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09:06 Uhr - 19.11.2014

Der Markt probt das Ende des Mindestkurses

Der Franken notiert auf Interventionsniveau. Kein Experte zweifelt aber an der Macht der Nationalbank, die Eurountergrenze zu verteidigen.

zoomAuch zu Wochenbeginn bewegt sich der Franken hautnah am Mindestkurs. Am Dienstag kostete 1 € 1.2014 Fr. Wertet sich der Franken also nur noch einen Zehntelrappen auf, muss die Schweizerische Nationalbank (SNB (SNBN 1055 -1.77%)) in den Handel eingreifen und den Euro stützen. 2011 hatte sie 1.20 Fr./€ als zulässigen Mindestkurs fixiert und seither versprochen, dass sie mit aller Konsequenz Devisen aufkaufen werde, um zu verhindern, dass sich der Euro unter 1.20 Fr. abwerte. Die Warnung  wirkte. Seit August 2012 kam der Wechselkurs nicht mehr in die Nähe der Schwelle – bis heute.

Warum der neuerliche Angriff auf die Untergrenze nach so langer Zeit? Genau genommen setzte er bereits im Sommer ein. Aber anfangs war er nicht auf das Franken-Euro-Paar konzentriert. Vielmehr knickte der Euro generell ein. Die Europäische Zentralbank (EZB) betreibt eine gezielte Abwertungspolitik. Erstmals in ihrer Geschichte beschloss sie im Juni, für Einlagen Negativzinsen zu verrechnen. Angesichts der massiven Überschussreserven, die Banken bei der EZB parken, ein  folgenschwerer Beschluss. Liquiditätsmanager suchten andere Parkplätze. Viele wichen ins Ausland aus.

zoomAusserdem kündigte sie an, künftig massiv Geld zu schöpfen, während sich in den USA die Notenbanker zusammenraufen, um die Geldpolitik künftig zu straffen. Seit Mitte Juli verlor der Euro zum Dollar an Wert. Bis Oktober ging es steil abwärts, von 1.36 auf 1.25 $/€. Die Euroschwäche übertrug sich auf die Bewertungen zum Franken. Der Kurs sackte von 1.22 auf 1.2050 Fr./€ und bedrohte damit ab September erstmals den Mindestkurs.

Goldinitiative schürt Zweifel

Nach einer kurzen Pause setzte sich die Talfahrt im November fort. Zum einen wertet sich der Euro weiter zum Dollar ab, zeitweise bis 1.24 $/€. Grosse Player sprangen auf den Zug auf und senkten ihre Europrognosen. Aber erstmals hat der Franken-Euro-Kurs eine eigene Dynamik nach unten entwickelt. Sie lässt sich auf die Goldinitiative zurückführen, über die am 30. November abgestimmt wird.

In der Öffentlichkeit hat sich das Argument durchgesetzt, dass bei einer Annahme der Initiative die SNB in der Ausübung ihrer Geldpolitik beschränkt würde. Die Pflicht, 20% der Aktiven in Gold (Gold 1198.855 0.3%) zu halten, sowie das Verbot von Goldverkäufen hätten zur Folge, dass sie den Mindestkurs nicht mehr mit aller Konsequenz verteidigen kann. Irgendwann sei der Punkt erreicht, an dem sie Inflation auslöst, aber die Bilanz nicht mehr zu verringern vermag, argumentieren Währungsanalysten unisono.

Tatsächlich läuft am Markt eine Wette gegen den Mindestkurs. Das lässt sich an den Optionspreisen und den Terminkursen ablesen. «In den Handelssystem werden Kurse unter 1.20 Fr./€ geboten, ein Hinweis darauf, dass auch solche Positionen offen sind», sagt Ursina Kubli, FX-Strategin von Bank Sarasin. «Das Handelsvolumen in Euro-Franken hat angezogen», bestätigt auch Constantin Bolz von UBS (UBSN 16.8 0.06%). Die Bereitschaft, den Franken-Euro-Wechselkurs zu versichern, habe zugenommen. Die Optionspreise resp. die impliziten Volatilitäten nehmen nach dem Termin 30. November klar zu. Investoren zahlen hohe Prämien, um sich abzusichern, weil sie nicht mehr sicher sind, dass die von der SNB garantierte Untergrenze von 1.20 Fr./€ in einem Jahr immer noch gilt.

