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06:59 Uhr - 20.04.2015

Warum Libor-Hypotheken nicht billiger sind

Die Differenz zwischen dem Geldmarktzins und den variablen Hypozinsen hat sich verdoppelt. Hypothekarschuldner subventionieren damit Sparer.

Es riecht nach Bereicherung der Banken auf Kosten der Kreditnehmer: Variable Hypotheken kosten immer noch etwa 1%, obwohl der Referenzzins Libor seit Einführung der Negativzinsen der SNB (SNBN 1299 0.15%) auf mittlerweile –0,81% gefallen ist.

zoomWenn Kreditinstitute sich am Markt Geld zu minus 0,8% beschaffen können, müssten sie doch eigentlich variable Hypotheken zu viel tieferen Sätzen anbieten können. Die Marge, der Gewinn der Bank, betrüge bei einem Marktzinssatz von –0,8% und einem Hypozins von 0% ja immer noch 0,8 Prozentpunkte. Und anders als bei Festhypotheken sind die Absicherungskosten wegen Negativzinsen nicht gestiegen, denn das Zinsänderungsrisiko trägt bei variablen Hypotheken der Kunde, nicht die Bank (vgl. Text unten).

So einfach wie es klingt, ist die Rechnung aber nicht. Denn erstens ist der Geldmarktzinssatz Libor nicht der relevante Zins, zu dem sich Schweizer Banken Geld leihen, und zweitens können sich Banken auch bei variablen Hypotheken nicht einfach nur über den unbesicherten Dreimonatsgeldmarkt refinanzieren.

Subvention der SparerZinsgutschrift für die HypothekBeim spanischen Finanzinstitut Bankinter haben einige Schuldner eine Zinsgutschrift für die Libor-Hypothek erhalten. Lesen Sie hier mehr.

«Der Libor-Satz spielt bei der Zinsgestaltung nur eine Nebenrolle», sagt Adrian Wenger, Hypothekarberater beim VZ Vermögenszentrum. Die Banken refinanzierten die Hypothekarkredite vor allem über Spargelder. Auf diesen Geldern ist der Zins nicht –0,8%, sondern leicht über Null.

«Wenn man nur das Aktiva-Geschäft betrachtet, wäre die Rechnung Libor-Satz plus 1% Marge die ehrliche Variante», sagt Michael Hartmann, Vertriebsleiter bei der Finanzberatungsplattform Moneypark. Doch müsse man auch die Passivseite und das Zinsrisiko der Bank berücksichtigen. Spareinlagen sind Forderungen der Kunden gegenüber der Bank und sind deshalb Passiva in der Bilanz. Auf der Aktivseite stehen die Kredite, die eine Bank vergibt. «Die Banken möchten keine negativen Zinsen auf Spareinlagen erheben, um Abflüsse zu verhindern», erklärt Hartmann. Damit «bezahlt letztlich der Hypothekarschuldner den Negativzins». Kreditnehmer subventionieren also die Sparer.

Aber warum zapfen die Banken nicht den Geldmarkt an, was für sie viel billiger wäre? «Das wäre viel zu riskant und unseriös», sagt Martin Bardenhewer, Treasury-Chef der ZKB. «Die Finanzierung wäre zu instabil. Es könnte ja sein, dass der Bank nach drei Monaten, wenn sie sich neu refinanzieren möchte, auf einmal keine Geld mehr geliehen würde». Bardenhewer erinnert an das Debakel der britischen Hypothekenbank Northern Rock, die genau daran zu Grunde ging. Hypotheken zählen zu den Kernaktiven einer Bank und werden deshalb mit der stabilsten Finanzierungsquelle unterlegt. Das sind laut Bardenhewer das Eigenkapital gemäss Mindestvorgaben des Regulators, Pfandbriefe und Anleihen sowie Kontoeinlagen. «Dieser Refinanzierungsmix hat derzeit noch einen positiven Zins.»

zoomEs stimme auch nicht, dass Banken die variable Hypotheken einfach zum Dreimonats-Libor refinanzieren könnten, sagt Bardenhewer.  Die variablen Hypotheken sind zwar an den kurzfristigen Zins gebunden, sie laufen aber, wie vertraglich festgelegt, länger als nur drei Monate. Die Banken müssen dann eine sogenannte fristenkongruente Refinanzierung sicherstellen. Für variable Hypotheken gelte also nicht der Dreimonatszinssatz, sondern ein höherer für die Dauer der Hypothek, erklärt Bardenhewer. Und dann ist da auch noch der Regulator. Er «bestraft» die Refinanzierung auf dem unbesicherten Interbankenmarkt, indem er über die Eigenmittelanforderungen Anreize setzt, sicherere Finanzierungsquellen anzuzapfen. «Daher finden im unbesicherten Interbankenmarkt weniger Transaktionen statt», erklärt Bardenhewer.

