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17:31 Uhr - 11.05.2016

«Viele Cat-Bond-Fonds haben ein Klumpenrisiko»

Niklaus Hilti, CEO und Leiter der Insurance-Linked Strategies bei der Grossbank Credit Suisse, sieht grosses Wachstumspotenzial für die Verbriefung von Risiken.

Herr Hilti, warum sollen Anleger in Insurance-Linked Strategies investieren?
Niklaus Hilti Bild: ZVGEs gibt drei Gründe: die tiefe Korrelation zu anderen Anlageklassen, eine attraktive Performance und die variable Verzinsung.

Institutionelle Anleger dominieren den Markt. Das Volumen der Privattransaktionen wird auf 400 Mrd. $ geschätzt.
Es gibt UCITS-Produkte für Privatanleger, sogenannte Cat-Bond-Fonds. Wir haben keine im Angebot. UCITS-Produkte müssen liquid sein, und wir glauben nicht, dass der Markt immer liquid sein wird.

Was meinen Sie damit?
Im Normalfall ist der Markt liquid, im Katastrophenfall nicht. 2005 gab es mehrere grosse Wirbelstürme in den USA. Es war nicht klar, welche Anleihen wie stark betroffen waren. Oft kommen neue Dimensionen hinzu, die nicht vorhergesehen wurden. Beim Angriff auf das World Trade Center, bei der Überschwemmung von New Orleans und beim Atomunglück von Fukushima war dies der Fall.

Sollten Privatanleger von der Anlageklasse die Finger lassen?
zoomViele Cat-Bond-Fonds haben ein grosses Klumpenrisiko mit US-amerikanischen Wirbelstürmen. Es ist der grösste Markt mit der höchsten Versicherungsdichte. Zudem ist die Zerstörungskraft gewaltig. 2005 verursachte Wirbelsturm «Katrina» einen Schaden von 41 Mrd. $.

Wie gross ist das Klumpenrisiko?
70% des 22 Mrd. $ grossen Cat-Bond-Markts beziehen sich auf Schäden von US-amerikanischen Wirbelstürmen.

Wie gross sind die Klumpenrisiken, die Sie eingehen?
In unseren konservativen Produkten dürfen wir kein Exposure über 30% zu einer einzelnen Ereignisregion haben. So zwingen wir uns in die Diversifikation.

Wo finden Sie attraktive Risiken?
Prämien werden stark von Angst, Gier und dem Vergessen getrieben. Nach einem Erdbeben merken die Unternehmen, dass sie unterversichert sind. Die Versicherer geben die Risiken an Rückversicherer weiter. Gleichzeitig gibt es Angst vor Nachbeben. Die Prämien steigen. Darum ist es attraktiver, in Regionen wie Japan zu investieren, als in Europa, wo seit 1999 keine grossen Katastrophen stattgefunden haben.

Wie errechnen Sie den fairen Preis?
Es gibt den statistischen Preis, der sich aus der Wahrscheinlichkeit des Eintreffens einer Naturkatastrophe ableitet. Dieser Preis wird mit statistischen Modellen bestimmt. Über Hunderttausende von Jahren werden Naturkatastrophen und Schäden simuliert. Daraus ergibt sich eine Verlustwahrscheinlichkeit. Anhand eines erwarteten Ausfalls für ein bestimmtes Ereignis von beispielsweise 2% erwarten wir zumindest 4 bis 5% Prämie.

Wie verhält sich der Marktpreis im Vergleich zum statistischen Preis?
Nach einem Erdbeben ist die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Erdbebens weiterhin 2%. Wegen der Angst im Markt bekomme ich aber plötzlich 7 bis 8% Prämie. Andererseits sinken die Prämien, wenn lange nichts passiert. Jedoch ist die Bandbreite der Prämien enorm. Diese bewegen sich zwischen 4 und 20%.

Wie ist die Situation heute im historischen Kontext?
Nach der Finanzkrise sind die Prämien gestiegen, da viele Rückversicherer Kapital verloren haben. Die Risikotragfähigkeit nahm ab, weniger Kapazität war vorhanden, und die Prämien stiegen. Im Markt spielt es keine Rolle, ob ein Rückversicherer das Kapital wegen einer Naturkatastrophe oder im Finanzmarkt verliert. 2011 war dann das teuerste Jahr in der Versicherungsindustrie, und seit 2012 sinken die Prämien. Aktuell sind sie eher tief.

Wie akkurat sind die statistischen Modelle?
Hier sehe ich eine grosse Gefahr. Es gibt viele Marktteilnehmer, die Daten in diese Modelle abfüllen, auf den Knopf drücken, eine halbe Stunde warten und ein Resultat bekommen und damit zufrieden sind. Oftmals fehlt aber das Verständnis dafür, wie diese Modelle funktionieren. Beispielsweise können diese Modelle sagen, wie viele Gebäude im Kanton Zürich bei einem Sturm mit 180 km pro Stunde einen Schaden haben werden. Aber sie können nicht sagen, welchen Schaden ein bestimmtes Gebäude haben wird.