Wette wider die Vernunft?

Nur stehen die Marktentwicklung und die Experteneinschätzung einander diametral entgegen. «Die Märkte testen ein weiteres Mal die Entschlossenheit der SNB, werden aber wieder den Kürzeren ziehen», schreibt der Chef des Devisenresearch von UniCredit, Vasileios Gkionakis. Keine Bank geht in ihren Prognosen offiziell davon aus, dass der Mindestkurs nach unten durchbrochen wird. Keine zweifelt an der Glaubwürdigkeit der SNB. Zudem ist die Furcht vor einer raschen Aufgabe des Mindestkurses nicht plausibel. Die Initiative sieht mehrjährige Übergangsphasen vor, und der Weg zu einem Gesetz wird ebenso lange dauern.

Verhält sich der Markt also irrational? Nur auf den ersten Blick. Für viele ist es verlockend, dass das Gewinn-Verlust-Risiko asymmetrisch verteilt ist. Hält der Mindestkurs, dürfte sich der Wechselkurs erneut gegen 1.22 bis 1.24 Fr./€ bewegen, also maximal 3% Verlust einfahren. Tritt das Unwahrscheinliche ein und bricht der Damm, öffnet sich ein unbekanntes Terrain. Der Franken wertet sich dann unkontrolliert auf und spült ein Mehrfaches an Gewinn in die Kassen der Spekulanten.

Die Zustimmung schwindet

Die Zustimmung zur Initiative selbst scheint abzunehmen. Eine Kundenumfrage bei Société Générale (SG), die letzten Donnerstag durchgeführt wurde, ergibt, dass nur ein Viertel der Befragten mit der Annahme rechnet. Das ist deutlich weniger als in der repräsentativen SRG-Umfrage vom 24. Oktober, die 44% Zustimmung ermittelte. 17% waren damals unentschlossen. Die nächste Befragung soll heute Mittwoch publiziert werden.

Für Analysten wie Gkionakis stellt sich bereits die «heisse Frage», ob die SNB nach einer Ablehnung der Initiative weitere Massnahmen beschliesst. Auch hier sind sich die von SG befragten Hedge Funds, Firmen und institutionellen Investoren sicher: Sie erwarten, dass die SNB 2015 Negativzinsen einführen wird.

Anleitung zur DevisenmarktinterventionDie Nationalbank steht kurz vor einer Devisenmarktintervention. Das letzte Mal, als sie in das Marktgeschehen eingriff, um die Abwertung des Euros zu stoppen, notierte der Wechselkurs 1.201 Fr./€. Am Dienstag wurde das Paar zu 1.2014 Fr./€ gehandelt. Um mit den Käufen den erwünschten Erfolg zu erzielen, muss sie einige Regeln beachten.

«Entscheidend ist nicht das Volumen der Intervention, sondern die Signalwirkung, die sie mit ihr an die Märkte sendet», erläutert Kubli. Der tägliche Handelsumsatz im Wechselkurs wird auf umgerechnet 83 Mrd. Fr. geschätzt. Sich gegen solche Volumen zu stemmen, kann schnell teuer werden. Sie wird möglichst agieren, wenn die Volumen niedrig sind, zum Beispiel nachts.

Allerdings muss die Aktion für alle sichtbar sein. Damit sie wirkt, gilt es, den optimalen Zeitpunkt zu finden. Dabei ist es hilfreich, wenn sie mit einem Ereignis zusammenfällt, auf das die Märkte reagieren. Auf diese Weise kann die Nationalbank die Marktbewegung verstärken und sie so für den eigenen Zweck nutzen; beispielsweise ein überraschender Rückgang der Befürwortung der Initiative in einer Umfrage, der die Marktstimmung umschwenken liesse.

Und die Nationalbank sollte nicht zu lange warten. Das hat sie am Osterwochenende 2012 gelernt, als im asiatischen Handel der Kurs unter 1.20 Fr./€ fiel. «Ein riesiger Lapsus», kommentiert Kubli. Den Fehler werden die Währungshüter nicht wiederholen.

Die Nationalbank kaufte zuletzt im Laufe des Jahres 2012 Devisen im Wert von 188 Mrd. Fr., um den Mindestkurs zu verteidigen. Ihre Fremdwährungsreserven betrugen Ende Oktober 460 Mrd.

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