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07:03 Uhr - 23.03.2015

«Smart Beta ist primär smartes Marketing»

Burton Malkiel, emeritierter Finanzprofessor an der Princeton University, hält wenig von Modeströmungen und schwört auf passives Anlegen, wie er im Interview mit der Fuw erläutert.

Burton Malkiel gilt als geistiger Vater des Indexfonds. Seit rund vierzig Jahren propagiert er die Vorteile des passiven Investierens. Da aktive Anleger den Vergleichsindex auf lange Sicht ohnehin nicht zu schlagen vermöchten, sei es  sinnvoller, in einen günstigen Indexfonds zu investieren. Ein zentraler Aspekt sind für ihn die Kosten: Je geringer die anfallenden Gebühren, desto höher die Rendite für den Anleger. Wir haben Burton Malkiel im Anschluss an seinen Vortrag am «Finanz und Wirtschaft Indexing Forum» zum Gespräch getroffen.

Zur PersonDer US-Ökonom Burton Gordon Malkiel, geboren am 28. August 1932, ist emeritierter Professor an der Princeton-Universität.

Lange Zeit war er Mitglied im Verwaltungsrat des US-Fondsanbieters Vanguard, der den ersten Indexfonds auf den Markt brachte. Aktuell ist er Investmentchef von Wealthfront und Alphashares.

Malkiel ist einer der berühmtesten Verfechter der Theorie der effizienten Märkte und des passiven Investierens. Seine bekannte Einführung in die Welt des Investierens, «A Random Walk down Wall Street», 1973 erstmals publiziert, ist mittlerweile in der 11. Auflage erschienen.

Bevor Malkiel eine akademische Laufbahn einschlug, machte er als Investmentbanker an der Wallstreet Karriere. In den Siebzigerjahren war er Mitglied des ökonomischen Beraterstabs des US-Präsidenten.
Herr Malkiel, wie sollen Anleger im heutigen Umfeld investieren?
Zwei Empfehlungen: Erstens, im aktuellen Umfeld der finanziellen Repression, in dem die Zinsen künstlich tief gehalten werden, sollten Investoren einen Teil ihres Vermögens von Anleihen in Aktien mit hohen Dividenden umschichten.

Der zweite Ratschlag?
Zweitens sollten sie Staatsanleihen und Aktien von Schwellenländern stärker gewichten. Viele aufstrebende Volkswirtschaften verfügen heute über solidere Staatsfinanzen, eine jüngere Bevölkerung und somit bessere Wachstumsaussichten als die Industrieländer. Zudem sind ihre Aktienmärkte auch noch günstiger bewertet. Das Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis für die USA liegt bei rund siebenundzwanzig, für Schwellenländer unter fünfzehn.

Was ist Smart Beta?Smart Beta bezeichnet eine Alternative zur traditionellen Indexgewichtung gemäss Markt- oder Schuldenkapitalisierung.
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Ist das nicht eine Art Smart Beta, wenn Sie aufgrund von Bewertung und Wachstum vermehrt in Schwellenländern anlegen?
Das wäre der Fall, wenn ich sagen würde, man solle Schwellenländer übergewichten. Aber die meisten US-Anleger sind dort nach wie vor untergewichtet. Die Tatsache, dass Schwellenländer stark wachsen, hat zur Folge, dass die aktuelle Untergewichtung vieler Anleger mit der Zeit sogar noch zunehmen würde. Ich glaube, wir Amerikaner investieren zu wenig in Schwellenländer. Dasselbe gilt wohl auch für Europäer.

Sie sagen, Aktien in Europa und Japan seien ebenfalls interessant.
Ich starte mit der Prämisse, dass der Weltaktienindex der optimale Ausgangspunkt ist. Schaue ich mir die Vermögensaufteilung der US-Anleger an, sehe ich, dass die meisten von ihnen in Europa, Japan und den Schwellenländern untergewichtet sind. Wer wollte das – besonders angesichts der günstigen Bewertungen?

Europa hat seit Jahresbeginn äusserst gut abgeschnitten.
Wenn es so weitergeht, würde ich am Jahresende wohl ein Rebalancing vornehmen und  tendenziell von Europa wieder in die USA umschichten. Die Bewertungen in Europa sind aber – trotz der Rally – noch immer vernünftig. Und wenn ich in Einzeltitel investieren würde, dann eher in Siemens (SIE 100.65 -0.3%) als in General Electric (GE 25.4 0.28%).

Was raten Sie Schweizer Anlegern?
Schweizern würde ich japanische Aktien empfehlen und insbesondere Schwellenländer, da ich vermute, dass sie dort ebenfalls untergewichtet sind. Die grossen Verschiebungen, die wir bei den Währungen beobachten, sollten vor allem Europa und Japan zugutekommen.

