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17:32 Uhr - 28.02.2017

«Unsere Partner fordern einen niedrigen Eurokurs»

Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts in München, über die Spannungen in Europa und die Politik von Donald Trump.

Herr Fuest, wohin steuert Europa nach der Brexit-Abstimmung und Italiens Referendum?
Es sieht so aus, als würden die Briten tatsächlich aus dem Binnenmarkt ausscheiden. Damit steigen die Handelskosten zwischen Grossbritannien und dem Rest der EU. Das Land ist die zweitgrösste Volkswirtschaft in der EU und ein sehr wichtiger Markt – gerade auch für Deutschland. Für die EU würde mit dem Ausstieg eine Epoche zu Ende gehen, in der es bisher nur um Integration ging – Ausgliederungen gab es nicht. Die mittel- und langfristigen Folgen könnten sehr negativ sein.

Zur PersonClemens Fuest (geb.: 1968) ist seit April 2016 Präsident des Ifo Instituts / Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München sowie Direktor des Center for Economic Studies (CES) der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort ist er auch Professor für Volkswirtschaftslehre. Unter anderem ist Fuest Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Programme Director des Oxford University Centre for Business Taxation, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Ernst&Young. Seine Forschungsgebiete sind öffentliche Finanzen, Staatsverschuldung und Steuern. Vor seiner Berufung nach München war er wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Wird Italien der nächste Exit-Kandidat?
Das ist nicht auszuschliessen. Italien leidet unter einer katastrophalen Wirtschaftsentwicklung, die sich nach der Finanz- und Wirtschaftskrise erheblich verschlechtert hat. Das BIP war 2015 so hoch wie zur Euroeinführung, das Pro-Kopf-Einkommen liegt heute sogar gut 7% niedriger als im Jahr 2000. Die schlechte Entwicklung ist nicht in erster Linie durch den Euro verursacht. Aber ich befürchte, dass die Politik und die Wähler in Italien den Euro für die Misere verantwortlich machen und ihn verlassen könnten.

Die Europartner kritisieren den hohen Aussenhandelsüberschuss Deutschlands.
Richtig, andererseits fordern unsere europäischen Partner immer wieder eine expansive Geldpolitik der EZB und einen niedrigen Eurokurs, um international wettbewerbsfähiger zu werden. Vom billigen Euro profitieren jedoch auch die deutschen Exporte, was massgeblich zu den Aussenhandelsüberschüssen geführt hat.

Erwarten Sie angesichts des kräftigen Anstiegs des Dollars, dass der Kurs zum Euro 2017 unter die Parität rutschen wird?
Das ist durchaus möglich. Bleibt die US-Konjunktur so stark, wie sie jetzt erscheint, dann werden die Zinsen in den USA weiterhin steigen. Die Folge: Der Dollar legt zu. Sollte Donald Trump jedoch sein angekündigtes Investitionsprogramm und die Steuersenkungen nicht realisieren – zum Beispiel weil es ihm nicht gelingt, seine eigene Partei davon zu überzeugen –, dann würde das den Anstieg des Dollars bremsen. Aber wenn Trump sich durchsetzt, kann man davon ausgehen, dass die Währungsparität und möglicherweise auch Kurse darunter angepeilt werden.

Die EZB hält die Zinsen tief und hat den Ankauf von Staatsanleihen verlängert, aber von 80 auf 60 Mrd. € pro Monat reduziert.
Ich sehe dies als Einstieg in den Ausstieg aus den Anleihenkäufen, auch wenn die EZB das bestreitet – Geldpolitik muss sich alle Optionen offenhalten. Und wenn die Inflation weiter deutlich steigt, erwarte ich, dass die Notenbank die Anleihenkäufe schneller abbaut als bisher angekündigt.

Der Freihandel ist bedrängt, Donald Trump droht Unternehmen mit Einfuhrzöllen, falls sie die Produktion in Mexiko ausweiten.
Das ist Handelspolitik nach Gutsherrenart. Unternehmen wird zugerufen, was sie zu tun haben. Die Politik sollte sich darauf beschränken, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen. Die Unternehmen bestimmen, wo sie investieren. Sollte der Trump’sche Stil tatsächlich die neue Handelspolitik der USA bestimmen, dann gäbe es ein ernstes Problem.

Ist es sinnvoll, wenn die US-Regierung die Konjunktur ankurbelt?
Die USA verfügen ja bereits über eine niedrige Arbeitslosigkeit und eine hohe Auslastung der Kapazität der Unternehmen. Ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm braucht die US-Wirtschaft in dieser Situation gerade nicht.

Was sollte Donald Trump unternehmen?
Die USA benötigen eine Politik, die sich mit der hohen Ungleichheit und den stagnierenden Einkommen der Mittelschicht befasst. Zudem geht die Erwerbsbeteiligung zurück. Das hat mit dem Bildungs- und dem Gesundheitssystem zu tun. Ausserdem ist das Steuersystem reformbedürftig. Die USA brauchen Strukturreformen, aber kein neues Konjunkturprogramm.

Deutschland ist seit 2013 im konjunkturellen Aufschwung, 2016 mit einem Wachstum von 1,9%. Wie geht es weiter?
Die Ursachen für das Wachstum sind dieses Mal eher untypisch: Normalerweise ist es in Deutschland stark exportgetrieben. Diesmal ist die Binnennachfrage Träger des Aufschwungs – neben dem privaten Konsum vor allem der öffentliche Verbrauch. Letzterer wird insbesondere auch durch die Ausgaben für die Flüchtlinge bestimmt. Allerdings ist eine von dieser staatlichen  Nachfrage getriebene Konjunktur weniger nachhaltig als eine, die in erster Linie von privaten Investitionen und vom privaten Konsum getragen wird. Wir gehen davon aus, dass sich die Wirtschaft in diesem Jahr ungefähr wie 2016 entwickeln wird.

Reicht ein Wachstum von unter 2% aus, um die Herausforderungen von morgen zu bewältigen?
Langfristig durchhaltbare 2% wären ein robustes Wachstum. In früheren Zeiten war das eine für viele Länder typische Wachstumsrate. Aber heute werden wir ein solches Wachstum auf Dauer nicht mehr erreichen. Das hängt zusammen mit der demografischen Entwicklung – die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft. Daran wird auch die Migration kaum etwas ändern. Man kann davon ausgehen, dass das Wachstum in Deutschland dauerhaft im Schnitt eher bei 1% liegen wird.

Steigende Rohstoffpreise und Löhne treiben die Inflation, die in Deutschland im Dezember mit kräftigen 1,7 % überrascht hat. Setzt sich der Anstieg fort?
Wir erwarten für dieses Jahr eine Preissteigerungsrate von 1,5% für den Euroraum insgesamt. In Deutschland könnte es etwas mehr werden. Viel hängt davon ab, wie sich der Ölpreis entwickelt.

Sparer leiden unter der Niedrigzinspolitik der EZB, nun verliert das Ersparte wegen der Inflation auch an Wert.
Ja, 2017 wird das Geldvermögen auf dem Sparbuch sicherlich real schrumpfen. Natürlich gibt es andere Anlagemöglichkeiten als das Sparbuch, aber die Anleger sollten nicht vergessen, dass damit auch höhere Risiken verbunden sind. Und es sollte immer so disponiert werden, dass das Geld auch verfügbar ist, wenn es gebraucht wird.

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