Wie handhaben Sie das?
Je homogener die Risiken sind, desto besser funktionieren die Modelle. Handelt es sich um höchst unterschiedliche Risiken, fehlen den Modellen die Daten, um akkurat zu kalibrieren. Darum schauen wir, dass wir bei unseren Transaktionen Risiken haben, die homogen und einfach modellierbar sind.

Der Markt für Cat-Bond-Fonds ist noch ziemlich klein.
Der Cat-Bond-Markt wird langfristig wachsen. Ich bin überzeugt, dass gewisse Sparten wie das Naturkatastrophengeschäft standardisiert und an den Finanzmarkt ausgegliedert werden. Auch andere Risiken, die zu gross sind für den Rückversicherungsmarkt, wären längerfristig besser im Finanzmarkt aufgehoben.

Wieso ist der Finanzmarkt besser geeignet?
Normale Schäden wie einen Autounfall kann jede Versicherung zahlen. Aber bei Extremereignissen wie einem Erdbeben in Tokio rechnet man schnell mit einem Schaden von 100 Mrd. $ und mehr. Die Gesamtkapitalisierung des Rückversicherungsmarkts beträgt 500 Mrd. $. Der Kapitalmarkt ist viel grösser als die Kapitalisierung der Rückversicherer, darum ist er besser geeignet, um Schockereignisse zu absorbieren.

ILS beschränken sich primär auf Naturkatastrophen. Sehen Sie weitere Themen?
Ja, zum Beispiel Cyber-Risiken. Die vorhandenen Produkte der Versicherer sind sehr beschränkt, die Nachfrage ist aber gewaltig. Wir haben fast jede Woche eine Anfrage, teilweise bis zu einer Versicherungssumme von 1 Mrd. $. Da es sich aber um ein globales Risiko handelt, ist eine regionale Diversifikation nicht möglich. Darum ist es noch kapitalintensiver.

Inwiefern spielt der Klimawandel für ILS-Produkte eine Rolle?
Es gibt nicht mehr Naturkatastrophen, doch die versicherten Schäden sind höher. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass die risikoreicheren Regionen dichter besiedelt sind und die Versicherungsdichte höher ist. Dass die Wirbelsturmschäden laufend zunehmen, kommt grösstenteils davon, dass die Küstenbevölkerung überproportional steigt, mehr versichert wird und die Versicherungssumme wächst.

Also gibt es keinen Einfluss?
In der Frequenz der Wirbelstürme gibt es in den vergangenen fünfzig Jahren keinen Trend. Die Intensität hingegen hat in diesem Zeitraum 5% zugenommen. Das klingt nach wenig, darf aber nicht verharmlost werden, da die kinetische Energie und der dadurch verursachte Schaden exponentiell zunehmen. Dort wo wir tätig sind, kann die Zunahme der Schäden nicht mit der Klimaerwärmung erklärt werden – zumindest noch nicht. In anderen Bereichen, wie etwa bei lokalen Fluten, kann hingegen eine klimabedingte Zunahme von Schadensereignissen festgestellt werden.

Welche Rolle spielt der Faktor Mensch?
Der Mensch erkennt gewisse Risiken nicht. Es ist wie mit der Radioaktivität. Wir haben keinen eingebauten Geigerzähler. Um das Risiko des Klimawandels richtig wahrzunehmen, ist unser Leben zu kurz. Unsere Sinne und unsere Zeitskala sind nicht dafür gemacht und erschweren es, die richtigen Entscheide zu treffen.

Der Anleger wird zum RückversichererDer Name Katastrophen-Bonds klingt eher abschreckend. Daher werden sie Cat Bonds oder Insurance Linked Strategies (ILS) genannt. Es handelt sich bei allen um die Verbriefung von Versicherungsrisiken. Der Anleger kauft gebündelte Risiken und wird damit selbst zum Rückversicherer. Dafür erhält er eine Risikoprämie und einen Kurzfristzins, analog einer variablen Anleihe. Wegen des spezifischen Risikos korrelieren Cat Bonds kaum mit anderen Anlageklassen.

ILS-Manager schöpfen aus zwei Pools: dem traditionellen Rückversicherungsmarkt und dem Cat-Bond-Markt. Der traditionelle Rückversicherungsmarkt für die Absicherung von Natur- und von Menschen verursachten Katastrophen wird über Privattransaktionen abgewickelt und auf 400 Mrd. $ geschätzt. Privatanleger können über Fonds, die in Cat Bonds investieren, partizipieren. Der Cat-Bond-Markt ist mit 22 Mrd. $ relativ klein. Zudem gibt es ein Klumpenrisiko. Zwei Drittel der Cat Bonds sind gegenüber Wirbelstürmen in den USA exponiert.

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