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13:50 Uhr - 04.12.2014

EZB verzichtet auf Zinsänderung

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte, die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität erwartungsgemäss auf 0,05%, 0,3% und –0,20% belassen.

14:33
Die Pressekonderenz im Anschluss an den Zinsentscheid hat angefangen. EZB-Präsident Mario Draghi erklärt, die EZB habe begonnen, ABS und Pfandbrief zu kaufen. Die Käufe würden mindestens 2 Jahre dauern. Nächste Woche würden zudem die zweiten Lanfristfinanzierungen an Banken vergeben. Diese zwei Massnahmen würden ausreichen, um die Bilanz der EZB wie angestrebt um rund 1 Bio. € auszudehnen. Im Januar werde der EZB-Rat den Effekt der bisherigen Massnahmen auf die Teuerung neu evaluieren. Sollten sich die bisherigen Massnahmen nicht als genügend erweisen, sei der EZB-Rat einstimmig dazu bereit, weitere unkonventionelle Massnahmen zu beschliessen. Diese könnten Umfang, Geschwindigkeit und Zusammensetzung der Wertschriftenkäufe verändern und schnell umgesetzt werden, entsprechende Vorbereitungen seien im Gange.

Zinsentscheid

(Reuters) Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins erwartungsgemäß nicht angetastet. Der Schlüsselzins für die Geld-Versorgung des Bankensystems bleibe bei 0,05 Prozent, teilte die Euro-Notenbank am Donnerstag in Frankfurt nach der letzten geldpolitischen Sitzung in diesem Jahr mit. EZB-Präsident Mario Draghi wird die Gründe für den Beschluss am Nachmittag (14.30 Uhr MEZ) vor der Presse erläutern.

Der Hintergrund

Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang November keine neuen Massnahmen beschlossen hatte, war die Sitzung für ihren Präsidenten Mario Draghi ein Erfolg: Er hatte dem EZB-Rat eine einstimmige Rückendeckung für weitere unkonventionelle Massnahmen abgerungen.

Schon im September hatte Draghi die Ausdehnung der EZB-Bilanz um 1 Bio. € auf 3 Bio € – den Stand von 2012 – zum Ziel erklärt. Damit löste er eine Lawine von Berechnungen in der Finanzbranche aus.

Alle guten Gründe für QE

Heerscharen von Ökonomen wollten wissen, ob die beschlossenen Massnahmen 1 Bio. € auf die Waage bringen. Dazu gehörten die an die Vergabe von Krediten gebundenen Langfristrefinanzierungsoperationen (Targeted Longer Term Refinancing Operations, TLTRO) vom Juni und die im September angekündigten und bereits angelaufenen Käufe von Pfandbriefen und mit Krediten besicherten Verbriefungen (Asset Backed Securities, ABS).

Mit ABS können Banken Kreditrisiken bündeln und am Markt damit handeln. Damit werden Mittel frei, um Darlehen zu vergeben. Pfandbriefe sind ein wichtiges Refinanzierungsmittel für Banken.

Die EZB ortete bei Pfandbriefen 600 Mrd. €, bei ABS 400 Mrd. €. Doch ob TLTRO oder  Kaufprogramme, mit schöner Regelmässigkeit winkten die Experten ab: Die von der EZB anvisierten Märkte seien zu klein. Keine Ausnahme waren Unternehmensanleihen, über deren Kauf durch die EZB im Vorfeld der Novembersitzung spekuliert worden war. Seit sie darin enttäuscht wurden, hofften die Märkte auf eine vollumfängliche Quantitative Lockerung im Stil des Fed (Quantitative Easing, QE).

Geschürt wurde diese – vorerst letzte –  Hoffnung mit Draghis Rede vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments vor rund zwei Wochen, in der er die Einstimmigkeit im Rat für weitere Massnahmen wie eine Trophäe herumreichte. Und: Er schloss den Kauf von Staatsanleihen explizit darin ein.

Draghi unterstrich die Notwendigkeit, die Inflation möglichst schnell wieder in Richtung 2% zurückzuführen, um die Eurozone dem Deflationssog zu entziehen. EZB-Vizepräsidenten Vítor Constâncio äusserte sich zudem öffentlich über die Ausgestaltung eines möglichen Staatsanleihekaufprogramms: Die Höhe der Asset-Käufe müsse sich an den EZB-Anteilen der nationalen Notenbanken orientieren.

Zugleich versuchte er, Bedenken bezüglich der Nebenwirkungen umfangreicher Wertschriftenkäufe zu zerstreuen. Primäre Aufgabe der EZB sei es, für Preisstabilität zu sorgen. Mögliche Vermögenspreisblasen müssten dabei in Kauf genommen werden. Auch sei die Notenbank nicht dazu da, Strukturreformen von den Euroländern einzufordern.

