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13:17 Uhr - 20.12.2016

«Trump wird nicht die nächste Hausse auslösen»

Michael Strobaek, CIO der Credit Suisse, sieht in der Demografie den Hauptgrund für die niedrigen Zinsen und das Ausbleiben eines Bullenmarktes für Aktien.

Herr Strobaek, die US-Notenbank hat für 2017 drei Zinserhöhungen in Aussicht gestellt. Ist das realistisch?
Wir gehen von zwei Zinsschritten aus. Das Fed war stets etwas zu progressiv im Willen, die Zinsen anzuheben, und wurde jeweils vorsichtiger, wenn die Daten und Fakten veröffentlicht wurden.

Michael Strobaek: «Wir befinden uns in einer weltpolitischen Übergangsphase.» Bild: ZVGWarum rechnet das Fed mit drei Schritten?
Die US-Notenbank will wohl ihre Unabhängigkeit deutlich machen und ein Signal senden, dass sie bereit ist, wenn die Wirtschaft wächst und die Fiskalpolitik so aggressiv ausfällt, wie der neue Präsident Donald Trump angekündigt hat. Sie liegt aber weit hinter ihren eigenen Zinserhöhungsplänen zurück.

Wie lange geht das geldpolitische Auseinanderdriften – das Fed erhöht die Zinsen, die europäische und die japanische Zentralbank bleiben expansiv – gut?
Für Europa kann das gutgehen, sofern der Euro schwächer wird. Die Europäische Zentralbank wird womöglich unfreiwilliger Financier von Trumps Fiskalpolitik. Sofern der Dollar erstarkt, werden Gelder aus Europa in US-Anlagen fliessen.

Zinsen und Dollar steigen – wird das nicht zum Problem für Wirtschaft und Börse der USA?
Wenn die Aufwertung zu schnell abläuft, schon. Für die Börse und vor allem für die grosskapitalisierten Werte wäre ein starker Dollar ein Problem. Um abzuschätzen, wie schnell er sich aufwertet, muss man die Renditedifferenzen zwischen US- und deutschen Staatsanleihen im zwei- bis fünfjährigen Bereich beobachten. Diese Spreads sind viel wichtiger als die langfristigen Zinsen.

Was glauben Sie – wird der Dollar zum Problem?
Wir glauben nicht an eine schnelle Aufwertung. Unsere Zwölfmonatsprognose für den Dollar entspricht in etwa den heutigen Wechselkursen. Trumps Massnahmen, sofern sie denn umgesetzt werden, werden erst später greifen.

Trump wird von den Börsen gefeiert. Teilen Sie den Optimismus?
Trump wird nicht den nächsten Bullenmarkt auslösen. Die Frage ist, wie sich Trumps Fiskalpolitik mit dem Fed einpendelt. Das kann heute niemand sagen. Dazu kommt: Seit 1920 ist die US-Wirtschaft jeweils in der ersten Amtszeit eines republikanischen Präsidenten immer in eine Rezession abgeglitten.

Ist das Potenzial für Aktien also limitiert?
Ja. Nach der Wahl von Trump wurde viel Positives eingepreist. Wir gewichten Aktien neutral. Sofern die Börsen weiter steigen, werden wir vielleicht sogar vorsichtiger, bis wir klarer sehen, was in Frankreich bei den Wahlen und in den USA mit den Unternehmensgewinnen geschieht. Frankreich ist ein viel grösseres Risiko, als die meisten denken.

Obwohl sich der Markt derzeit wenig um politische Risiken kümmert?
Für die Devisenmärkte hatten die überraschenden Ereignisse schon Konsequenzen. Das Pfund ist seit dem Brexit-Entscheid schwach, während der Dollar seit der Wahl Trumps erstarkt. Sollte in Frankreich Marine Le Pen gewählt werden, wäre das extrem negativ für den Euro und zunächst auch für europäische Aktien. Letztere könnten sich wegen des schwachen Euros dann aber erholen wie britische Aktien nach dem Brexit-Entscheid. Was mich aber vor allem beunruhigt: Wir befinden uns in einer grossen weltpolitischen Übergangsphase. Trump und Brexit waren bipolare Ereignisse, und weitere werden folgen.

Bricht die Eurozone auseinander, wenn Le Pen gewählt wird?
Ja, davon gehe ich aus. Es kann dauern, bis es so weit ist, aber alle Zeichen deuten darauf hin. Die Wahl Le Pens wäre eine katastrophale Abkehr von der starken Allianz (ALV 157.2 0.58%) zwischen Deutschland und Frankreich, die Europa zusammengehalten hat. Europa kann sich nicht finden, wenn sich Deutschland und Frankreich nicht finden, und Frau Le Pen hat mit Frau Merkel nichts gemein.

Und falls Francois Fillon und Angela Merkel das Rennen machen?
Das wäre positiv. Frau Merkel kandidiert nicht deshalb nochmals, weil sie Lust auf das Kanzleramt hat, sondern weil sie sich als letzte liberale Führungsperson verpflichtet fühlt, gegen einen Trump anzutreten, der für eine Re-Nationalisierung der Welt steht. Das widerspricht ihren inneren Werten. Ob sie damit erfolgreich sein wird, ist eine andere Frage. Vermutlich tut sie sich keinen Gefallen.

