Zurück zur Übersicht
17:15 Uhr - 12.07.2016

AgaNola-CEO: «Eine Antwort auf den Anlagenotstand»

Stefan Hiestand, CEO und Inhaber des auf Wandelanleihen spezialisierten Asset-Management-Anbieters AgaNola, setzt auf hohe Kreditqualität der Schuldner.

Herr Hiestand, die Briten haben sich gegen die EU entschieden, die Finanzmärkte schienen überrascht zu sein. Was nun?
Soweit das überhaupt möglich war, hatten sich die Märkte – anders als offensichtlich die Politik – schon vorzeitig auf den Tag X als einen möglichen historischen Präzedenzfall und auf die diversen Schockszenarien eingestellt. Es war zu erwarten, dass mit dem Brexit ein Währungs-, Vertrauens- und Kreditschock einhergehen würde. Kurzfristig scheint der Währungsschock weniger stark als erwartet ausgefallen zu sein, obwohl das Pfund zwischenzeitlich unter die psychologisch wichtige Marke von 1.30 $/£ gefallen ist. Ironischerweise notiert der britische Aktienindex FTSE 100 derzeit höher als vor dem Referendum.

Kommen jetzt – trotz dieser Entwicklung des Leitindex und des Pfunds – schwere Zeiten auf Grossbritannien und Europa zu?
Schwerwiegender werden der Vertrauensverlust in die Politik – die Brexit-Protagonisten outeten sich schon wenige Tage nach dem Referendum als Scharlatane – und die längerfristigen politischen und wirtschaftlichen Folgen ausfallen. Grossbritannien drohen ein Kapitalabfluss, ein Rückgang der Direktinvestitionen und ein Einbruch der Wirtschaftsleistung. Es ist davon auszugehen, dass es mit dem Austritt aus der EU ärmer und isolierter dastehen wird, während sich die Identitätskrise der EU massiv verschärft und der Verlust weiterer Mitglieder droht.

Also (ALSN 70.9 -0.14%) nimmt auch die EU Schaden.
Während die EU jetzt den starken Verhandlungspartner markiert und auf die rasche Umsetzung des Brexit drängt, sollte sie ihren eigenen Reformbedarf endlich erkennen und handeln. Der Brexit drückt den Protest der Menschen gegen ein zu starkes Brüssel und eine überbordende und kostspielige Bürokratie aus. Dieser Unmut herrscht in vielen anderen EU-Ländern.

Gibt es angesichts der Unsicherheiten nun einen Anpassungsbedarf in der Positionierung der Investments?
Wir leben seit Jahren mit hoher Volatilität und Ungewissheit. Unser Portfolio- und Risikomanagement arbeitet auf Basis diverser Szenarien und sichert Währungsrisiken konsequent ab. Die Verwerfungen nach der Brexit-Abstimmung haben gezeigt, dass unser Fokus auf hohe Kreditqualität bei unserem Kernprodukt Wandelanleihen sinnvoll ist. Zwar hatten auch wir britische Wandelanleihen, doch ihr Bond Floor – der Obligationenwert – blieb stabil, das hat die Verluste gut abgefedert.

Wandelanleihen fehlen in vielen Portfolios der Anleger nach wie vor.
Wandelanleihen sind eine aufkommende und noch stark unterschätzte Anlageklasse. Mit ihr antworten wir auf den Anlagenotstand im Asset Management. Wandelanleihen gewinnen an Attraktivität, weil andere Alternativen zu Anleihen wegen rekordtiefer Zinsen kaum vorhanden sind. Sie bieten den Vorteil, über ihr Wandlungsrecht von einer allfälligen Aktienkurserholung zu profitieren. Zugleich schützt das Rückzahlungsversprechen vor Verlusten, solange der Emittent zahlungsfähig bleibt.

Das Konzept der Asymmetrie – Schutz nach unten und Chance nach oben – besticht gerade in unsicheren Zeiten. Weshalb sind Wandelanleihen nicht weiter verbreitet?
Wandelanleihen sind unsere DNA. Ich beschäftige mich schon seit nahezu dreissig Jahren intensiv mit dieser spannenden Anlageklasse. Wir empfehlen Anlegern, 5 bis 15% des Portfolios in Wandelanleihen zu investieren.