Verschiedene Ellen

Der Libor-Satz kommt durch die Einschätzung eines Panels von elf Banken zustande, darunter UBS (UBSG 18.85 -1.15%) und CS. Nach den Betrugsfällen ist die Festlegung des Libors inzwischen zwar reguliert und genügt den Standards der Börsenaufsicht. Doch der Index beruhe immer noch auf zu geringen Transaktionsvolumen, sagt Bardenhewer. «Die Schweizer Banken, Pensionskassen und Vermögensverwalter leihen sich nicht zu solch negativen Zinsen Geld aus». Der tatsächliche Dreimonats-Refinanzierungssatz liegt gemäss Bardenhewer zwischen 0,81% und leicht über null.

Die Banken bereichern sich demnach nicht auf Kosten der Hypothekarschuldner mit variablen Zinsen. Stossend ist allerdings die unterschiedliche Praxis bei variablen und Festhypotheken. In Verträgen für Libor-Hypotheken gilt ein Mindestlibor-Satz von 0%. Bei der Kündigung einer Festhypothek hingegen stellt die Bank dem Kunden die Differenz des entgangenen Zinses zum Wiederanlagesatz in Rechnung. Dieser orientiert sich am Marktzins, ist also negativ. «Dort gilt dann der Negativzins», kritisiert Hartmann. Dem stimmt Wenger vom VZ zu: «Die Banken forcieren das Geschäft mit Festhypotheken. Es sagt aber den Kunden niemand, wie teuer der Ausstieg wird.» Die fehlende Risikoaufklärung könnte sich in der Vermögensverwaltung niemand leisten und würde vom Regulator bemängelt.

Wie Banken Zinsänderungsrisiken absichernWenn eine Bank eine zehnjährige Festhypothek vergibt, erhält sie über diese Periode fix den festgelegten nominalen Zins pro Jahr, als würde sie eine Staatsanleihe kaufen. Steigt das Zinsniveau, wird ein fixierter Zins zum Problem.

So, wie die Staatsanleihe an Wert verliert, da es unterdessen viel bessere Anlagemöglichkeiten gibt, wird die Festhypothek für die Bank sprichwörtlich «zur Hypothek». Die Zinsen, die sie auf Spareinlagen und neuen Verbindlichkeiten bezahlen muss, können unter Umständen sogar höher sein als der feste Zins, den sie mit der Hypothek einnimmt.

Um das zu verhindern, sichern Banken das Zinsänderungsrisiko ab. Das machen sie am Kapitalmarkt mit einem sogenannten Zins-Swap-Geschäft. Am Swap-Markt werden fixe und variable Zinsen getauscht. Die Bank vereinbart mit einer Gegenpartei, jährlich über zehn Jahre einen fixen Zins zu zahlen (den zehnjährigen Swap-Satz), und bekommt dafür jeweils den aktuellen variablen Dreimonatszins (Libor). Das Zinsänderungsrisiko trägt nun die Gegenpartei.

Vor fünf Monaten, im Dezember 2014 – also vor dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Negativzinsen einzuführen –, bezahlte die Bank für ein solches Swap-Geschäft rund 0,5% fix und bekam dafür 0,05% variabel (vgl. die Zahlungsströme in blauer Farbe im Schema links), also 55 Basispunkte (Bp). Sie konnte die Festhypothek mit einer festen Marge von beispielsweise 100 Bp zu 1,5% vergeben.
Gegen Zinsänderungsrisiken ist sie jeweils abgesichert, da sie ja im Falle eines Zinsanstiegs den variablen Satz erhält. Im Zeitalter der Negativzinsen aber bezahlt die Bank derzeit fest 0,04% und bekommt dafür –0,81% (vgl. rote Ziffern im Schema). Sie zahlt also für die Absicherung 85 Bp, mehr als vorher.

Deshalb sind die Hypothekarsätze trotz tieferer Swap-Sätze nicht gefallen, sondern gar gestiegen. Das synchrone Absenken der Hypothekenzinsen wäre ohne Margeneinbussen nur möglich, wenn die Banken den negativen variablen Zins auch an ihre Finanzierer – zu einem grossen Teil Sparer – weitergeben könnten.
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