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12:13 Uhr - 03.12.2015

«Der Dollar wird kippen»

Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, gehört zu den wenigen Strategen, die einen schwächeren Dollar voraussagen. «Der Devisenmarkt ist zu einseitig à la Hausse positioniert», sagt er. «Mit einer Gegenbewegung ist zu rechnen.»

Fünf Thesen vertritt die St. Galler Kantonalbank (SGKN 360 0.7%) fürs Anlagejahr 2016. Vier decken sich mehr oder minder mit den Voraussagen anderer Institute: Eine von Unsicherheit geprägte unstete Entwicklung an den Aktienmärkten, ein anhaltend günstiger Ölpreis, eine umsichtige, sprich, trotz gradueller Zinserhöhung weiter expansive US-Geldpolititik, und ein stotternder Schweizer Wirtschaftsmotor. Letzteres hat mit dem starken Franken zu tun.

Aus Sicht von Chief Investment Officer Thomas Stucki, der früher selbst in leitender Funktion bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB (SNBN 1098 0.27%)) tätig war, wird die SNB alles daran setzen, die bestehende negative Zinsdifferenz zum Euro beizubehalten. «Wenn die Europäische Zentralbank nur den Einlagezins für die Banken verändert und den Referenzsatz unverändert lässt, wird auch die Nationalbank nicht am Leitzins von –0,75% rütteln. Das ist mein Hauptszenario», sagte er an der Ausblickpräsentation am Donnerstagvormittag, vor dem mit Spannung erwarteten Entscheid aus Frankfurt.

Wo sich die Bank vom Konsens unterscheidet, ist beim Dollar. Das sich anbahnende Auseinanderlaufen der Zinspolitik zwischen den USA und Europa und Japan hat unter Anlagestrategen zur fast einhelligen Meinung gefüht und diese im Vorfeld des zinsbeschluss-geschwängerten Dezembers noch zementiert: Mit dem Dollar kann es zu Euro, Franken und Yen nur aufwärts gehen. Dem widerspricht Thomas Stucki. Spekulative Anleger sind massiv, für Stucki «zu einseitig Long-US-Dollar» positioniert.

zoom Quelle: SGKB/Bloomberg

Höher geht kaum

Der Dollarkurs nimmt in Stuckis Augen die erwartete erste und möglicherweise eine weitere US-Leitzinserhöhung bereits vorweg. «Und wenn die Fantasie für den Dollar nicht mehr geschürt werden kann, ist eine Umkehr nicht mehr fern.» Die US-Währung werde von zurzeit 1.03 Fr. pro Dollar wieder unter Parität fallen und Ende 2016 spürbar unter 1 Fr. notieren. Beim Zinsentscheid des Fed am 16. Dezember würden sich wohl manche Investoren an den Grundsatz halten: «Buy the rumor, sell the news.»

Der Währungsvorteil, den die Schweizer Exportwirtschaft aufgrund der Dollarhausse im Dollarraum genossen hat, würde damit verschwinden. Dafür rechnet die St. Galler KB mit einem stabilen Euro/Frankenkurs im nächsten Jahr im Bereich von 1.10 Fr./€. «Das ist der realistische Wert, der Kurs, den der Markt zu zahlen bereit ist – nicht 1.20 Fr, wie die SNB damals meinte, als sie den Franken an den Euro band», sagt Stucki. «Die Währungsrelation zum Euroland wird damit berechenbarer, auch wenn der Anpassungsdruck für die Schweizer Wirtschaft damit nicht kleiner wird.»

Wackelbörse

Dem Anleger rät die St. Galler KB für 2016 zu einem «dicken Nervenkostüm und einer durchdachten Anlagestrategie, der man auch in stürmischen Zeiten die Treue hält». Konkret heisst das für den Start ins kommende Jahr: Ein Untergewicht in Obligationen – im ausgewogenen Portfolio eines Privatkunden der Bank sind das aktuell 44% –, ein Übergewicht in Aktien (55% gegenüber der strategischen Allokation von 50%) und 1% in Liquidität.

Währungsmässig entfallen knapp drei Viertel des Portfolios auf Franken-Anlagen. Aktienseitig sind die Schweiz mit 36%, US-Aktien mit 24% und Europa mit 18% vertreten. Die Begeisterung für Aktienanlagen im Euroland, die viele Strategen umtreibt, teilt das St. Galler Insitut nur bedingt. Dafür richtet sich sein Blick selektiv in Richtung Schwellenländer, auf die 15% des Aktienportofolios entfallen.

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