Wandler, auch als Convertibles bezeichnet, sind konservativer als Aktien und hinken ihnen oft hinterher.
In jüngerer Vergangenheit konnten sich die Wandelanleihen mit Aktien sehr gut messen und die Volatilität auf vergleichsweise tiefem Niveau halten. Gemäss unseren Modellen dürften die Convertibles sich auch in den nächsten Jahren vorteilhaft präsentieren. Im derzeitigen Umfeld beurteilen wir ihr Risiko-Rendite-Profil als besonders attraktiv.

Greift der Schutz nach unten auch, falls die Zinsen dereinst steigen sollten?
Der Bond Floor bietet Schutz vor grösseren Rückschlägen an den Aktienmärkten und, dank kurzer Laufzeit und damit geringer Zinssensitivität, auch vor einer möglichen Zinswende. Das Wandlungsrecht lässt einen an steigenden Aktienmärkten teilhaben. Somit bleibt das Gewinnpotenzial bei Wandelanleihen bestehen, wogegen es bei herkömmlichen Anleihen eher beschränkt  scheint.

Wie entwickelt sich der Markt für Wandelanleihen im laufenden Jahr?
Angesichts jüngster Emissionen aus den USA und Japan sind wir zuversichtlich. Wandler sind ein attraktiver Nischenmarkt, der wegen seiner Komplexität eine gewisse Eintrittsbarriere für neue Anbieter bildet und aufwendige Analysen und die Schätzung zahlreicher Faktoren voraussetzt. Dieses Anlageuniversum ist noch lange nicht vollumfänglich erschlossen. Mit unseren Spezialisten investieren wir viel in die Grundlagenforschung. Dieses Jahr laden wir erstmals zu einem Spezialistenforum ein, in dem wir alle Aspekte der Wandelanleihe behandeln wollen.

Wie sonst reagieren Sie auf den Anlagenotstand im Niedrigzinsumfeld?
Neben unseren Fonds bieten wir beispielsweise die Beratung auf Produktebene, Managed Accounts oder auch die Beratung von Anlagekomitees. Vorsorgeeinrichtungen sind manchmal einfach an einer zweiten Meinung interessiert. Ein neues Feld, das in der Vorsorgewelt immer wichtiger wird, ist der Swiss Solvency Test. Der SST regelt seit 2006, wie viel Kapital ein Versicherer hinterlegen muss, um seinen Verpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Wenn man den SST-Massstab bei Pensionskassen anlegen würde, müssten ihre Schwankungsreserven stark erhöht werden. Dieses Denken ist für manche Pensionskasse Neuland.

Ein Kunde gibt Ihnen ein ausgewogenes Mandat, etwa zur Altersvorsorge, mit der Vorgabe des Kapitalschutzes über die kommenden zwanzig Jahre. Können Sie das erfüllen?
Im heutigen Anlageumfeld braucht es innovative Lösungen, die einerseits den Kapitalerhalt sichern und andererseits Kapitalwachstum ermöglichen. Ausgangspunkt eines solchen Mandats ist die strategische Vermögensaufteilung nach der Risikofähigkeit, Stichwort Schwankungsreserven, nach dem Risikobudget und der Risikobereitschaft. Dazu gehören Stressanalysen. Wir unterstützen unsere Kunden in der Analyse und Darstellung der Ergebnisse und erarbeiten mit ihnen eine massgeschneiderte Umsetzung. Wie weit die Vorgaben des Kapitalschutzes erfüllbar sind, kann dann in Simulationsberechnungen gezeigt werden. Wir sind überzeugt, dass ein disziplinierter, systematischer Anlageansatz überdurchschnittliche Renditen ermöglicht.

Sie verfolgen Ihren eigenen «systematischen, risikokontrollierten Ansatz», mit dem Sie Ineffizienzen am Aktienmarkt ausnutzen. Wie geht das?
Mit diesem Ansatz bieten wir zum Beispiel Investoren in Schweizer Aktien eine Portfoliokonstruktion, welche die systematischen Risiken der Benchmark – des Referenzindex – genau wie ein passives Produkt repliziert. Bei der Titelgewichtung hingegen weicht die Portfoliozusammensetzung von der passiven Indexnachbildung ab. So wird ein Portfolio konstruiert, welches eine Mehrrendite wie ein aktives Anlageprodukt aufweist, aber ein Risiko wie eine passive Anlage.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.