisierung der Geldpolitik voranzutreiben.
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