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16:20 Uhr - 04.07.2017

Grossaktionär bekämpft HuntsmanClariant

Der Hedge Fund Corvex und die US-Firma Standard Industries wehren sich gegen die Fusion. Für Investoren ist es eine Win-win-Situation.

Gegen die am 22. Mai bekanntgegebenen Fusionspläne von Clariant (CLN 22.17 2.92%) und dem texanischen Chemie­konzern Huntsman formiert sich Widerstand. Der amerikanische Clariant-Aktionär Standard Industries hat sich mit dem in aktivistischen Belangen bewandten Hedge Fund Corvex Management verbündet, um den Schulterschluss zu verhindern. Die White Tale genannte Aktionärsgruppe hält gemäss einem «Finanz und Wirtschaft» vorliegenden Statement inzwischen 7,2% der Clariant-Aktien. Damit ist sie der grösste Einzelaktionär des Baselbieter Spezialchemiekonzerns.

Zwei Beteiligungsmeldungen bei der SIX Swiss Exchange vom Dienstag zeigen, dass am 22. und am 26. Juni die meldepflichtigen Schwellen von 3 und 5% überschritten wurden (mit 3,49 und 5,13%). Erstaunlich daran ist, dass der Beteiligungsaufbau im Aktienkurs keine Spuren hinterliess – am Markt muss also eine gewisse Verkaufsbereitschaft vorhanden sein.

Generell herrscht an der Börse wenig Freude über das Vorhaben: Bis Montagabend notierten Huntsman unter dem Kurs von vor der Ankündigung, Clariant immerhin 3% darüber. Die Meldung vom angemeldeten Widerstand durch White Tale hat Clariant am Dienstag jedoch merklich Schub gegeben – wohl aus der Hoffnung, statt des geplanten Deals komme eine andere Lösung zustande.

Aktionäre entscheiden

Die Fusion kommt nur zustande, wenn die Aktionäre beider Konzerne der Transaktion zustimmen. Dazu wird je eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen. Wann, ist noch offen. Clariant rechnet mit einem Datum gegen Ende Jahr. Erforderlich ist ein Zweidrittelmehr der anwesenden Stimmen. Sagen die Aktionäre nein, wird vom Unternehmen mit dem ablehnenden Aktionariat eine Break Fee von 60 Mio. $ fällig. Sollte einer der Partner die Fusionsvereinbarung sonst brechen, sind es 210 Mio. $.

Standard Industries ist der Artemis Group von Michael Pieper nicht unähnlich: Um einen Industriekern sind eine langfristig orientierte Beteiligungsgesellschaft namens 40 North und ein Immobilienportfolio angesiedelt. Die Gruppe ist schon länger in Clariant engagiert, weil sie vom Potenzial überzeugt ist.

Das Investment von 40 North basiere auf der Überzeugung, dass die Aktien Clariant signifikant unterbewertet seien und hervorragende Möglichkeiten bestünden, aus den hochwertigen Aktivitäten von Clariant Wert freizusetzen. «Wir glauben aber nicht, dass die geplante Fusion mit Huntsman eine dieser Optionen ist.» Beide Partner von White Tale – 40 North und Corvex – sind der Ansicht, Clariant werde im beabsichtigten Zusammenschluss zu niedrig bewertet. Mit diversen alternativen Transaktionen liesse sich mehr Wert heben.

Zudem fehle es dem Vorhaben an strategischer Logik. Die Entwicklung von Clariant in Richtung eines reinen Spezialitätenanbieters werde umgekehrt, enthalte das Portfolio von Huntsman doch viele Commodities und Zwischenprodukte. Clariant und Huntsman versprechen aus der Fusion jährliche Synergien von mindestens 400 Mio. $, was einem zusätzlichen Wert von 3,5 Mrd. $ entspricht. Im FuW-Interview verteidigte Clariant CEO Hariolf Kottmann das Portfolio von Huntsman und indirekt das, was gegen aussen als strategische Kehrtwende wirkt: «Ich sehe gute Ansätze und grosse Chancen.» Die Rückwärtsintegration im Geschäftsfeld Performance Products – in Commodities und Zwischenprodukte – sieht er gar als Vorteil. Ein gesicherter Zugang zu Ausgangsmaterialien werde immer wichtiger.

In dem Zusammenhang wartet auch ein Autorenteam der Unternehmensberatung McKinsey mit Interessantem auf. Im Artikel «Chemicals 2025: Will the industry be dancing to a very different tune?» vom März erachtet es das Spezialitätenmodell als zusehends gefährdet. Die Herausforderung, zu wachsen und Wert zu schaffen, lasse sich damit immer weniger gut meistern. Das Spezialitätenuniversum werde kleiner, sich abhebende neuartige Produkte hervorzubringen werde zu einer Zentimeterarbeit, und der Appetit auf Premiumprodukte sei gerade in schnell wachsenden Märkten wie China und Indien begrenzt.

Hier scheinen verschiedene Philosophien aufeinanderzutreffen. Ein an Clariant beteiligter Asset Manager, der nicht genannt werden will, bezeichnet diese Argumentation für eine starke Börse allerdings als typisch. Drehe der Markt aber, wollten alle nur Spezialitäten; die seien weniger volatil und verdienten daher auch eine Prämie. Bernd Ondruch, Managing Partner des ebenfalls schon länger in Clariant investierten Londoner Hedge Funds Astellon Capital Partners, stützt dagegen das Argument von Kottmann.

Win-win für Investoren

Gespräche sind also wichtig – nicht nur mit White Tale. Besagter Asset Manager vertritt keine Einzelmeinung, wenn er sagt: «Clariant hätte für die Aktionäre schon oft sehr viel Wert schaffen können.» Im nun aufgelegten Deal erwerbe Clariant ein qualitativ schlechteres Geschäft gegen eine Prämie respektive gebe die Kontrolle über ein besseres Geschäft gegen einen Abschlag auf. Wie er abstimmen wird, weiss er aber noch nicht.

«Wir befinden uns mit White Tale im Austausch», heisst es von Clariant. «Wir nehmen die Interessen all unserer Aktionäre ernst und halten fest an unserer lange praktizierten offenen und verpflichtenden Einstellung ihnen gegenüber.» Von anderen opponierenden Aktionären habe die Gesellschaft derzeit keine Kenntnis, sagt ein Sprecher, der auch bestätigt, dass die Aktionärsgruppe um die früheren Süd-Chemie-Eigner – sie hält rund 14% der Aktien – den Plan vorbehaltslos stütze.

Bernd Ondruch von Astellon Capital Partners sieht die ganze Gemengelage – den ganzen Prozess der Entscheidungsfindung und die industrielle Logik der anvisierten Lösung – zwar ebenfalls kritisch. Huntsman sei nicht erste Wahl. Aber: «Ich glaube an die Synergien. Sie sind attraktiv und meines Erachtens konservativ kalkuliert.» Clariant sei vorher schon unterbewertet gewesen, und mit Synergien von 5 bis 6 Fr. je Aktie gelte das erst recht. Ein Übernahmeangebot hätte den Aktionären kaum mehr eingetragen. Das Geld wäre aber sofort verfügbar gewesen.

Für Investoren leitet sich daraus Win-win-Situation ab: Kommt es zur Fusion und verläuft diese wie geplant, wird der zusätzliche Wert nach und nach in den Kurs einfliessen. Wird die Fusion von den Aktionären abgelehnt, braucht es eine neue Lösung, die ebenfalls Mehrwert verspricht.

Die komplette Historie zu Clariant finden Sie hier. »

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