Würden Sie das Währungsrisiko absichern?
Nein, oftmals ergibt sich ein natürlicher Hedge. Ein US-Anleger, der Anfang 2015 in Europa investierte, hat auf der Währung natürlich Geld verloren. Aber die Märkte waren so stark, dass er trotzdem finanziell besser dasteht, als wenn er in US-Aktien investiert hätte. Der Euro notiert aktuell bei rund 1.05. Wird er die Parität erreichen? Gut möglich. Aber ich weiss es nicht. Zudem ist Hedging teuer und schmälert die Rendite. Wenn Sie jedoch ein starkes Absicherungsbedürfnis haben, würde ich nicht sagen, das sei schlecht.

Risiken lassen sich auch durch Rebalancing mindern. Ist das heute weniger effektiv angesichts teurer Aktien und Anleihen?
Absolut. Wir müssen sehr vorsichtig sein, was unsere Positionen in Anleihen anbelangt. Ich glaube nicht, dass Bondmärkte angesichts der quantitativen Lockerung (QE) noch realökonomische Faktoren spiegeln. Die Regierungen in vielen Industrieländern haben Anleihen zu einem weniger attraktiven Investment gemacht als sie es historisch waren.

Smart Beta wird als Alternative im Tiefzinsumfeld angepriesen: höhere Renditen als beim passiven, aber tiefere Kosten als beim aktiven Anlegen.
Smart Beta geht von einem Indexportfolio aus und erhöht das Exposure gegenüber Risikofaktoren wie Value oder Small Caps. Manchmal funktioniert dieser Ansatz, manchmal nicht. Die Erfolgsbilanz ist durchzogen. Die Outperformance von Value relativ zum Gesamtmarkt in den letzten fünfzehn Jahren war eine Konsequenz der Technologieblase. Cisco Systems (CSCO 28.44 0.64%) handelte 2000 zum einem KGV von 150, ein Versorgertitel wie Public Service Electric and Gas Company zu einem KGV unter 15. Die Unterschiede in den Bewertungen waren enorm. Heute sind sie viel geringer, weshalb aktives Investieren weniger gut funktioniert. Smart Beta ist auch risikoreicher als klassisches Indexieren.

Mit Risiko meinen sie die Volatilität?
Nein, ich meine Risiko in all seinen messbaren Facetten. Ein Beispiel: Research Affiliates, ein wichtiger Fondsanbieter im Smart-Beta-Bereich, hat seit Beginn der Lancierung ihres Smart Beta ETF den Vergleichsindex Russell 1000 geringfügig geschlagen. Diese Outperformance kam jedoch in nur sechs Monaten während der Finanzkrise Ende 2008 und Anfang 2009 zustande.

Wie genau?
Damals waren fünfzehn Prozent ihres Portfolios in nur zwei Aktien konzentriert – Citigroup (C 52.98 1.15%) und Bank of America (BAC 15.84 1.47%). Das Gewicht von Bankaktien in ihrem Portfolio war doppelt so hoch wie im Marktindex. Zu dieser Zeit fanden intensive Diskussionen um die Verstaatlichung von Banken statt. Research Affiliates ging die Wette ein, dass dies nicht passieren würde. Sie bekamen zwar recht, aber es handelte sich um nichts anderes als eine Wette. Sagen sie mir also nicht, dass ein solches Portfolio weniger risikoreich sei als der Referenzindex. Smart Beta ist vor allem smartes Marketing. Die bessere Rendite ist ganz einfach eine Entschädigung für das höhere Risiko. Ist es deshalb ein dummer Ansatz? Nein, aber als Anleger müssen Sie sich der Risiken bewusst sein.

Was ist Smart Beta?Smart Beta bezeichnet eine Alternative zur traditionellen Indexgewichtung gemäss Markt- oder Schuldenkapitalisierung. Diese steht in der Kritik, weil tendenziell diejenigen Aktien das grösste Gewicht erhalten, die hoch bewertet sind. Somit werde prozyklisch investiert. Mangelnde Diversifikation wird ebenfalls bemängelt. Bei traditionellen Anleihenindizes machen die grössten Schuldner den Löwenanteil aus, was problematisch sein kann.

Das Ziel des Smart-Beta-Ansatzes ist es, diese Probleme zu beheben oder abzuschwächen, indem die Gewichtung der Titel verändert wird: bei Aktien beispielsweise gleichmässig, gemäss Unternehmenskennzahlen, nach Bewertung, Momentum, Risiko oder Qualität. Staatsanleihen lassen sich nach der Grösse des Bruttoinlandprodukts gewichten. Smart Beta liegt normalerweise eine Strategie zugrunde, die darauf abzielt, im Vergleich mit einem traditionellen, kapitalgewichteten Index entweder eine höhere Rendite zu erzielen oder das Risiko zu verringern. Befürworter betonen gerne, diese Produkte seien günstiger als aktiv verwaltete Fonds und böten gleichzeitig eine bessere Rendite als kapitalgewichtete Barometer.

Kritiker wie Burton Malkiel argumentieren, dass die höheren Renditen nichts anderes seien als eine Kompensation für das Eingehen höherer Risiken. Das sei zwar nicht zwingend schlecht, müsse aber klar deklariert werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass gewisse Strategien, die in der Vergangenheit ansprechende Renditen erbrachten, aufgrund von Arbitrage in der Zukunft nicht mehr funktionieren.

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