Seit Sommer steigen die Zinsen. Wie lange geht das noch weiter?
Nicht mehr lange. Wir erwarten, dass die Rendite zehnjähriger US-Treasuries Ende 2017 bei 2,4% notiert. Zinsen von 3,5% oder höher halten wir für unwahrscheinlich, denn dafür gibt es zu starken strukturellen Gegenwind. Dazu zählen die Demografie und die Frage, wie aus Ersparnissen Konsum wird.

Was ist das Problem mit der Demografie?
Haupttreiber der Finanzmärkte sind nicht mehr die Fünfzigjährigen wie während der Technologieblase um die Jahrtausendwende. Diese Generation, in deren Händen sich die grossen Vermögen befinden, steht inzwischen vor der Pensionierung und investiert vorsichtiger. Deshalb sind und bleiben die Zinsen so lange tief. Die Gelder werden wohl erst investiert, wenn eine neue Generation übernimmt.

Das spricht auch gegen die grosse Rotation aus Anleihen in Aktien, die immer wieder ins Feld geführt wird?
Genau – ich sehe wenige Privatinvestoren, die in Aktien umschichten, nur weil die Anleihenrenditen niedrig sind. Die Anleger glauben nicht an eine strukturelle Aktienhausse, und deshalb wird es auch nicht dazu kommen.

Das klingt, als wären Anleihen attraktiv.
Wir sind neutral in Bonds. Wir haben derzeit keine grösseren Übergewichtungen auf Stufe Anlageklasse, sondern nur innerhalb der Anlageklassen. Die Risikoprämie von Schwellenländeranleihen in Hartwährungen steht bei 6% – das ist attraktiv. Unternehmensanleihen mit Anlagequalität aus dem Finanzbereich mögen wir ebenfalls. Bei Aktien haben wir eine Präferenz für Australien und die Schweiz. Den Dollar sehen wir positiv, und innerhalb des Rohstoffbereichs setzen wir auf Öl.

Was spricht für Schweizer und australische Aktien?
Für die Schweizer Börse sprechen die Faktoren Qualität, Bewertung und Dividendenrendite sowie die weltweite Konjunkturerholung, von der vor allem die klein- und mittelkapitalisierten Unternehmen profitieren. Australien profitiert von der Stabilisierung der Rohstoffpreise sowie dem Wachstum in China und ist zudem attraktiv bewertet.

Europäische Aktien mögen Sie wohl nicht.
Das Fehlen von Wirtschafts- und Gewinndynamik sowie das politische Risiko sprechen gegen europäische Aktien. Europa braucht Kreditwachstum – davon ist nichts zu sehen. Die Löhne stagnieren ebenfalls. Europa handelt zwar mit einer Risikoprämie, die indes den Brexit und einen unliebsamen Wahlausgang in Frankreich oder Deutschland noch nicht berücksichtigt.

Was halten Sie von den Börsen der Schwellenländer?
Insgesamt sind wir bei Aktien aus Schwellenländern neutral positioniert, in Asien – vor allem in China – aber übergewichtet.

Der steigende Dollar beunruhigt Sie nicht?
Doch, aber wir glauben an asiatische Aktien. Der steigende Dollar wird für die Schwellenländer nicht gut sein – eine Schwellenländerkrise ist ein grosses Risiko.

Welche Länder sind besonders exponiert?
Vor allem Lateinamerika und China. Gleichzeitig mögen wir chinesische Aktien, weil wir an die Erholung der Binnenwirtschaft glauben. Die Abwertung des Renminbis ist richtig, auch wenn China das nicht so offen sagen kann. China muss sich vom Dollar abwenden und seinen handelsgewichteten Wechselkurs mehr auf Europa und Asien ausrichten. Wie Trump damit umgehen wird, kann aber niemand sagen.

Was bereitet Ihnen in China am meisten Sorgen?
Die Verschuldung, die in die falsche Richtung läuft. Ein Kredit-Boom mit anschliessendem Bust ist ein reales Szenario. China wird vollständige Kapitalkontrollen einführen, wenn es nötig ist. Sollte der Renminbi einbrechen, hätten wir eine Schwellenländerkrise.

Geht die Erholung der Bankaktien weiter?
Damit Banken weiter gut abschneiden, muss man stark an das Wachstum der Wirtschaft glauben. Profitiert haben die Finanzwerte von der steileren Zinskurve, der Aussicht auf weniger Regulierung sowie den Anzeichen, dass der Stab von der Geld- an die Fiskalpolitik übergeben wird. Die Geldpolitik war zwar gut für Vermögenswerte, nicht aber für Finanztitel. Eine Reflationierung durch Fiskalpolitik mit Investitionen in die Realwirtschaft wäre für Banken besser.

Was empfehlen Sie bei anderen Sektoren?
Technologie bietet Wachstum zu einem günstigen Preis. Bis auf die Gesundheitswerte sehen wir von defensiven Titeln eher ab – das war der Trade der letzten vier bis fünf Jahre und dürfte vorbei sein.

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