Zurück zur Übersicht
14:16 Uhr - 09.12.2014

Ein wackliger Börsenboom in China

Nach einer Rekordrally bricht die Börse Schanghai über 5% ein. Die chinesische Regierung warnt vor Übertreibungen an den Aktienmärkten.

Die Aktienmärkte Festlandchinas haben dieser Tage einen Rekord nach dem anderen gebrochen und versetzten damit selbst abgeklärte Investoren ins Staunen. Vergangenen Freitag überstieg das tägliche Handelsvolumen der Börsen Schanghai und Shenzhen zum ersten Mal die Grenze von 1 Bio. Yuan (157 Mrd. Fr.). Am Montag darauf ging der CSI-300-Index den zwölften Tag in Folge mit einem Plus aus dem Handel. Allerdings zeigte der Kurseinbruch vom Dienstag, dass die Hausse auf wackligen Füssen steht. Die Börse Schanghai gab im Tagesverlauf über 5% nach, vor allem Banktitel wurden hart abgestraft.

zoomDie Festlandbörsen haben nicht zuletzt wegen hundert neu kotierten Unternehmen seit Anfang Jahr eine Marktkapitalisierung von 4,8 Bio. $ erreicht und damit als weltweit zweitgrösster Börsenplatz Tokio überholt. Allein im November hat ein Zuwachs der Marktkapitalisierung von über 600 Mio. $ stattgefunden, was den Gesamtwert aller an der Börse Singapur kotierten Aktien übersteigt.

Wirtschaft ohne Schwung

Der Shanghai Composite Index hat Anfang Dezember zum ersten Mal in drei Jahren die Marke von 3000 Zählern durchbrochen. Das war umso bemerkenswerter, sind doch längst schon Fragen über die Nachhaltigkeit der Hausse aufgekommen. Die chinesische Wirtschaft verliert an Schwung, das zeigen auch die am Montag bekanntgegebenen Import- und Exportdaten für den November.

Obwohl es damit zunehmend wahrscheinlich wird, dass die weltweit zweitgrösste Volkswirtschaft 2014 das von der Regierung gesetzte Wachstumsziel von 7,5% verpassen wird, scheint die Lancierung einer massiven Stützungsaktion unwahrscheinlich. Das Politbüro, das oberste Gremium der Kommunistischen Partei, liess am Wochenende nach Abschluss einer den sozialen Reformen gewidmeten Sitzung vernehmen, dass der Umbau der Volkswirtschaft Vorrang hat. Das Kernstück ist, die Wirtschaft weniger von hochgradig fremdfinanzierten Sachinvestitionen abhängig zu machen.

Allerdings scheinen viele Investoren davon auszugehen, dass die People’s Bank of China in den kommenden Wochen den Geldhahn voll öffnen wird. Doch die Marktaufsichtsbehörde warnte die Investoren am Sonntag vor Übermut. Die China Securities Regulatory Commission liess verlauten, dass «Machenschaften wie etwa illegale Kursmanipulationen» zu Übertreibungen führen können.

Die Warnung folgte der Nachricht, dass in den letzten zwei Novemberwochen 300 000 neue Anlagekonten eingerichtet worden sind. Anlass zur Sorge gibt vor allem die Tatsache, dass sich laut den zwei Börsenbetreibern der fremdfinanzierte Aktienkauf seit Anfang Jahr auf 881 Mrd. Yuan (139 Mrd. Fr.) verdoppelt hat. Die Wertpapierkredite sind seit 2011 gar um mehr als das 23-Fache gewachsen.

Das zeigt zwar, dass die Festlandbörsen reifer werden. Doch damit sind sie auch enger mit den Banken verknüpft. Sollte es in Zukunft zu einem Börsencrash kommen, so könnte dies – anders als noch vor fünf oder sechs Jahren – das ganze Finanzsystem destabilisieren. Investoren scheinen gegenwärtig allerdings gerade deswegen davon auszugehen, dass der Staat notfalls rettend einspringen wird.

Ob die starke Korrektur vom Dienstag eine Zäsur ist oder der Boom weitergeht, werden die nächsten Tage zeigen. Für eine Rückkehr der Kauffreude spricht, dass die Bewertungen an sich keinen Anlass zur Panik geben. Zum einen liegt der Shanghai Composite noch rund 40% unter dem vor sechs Jahren erreichten historischen Hoch. Auch steht das zyklisch adjustierte Kurs-Gewinn-Verhältnis mit 14,2 gemäss Wirtschaftsmagazin «Caixin» noch ein Drittel unter dem zehnjährigen Durchschnitt.

Günstigeres Hongkong

Doch dass Bewertungsargumente kein Kaufzeichen sein müssen, zeigt ein Blick auf die Börse Hongkong, die anders als Schanghai und Shenzhen nicht durch Kapitalverkehrskontrollen von den globalen Finanzflüssen abgeschottet ist. Aktien, die auf beiden Seiten der Grenze gehandelt werden, sind meist sehr unterschiedlich bewertet. Die Diskrepanz in den Kursen hätte aber spätestens ab dem 10. November kleiner werden müssen. Seit diesem Datum besteht die Börsenbrücke Stock Connect, über die an der Börse Hongkong Aktien in Festlandchina gekauft werden können. Der Handel ist auch in die Gegenrichtung möglich.

zoomWider Erwarten hat keine Konvergenz bei den Kursen stattgefunden. In Schanghai zweitkotierte Aktien werden gegenüber den Hongkonger Pendants seit November mit einem Aufschlag gehandelt. Diese Prämie zeigte der AH Premium Index auch am Dienstag an, als der Hang Seng (Hang Seng 23485.83 -2.34%) in Hongkong mit einem Verlust von 2,3% deutlich besser abschnitt als der Shanghai Composite. Steht der Wert des Prämienindex über 100, sind die Aktien in Hongkong günstiger. Denn der Performanceunterschied seit Anfang Jahr bleibt gross: Die Börse Schanghai hat in diesem Zeitraum 39,5% zugelegt, die Börse Hongkong dagegen nur 4,8%.

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.