Griechenland zahlt rechtzeitig, aber die Unsicherheit bleibt. Der Grexit ist nicht vom Tisch.
Griechenland hat diese Woche einen Zahlungsausfall knapp abwenden können und am Donnerstag einen fälligen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) termingerecht zurückgezahlt. Die Rendite der 2019 fälligen Staatsanleihen ist daraufhin aber nur wenig von 18 auf 17,3% gefallen.
Die Überweisung der 450 Mio. € ist denn auch nur ein kleiner Etappensieg Athens im Schuldenrückzahlungsmarathon. In den nächsten zehn Tagen muss Hellas Zinsen in der Höhe von knapp 290 Mio. € an private und öffentliche Gläubiger bezahlen. In den Monaten Mai und Juni sind insgesamt Zinsen und IWF-Kredite von 2,5 Mrd. $ fällig. Zudem muss das Schatzamt T-Bills ersetzen. Die Refinanzierung dieser Geldmarktpapiere mit drei- oder sechsmonatiger Laufzeit wird als weniger problematisch betrachtet, solange die lokalen Banken die Papiere kaufen.
Drehbuch für einen «Grexit»Über die Höhe der Wahrscheinlichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands gehen die Meinungen der Ökonomen auseinander. Weniger umstritten scheint die Frage, wie ein solcher Grexit aussehen könnte.
Lesen Sie hier mehr.Schwieriger wird es bei den Verpflichtungen gegenüber internationalen Gläubigern: Ohne neue Hilfsgelder wird Athen die nötigen Summen nicht auftreiben können. Anfang Jahr soll der griechische Staat nach Schätzung der Bank Bantleon noch über 2 Mrd. € flüssiger Mittel verfügt haben. Sie dürften inzwischen aber aufgebraucht sein. Denn die Steuereinnahmen lagen zuletzt weit unter dem Zielniveau. Ein deutliches Plus an Mehreinnahmen ist angesichts der schwachen Konjunktur nicht zu erwarten. Die jüngsten Frühindikatoren zeigen wieder nach unten: Der Industrie-Einkaufsmanagerindex (PMI) notiert seit Anfang Jahr wieder unter der kritischen Grenze von 50, der von der EU-Kommission ermittelte Index für das Wirtschaftsvertrauen ist seit November von 102,8 auf 96,8 gefallen.
Die grosse Verunsicherung, die das Verhandlungspoker zwischen der Regierung Tsipras und Brüssel ausgelöst hat, ist Gift für die Wirtschaft und spiegelt sich auch im Misstrauen der Sparer. Seit Dezember haben die Griechen insgesamt 26 Mrd. € von ihren Bankkonten abgezogen.
Lange Reformliste
Athen versucht, durch das Anzapfen von Bargeldreserven der Staatsunternehmen und eine Strafmilderung für Steuersünder schnell an Liquidität zu kommen, doch solche Notmassnahmen dürften nicht ausreichen. Griechenland ist deshalb auf die Auszahlung der letzten Kredittranche des Hilfsprogramms aus dem Jahr 2012 angewiesen.
Lindern könnte Hellas’ Finanznot auch die Rückerstattung der Gewinne, die der Rettungsfonds EFSF und die Europäische Zentralbank (EZB) mit den griechischen Anleihen erzielt haben. Das sind nach Berechnung von Nomura immerhin fast 3,7 Mrd. € und somit genug, um die Zahlungen bis Juni zu sichern. Über die Rückerstattung dieser Gewinne sowie über eine Teilauszahlung aus dem zweiten Hilfsprogramm von 2012 wird in zwei Wochen entschieden. Der Entscheid hängt davon ab, ob sich die europäischen Partner und die griechische Regierung auf eine Reformagenda einigen können.
Griechenland hat Ende März mit Verspätung eine Liste mit 75 Vorschlägen vorgelegt. Nun muss Brüssel entscheiden, ob die Reformagenda die Anforderung des Hilfsprogramms erfüllt.
Kritische Phase im Mai
Die grosse Frage ist, wann dem Staat das Geld ausgeht und ab wann weitere Hilfsgelder fliessen. Die Analysten von Nomura und HSBC (HSBA 611.8 1.21%) sehen die kritische Phase Anfang Mai, wenn ein weiterer IWF-Kredit um 800 Mio. € fällig wird.
Das Risiko, dass Griechenland Schulden nicht rechtzeitig bedienen kann, ist wieder gestiegen. Die UBS (UBSG 19.04 0.85%) schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür unterdessen auf über 50%. Falls Hellas gegenüber dem IWF in Verzug kommt, wäre das aber noch nicht einem richtigen Zahlungsausfall gleichzusetzen und hätte laut UBS auch nicht den Austritt Griechenlands aus der Eurozone zur Folge. Dennoch sei die Wahrscheinlichkeit eines Grexit unterdessen auf mehr als ein Fünftel gestiegen. Die Ansteckungsgefahr schätzen Experten wie auch EU-Politiker geringer ein als vor vier Jahren. Die europäischen Banken haben sich aus Griechenland zurückgezogen, und die anderen Euroländer werden als robuster wahrgenommen.
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