Und auch die Makroseite scheint die Hoffnungen zu bestärken: Nicht nur sind die mittelfristigen Inflationserwartungen seit August, als Draghi in seiner Rede in Jackson Hole erstmals Alarm schlug, hartnäckig unter das Ziel von knapp unter 2% gesunken. Zuvor waren diese aus Swaps abgeleiteten Markterwartungen relativ fest verankert gewesen – ein Argument, das Draghi vor August regelmässig gegen eine reale Deflationsgefahr ins Feld führen konnte. Seit 2007 betrugen sie im Durchschnitt 2,36%.

Was die Analysten erwarten

zoomzoomUnterdessen sind die Konsumentenpreise weiter gesunken. Die Teuerungsrate der Eurozone ist im November gemäss erster Schätzung mit 0,3 nach 0,4% im Oktober auf ein Tiefst gefallen. Verantwortlich waren primär die Energiepreise, deren Jahresrate auf –2,5% absackte (nach –2% im Oktober). Wie Anleihenmanager Bantleon herausschält, blieb aber offenbar auch der sonst im November übliche Preisanstieg bei Pauschalreisen aus, sodass die Jahresrate der Dienstleistungspreise ebenfalls nachgab (von 1,2 auf 1,1%). Und auch die Kerninflation, die die Teuerung ohne Energie- und Lebensmittelpreisen misst, lässt nichts Gutes erahnen: Die Zahl der Länder mit einer Kerninflation von unter 1% steigt stetig.

Es ist dieser immer dringendere Handlungsbedarf, der einige Experten ein breit angelegtes QE bereits diesen Donnerstag erwarten lässt, darunter Credit Suisse (CSGN 26.12 0.15%). Andere sehen die Chancen erhöht, halten aber eine Ankündigung in den ersten Monaten 2015 für wahrscheinlicher. Sie stellen sich auf den Standpunkt, die EZB wolle den Effekt bisheriger Massnahmen abwarten. Für die Analysten von Deutsche Bank (DBK 26.6 0.39%) (DB) etwa zielte Draghis letzte Rede mehr darauf ab, die bisher beschlossenen Käufe privater Wertschriften zur Bilanzexpansion zu legitimieren, als darauf, den Weg für ein bevorstehendes QE zu ebnen.

Draghi habe sich darin weiter zuversichtlich gezeigt, die Bilanz mit den beschlossenen Massnahmen wie angestrebt ausdehnen zu können. Am 4. Dezember werde das ABS-Programm zudem erst seit zwei Wochen operativ sein. Die Resultate des zweiten TLTRO würden erst am 11. Dezember veröffentlicht – zu früh, um Bilanz zu ziehen. DB erwartet ein QE spätestens Ende des ersten Quartals 2015.

Anleihenmanager Bantleon geht davon aus, dass die EZB am Donnerstag zunächst mit einem Kaufprogramm für Unternehmensanleihen und womöglich supranationalen Anleihen ein Zeichen setzt. Ein umfassendes QE inklusive Staatsanleihen dürfte im Januar folgen.

Auch Bank of America (BAC 17.29 0.82%) Merrill Lynch erwartet kein QE diesen Donnerstag. Spätestens in der Ratssitzung vom 5. März werde die EZB aber ein Wertschriftenkaufprogramm ansagen, das auch Staatsanleihen umfasse. Merrill Lynch bezweifelt aber, dass ein solches QE einen ähnlichen Vermögenseffekt haben werde wie in den USA, weil die Haushalte in Europa traditionell weniger Wertschriften hielten. Der durch die Käufe der Notenbank beabsichtigte Anstieg der Preise der gehaltenen Wertschriften würde damit das Vermögen der Konsumenten und Anleger weniger aufblähen.

Dass die EZB auch Unternehmensanleihen kaufen werde, hält die US-Grossbank weder für wahrscheinlich, noch für sinnvoll. Erstens seien für europäische Unternehmen Bankkredite wichtiger zur Finanzierung als der Kapitalmarkt. ABS hätten daher einen direkteren Effekt. Ausserdem würde der isolierte Entscheid zum Kauf von Unternehmensanleihen den Eindruck verstärken, die EZB kaufe weiterhin alles ausser Staatsanleihen, aus Angst vor dem Vorwurf ihr Verbot der Staatsfinanzierung zu verletzen.

Ähnlich der Schweizer Vermögensverwalter Aquila: Der Europäische Gerichtshof werde Mitte Januar Stellung zur Rechtmässigkeit unlimitierter Käufe von Staatsanleihen im Rahmen des bedingten Kaufprogramms von 2012 (Outright Monetary Transactions, OMT) nehmen. Diesen Entscheid werde die EZB abwarten.

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